Remember Me

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Das Trauma im Vergessen

Eigentlich kann man jedem Leser nur einen einzigen und ehrlichen Rat ans Herz legen: Lesen Sie nichts über diesen Film! Gehen Sie ins Kino, schauen Sie sich Remember Me an und beginnen Sie nachzudenken und — je nachdem — bestürzt? geplättet? erbost? zu diskutieren, ob man einen Film so drehen, so machen, ja so enden lassen kann, wie es Allen Coulter vorgeführt hat.
Denn das Ende dieses Films ist gleichsam der Anfang einer überaus sensiblen Diskussion: Wie weit darf das Medium Kino gehen, um tief in uns steckende Gefühle zu wecken? Wo hört Emphase auf und Manipulation an? Wo ist die Grenze zum Makabren? Zum Trivialen und Überdeutlichen?

Dabei ist Remember Me eigentlich nichts weiter als ein Liebesfilm, ein Film über den NYU-Politikstudenten Tyler Hawkins (gespielt von Twilight-Mädchen-Schwarm Robert Pattinson), der sein Leben nicht so recht in den Griff bekommt. Zwar wird man recht eklatant und aufdringlich auf seine scharfe Reflexionsgabe in Form von sokratischen Zitationsparlandi hingewiesen, jedoch kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass Tylers Hinterhof-Existenz, der er im New Yorker Bohemien-Stadtteil Brooklyn etwas klischeehaft und aufgesetzt frönt, ein disparates und unzufriedenes Gefühl des Scheiterns innewohnt. Schnell wird ersichtlich, wo der Stein zum Trübsalblasen vergraben liegt: Tyler hat seinen Bruder verloren, einen Künstler und Gitarristen, der sich vor Jahren das Leben genommen hat. Seitdem zeigt sein Vater (Pierce Brosnan), ein jovialer New Yorker Geschäftsmann, kein Interesse am Zustand der traumatisierten Familie, weder an ihm, noch an seiner kleinen Schwester Caroline (Ruby Jerins), die noch intensiver an der Rücksichtslosigkeit und emotionalen Ignoranz des Vaters leidet.

In Fahrt kommt die Handlung nach einer gewaltsamen Aktion: Tyler beobachtet während einer Kneipentour, wie zwei Männer von Unbekannten angegriffen werden. Er schreitet ein, Wut entbrannt, und versucht — mit geballter Faust und kräftigen Schlägen -, den Konflikt zu beenden. Als dann die Polizei anrückt und angesichts Blut überströmter Gesichter nur gelangweilt Papierkram abzuarbeiten weiß, fühlt sich Tyler in seinem Gerechtigkeitsgefühl verletzt: Der Officer (Chris Cooper) lässt die Aggressoren laufen; Tyler protestiert, wofür er – und nicht die Verbrecher – schließlich in der Gefängniszelle landet.

Später findet sein Mitbewohner (Tate Ellington) heraus, dass die Tochter des bräsigen Officers ebenso wie die beiden Freunde Politikwissenschaft an der New York University studiert. Tyler kennt die Studentin aus einem seiner Kurse. So erwächst die Idee, sich an das hübsche blonde Mädchen heranzumachen, um den Vater zu düpieren und sich für das exekutive Versagen zu rächen. Doch Tylers Plan scheitert; nicht daran, dass er mit seinen strahlenden Augen und seinem überzeugenden Charme Ally (Emilie de Ravin) nicht zu gewinnen versteht, sondern daran, dass er sich in das hübsche Mädchen unerwartet verliebt. Dabei gibt es ein strukturell verbindendes Moment zwischen beiden, das die Beziehung plausibel macht.

Der Film beginnt mit einer Analepse, also mit einer kurzen Sequenz aus der Vergangenheit, die zeigt, wie Allys Mutter während eines U-Bahn-Raubüberfalls erschossen wurde. Insofern wissen beide Figuren nur zu genau, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.

