Schimpansen

Eine Filmkritik von Lida Bach

Affenbande

„Über Monate hinweg unter extremen Bedingungen gedreht, erzählt Schimpansen eine wahre, einzigartige Geschichte, die von der Natur geschrieben wurde…“. Okay, hier tut das Presseheft der mit makellosen Bildern aufwartenden Primaten-Dokumentation, was die Naturfilme aus dem Hause Disneynature beständig vormachen: es passt die Realität den persönlichen Wunschvorstellungen an. Lernen durch Nachahmung nennt sich die Strategie, die beweist, was vermenschlichte Kinotiere wie Alastair Fothergills und Mark Linfields Schimpansen einem alles beibringen können.
Voraussetzung dafür ist, man steht das unerbittliche Wiederholen der putzigen Aufnahmen des Affenjungen Oscar und seiner Herde durch. Ihnen kommt die Kamera beeindruckend nah, doch dem Regie-Team dient die faszinierende Intimität nur dazu, der Wildnis ihre Wildheit zu rauben. Abgesehen vom weniger drolligen Jagen und anschließenden Verzehren eines Kleinaffen zeigt Schimpansen seine Titeltiere bei den immer gleichen Verrichtungen. Im Original liefert dazu Tim Allen die immer gleichen Familienmetaphern. Sie boten sich laut Linfield von ganz allein an: „Hätten wir so etwas in ein Drehbuch geschrieben — niemand hätte uns geglaubt.“ Dank suggestiver Musik, parteiischer Hintergrunderzählung und irreführender Montage dürften ihnen immerhin die Kinderzuschauer glauben. Was das Schreiben der Geschichte angeht, bekam die Natur offenbar ein bisschen Hilfe von Disneynature.

Ein süßes Tierbaby, benannt nach einem Filmpreis, verliert seine Mutter wie Bambi, erwärmt das Herz eines mürrischen Alten, in Oscars Fall Alphamännchen Freddy, wie Tiny Tim und Der kleine Lord und wird bedroht von einem Feind namens „Scar“ wie Simba in Der König der Löwen. Das Wort „einzigartig“ legen die Filmemacher ähnlich großzügig aus wie „wahr“. So entstand im Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste lediglich „das Kernstück der Geschichte“, die mit Drehmaterial aus Uganda und Gabun zurechtgebogen wird. Nur so passt sie in die Disney-Schablone aus Familienwerten („Isha könnte mit ihrem Neugeborenen nicht glücklicher sein.“), Patriotismus („Für Ishas kleinen Jungen ist das der Unabhängigkeitstag!“), Materialismus („Oscars Zuhause ist eine erstklassige Immobilienparzelle.“) und Gesundheits-Tipps („Es ist immer gut deiner Diät ein paar Ballaststoffe hinzuzufügen. Darum vergiss nicht den Salat.“). „Wir wollten keinen Film mit erhobenem Zeigefinger machen.“, versichert indes Linfield.

Überflüssige Mahnung sieht er dort, wo die Bedrohung der Schimpansen durch Umweltzerstörung und Jagd ein wichtiges Thema gewesen wäre. Doch erst im Abspann erwähnt eine Fußnote, dass von Rund einer Million wilder Schimpansen seit 1960 nur ein Fünftel überlebt hat. Da solche alarmierenden Fakten das Zielpublikum anöden könnten, spielt Schimpansen lieber ein bisschen Krieg. Darin geht es um, klar, „Ressourcen“! Die beansprucht Freddys Herde aus Müttern, Kindern „und einem Oldtimer wie Opa“. Doch Scars „Mob“ beabsichtigt „den ganzen Krieg zu gewinnen, nicht nur eine Schlacht“ und seiner „Armee“ grimmiger Männchen bleibt „die unzureichende Überwachung der Grenze nicht unbemerkt“. Da Freddy den Waisen Oscar betreut, ist „die Zeit einer kompletten Invasion“ gekommen: „Der große Feigenbaum wird geplündert. Freddy muss Herde und Ziehsohn vor Scars „Gang“ schützen. „Da geht es zu wie in einem Großstadtdrama!“, findet Nicholas Hooper.

Er komponierte zuletzt den Soundtrack zur Disneynature-Produktion Im Reich der Raubkatzen, wo ebenfalls Single-Mütter ihren Nachwuchs in Gang-Revieren aufziehen. Die Parallelen bei der Zusammensetzung des Filmteams und der Produktion mögen den Jüngsten im Publikum entgehen; die Gleichförmigkeit der Tiergeschichten, ihre narrative Fantasielosigkeit und verkrampfte Scherzhaftigkeit sicher nicht. Genau wie ein Kommentar, der statt Informationen Kalauer (large & in charge, survive & thrive, delicious & nutricious, rest & digest) liefert. Wie Freddy angesichts des sentimentalen Dschungelbuchs vorgeblich denkt: „Ja, ja. Alles schon x-mal gesehen.“ Dem bleibt eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen.

Schimpansen

„Über Monate hinweg unter extremen Bedingungen gedreht, erzählt „Schimpansen“ eine wahre, einzigartige Geschichte, die von der Natur geschrieben wurde…“. Okay, hier tut das Presseheft der mit makellosen Bildern aufwartenden Primaten-Dokumentation, was die Naturfilme aus dem Hause Disneynature beständig vormachen: es passt die Realität den persönlichen Wunschvorstellungen an.
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