Der Fokus bleibt jedoch weiterhin auf Tyler gerichtet: Sein stiller Kampf gegen seinen Vater, um Aufmerksamkeit, um Liebe, Zuneigung und Verständnis, sein Engagement für seine kleine Schwester, die sich minderwertig und unverstanden fühlt, verspottet von ihren Mitschülern, die, um sie zu hänseln, ihre lange Haarpracht beschneiden, ist das eigentliche Thema des Films. Es ist ein Aufschrei, der wachrütteln soll, um Wesentlich zu extrapolieren, Wesentliches, das aus dem Zwischenmenschlichen erwächst, um zu zeigen, dass man tot und von der Erde längst verschluckt sein kann, obwohl man lebt.

Wie dieser New-York-Traumata aufgreifende Film das Ende löst, wird vermutlich bis zum Schluss für Diskussionsstoff sorgen. Trotzdem: Auch, wenn es vernichtende Kritiken gab (in den USA lief der Film bereits am 1. März an), muss man sich eingestehen, dass der Film zweierlei Reaktionen legitimiert: Vernichtende Ablehnung oder ungestüme Affirmation. Denn trotz der etwas lang geratenen Liebesgeschichte, schafft es Allen Coulter, die Frustration Tylers in einer bestürzenden und oftmals tief ergreifenden Intensität zu zeigen, die sich im Laufe der Handlung wirkungsmächtig entfaltet. Ob nun das (soviel sei gesagt) überraschende Ende diese Bestürzung noch weiter forcieren kann oder im Gegenteil: ins Peinlich-Übertriebene oder Unzulässige kippt, bleibt eine Sache des individuellen Geschmacks. Der Autor dieser Zeilen verließ den Kinosaal jedenfalls tief verstört.

Remember Me

Eigentlich kann man jedem Leser nur einen einzigen und ehrlichen Rat ans Herz legen: Lesen Sie nichts über diesen Film! Gehen Sie ins Kino, schauen Sie sich „Remember Me“ an und beginnen Sie nachzudenken und — je nachdem — bestürzt? geplättet? erbost? zu diskutieren, ob man einen Film so drehen, so machen, ja so enden lassen kann, wie es Allen Coulter vorgeführt hat.
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Meinungen

seductive · 04.05.2011

Der Film ist langweilig. War sehr enttäuscht

Hanna · 29.06.2010

Wow ich fand diesen film einfach krass. unbeschreiblich schön ,dramatisch, herzerreisend,liebevoll...ich war ganz allein im Kinosaal.(schon ein wenig gruselig dadurch an manchen stellen)SEHEN SIE SICH DIESEN FILM AN!! er ist echt genial!!!

Kaddy · 24.04.2010

"Tief verstört" bringt die Sache auf den Punkt!
Ich jedenfalls war zwar schockiert, aber nicht von der "Dreistigkeit" von Autor/Regisseur. Ich war schockiert von der Intensität der Gefühle, die dieser Film bei mir (und allen anderen im Kinosaal) auslöste. Drama pur - einfach ... wow!

Inge · 07.04.2010

Dieser Film hat mich tief bewegt. Er ist wunderschön, tieftraurig und mit tollen schauspielern, allen voran die Hauptfiguren besetzt. Seit langem bin ich mit Tränen in den Augen aus dem Kino gegangen. Das logische Ende des Films passt haargenau zur Stimmung des ganzen Films.

Chrissy · 01.04.2010

Ich finde den Film genial. Robert Pattinson zeigt sich weitab von oberflächlichem Schauspiel, das die ständige Bezeichnung "Teenieschwarm" treffend machen würde. Seine Mitdarsteller spielen wie er überzeugend, so dass auch ich verstört und betroffen aus dem Kino ging. Ich bin dankbar für diesen Film, der Tiefgang besitzt für alle, die dies zulassen und bereit für einen Film sind, der eben nicht dem üblichen Raster entspricht. Mir hat er verdammt gut gefallen. Er amüsiert stellenweise, aber entführt auf eine großartige emotionale Weise.