Rachels Hochzeit

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Fest mit Hindernissen

Manchmal kann Erfolg, gerade im Kino, auch ein Fluch sein. Jonathan Demme kann davon wahrscheinlich nicht nur ein Lied, sondern eine ganze Oper singen. Mit zwei Welterfolgen zu Beginn der Neunziger (Das Schweigen der Lämmer / The Silence of the Lambs; 1991 und Philadelphia; 1993) standen dem Videoclip-Regisseur in Hollywood alle Tore weit offen. Doch nach den beiden Erfolgen folgten zwei Flops (Menschenkind / Beloved; 1998 und Die Wahrheit über Charlie / The Truth about Charlie; 2002) und mit The Manchurian Candidate (2004) ein mittelprächtiges Remake, das meilenweit entfernt vom Erfolg seiner großen Filme war. Nach zwei Dokumentationen (Neil Young: Heart of Gold; 2006 und Jimmy Carter – Man from Plains; 2007) kehrt Demme nun mit Rachels Hochzeit zum Spielfilm zurück.
Wenige Tage vor der Hochzeit ihrer Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) kehrt die reichlich kaputte und respektlose Kym (Anne Hathaway) nach Hause zurück, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Es ist ein wenig wie die Heimkehr einer verlorenen Tochter. Denn Kym kommt gerade aus einer Entziehungsklinik zurück, über den Feierlichkeiten liegt von Anfang an ein Schatten. Und der hat seine Ursachen vor allem darin, dass Kym im Rausch ein Unglück verursachte, bei dem ihr kleiner Bruder Ethan ums Leben kam. Kym ist keinesfalls gewillt, ihre Schuld an dem Drama und die seit langem schwelenden Konflikte innerhalb der nach außen intakten und liberalen Familie totzuschweigen – schon gar nicht wegen einer Hochzeit. So tritt sie lustvoll in jedes Fettnäpfchen und jedem der Anwesenden einmal feste gegen das Schienbein. Auf diese Weise wird das geplante Fest, das alle emotionalen Höhen und Tiefen durchläuft, zu einem Ereignis, das allen Beteiligten in lebhafter Erinnerung bleibt dürfte. Auch wenn sie sich Rachels Hochzeit sicherlich anders vorgestellt hätten…

Natürlich erinnert die Grundkonstellation von Rachels Hochzeit ein wenig an Thomas Vinterbergs mittlerweile berühmt gewordenen Dogma-Film Das Fest. Doch bei aller auch stilistischen Verwandtschaft geht Demme ungleich behutsamer mit seinen Figuren um, lässt ihnen trotz aller Verletzungen und Tragödien Wärme und vor allem Hoffnung, dass die Liebe einer Familie vielleicht doch alles zu überwinden versteht. Am Ende muss Kym zwar wieder zurück zu ihrer Reha. Doch vielleicht, so hofft der Zustand, gibt es für sie und ihre Familie ja doch noch eine Chance, die traumatischen Erfahrungen zu überwinden.

Nach wie vor versteht Demme es, sein Publikum zu fesseln und auf intelligente Weise zu unterhalten. Doch gerade die Erfahrungen mit den letzten beiden Arbeiten scheinen seinen Blick für die Verwerfungen der Wirklichkeit spürbar geschärft zu haben. Innerhalb von nur wenigen Drehtagen hat Demme diesen Film mit mehr als zwanzig Schauspielern realisiert und zeigt gerade in dieser Verknappung enormen Mut und sein begnadetes Händchen für die Schauspielerführung. Wie er sein Ensemble dirigiert und vor allem Anne Hathaway zu einem wahren Parforceritt antreibt, das alleine macht diesen Film sehenswert. Und die mobile Handkamera sowie der Verzicht auf einen Soundtrack im üblichen Sinne geben dem Film den Anschein eines Amateurfilms, wie man es bereits in Sábado – Das Hochzeitstape von Matias Bize sehen konnte. Anders als im Film des Südamerikaners sind bei Demme einige Längen nicht zu übersehen – der Wunsch nach Authentizität zeigt gnadenlos all die Redundanzen und langweiligen Tischreden, die zu einer Hochzeit gehören wie das Amen in der Kirche.

Vinterberg, Bize, Robert Altman, dem Demme im Abspann seines sehenswerten Experimentes dankt und Jenny Lumet, die Tochter Sidney Lumets, die das sehr gelungene Drehbuch für diesen Film schrieb: Die Mixtur, die Demme in Rachels Hochzeit auftischt, ist überraschend, macht aber durchaus Appetit auf mehr. Zumindest soll nach diesem Film noch mal einer sagen, Hochzeiten seien eine langweilige Angelegenheit.

Rachels Hochzeit

Manchmal kann Erfolg, gerade im Kino, auch ein Fluch sein. Jonathan Demme kann davon wahrscheinlich nicht nur ein Lied, sondern eine ganze Oper singen. Mit zwei Welterfolgen zu Beginn der Neunziger (Das Schweigen der Lämmer / The Silence of the Lambs 1991 und Philadelphia 1993) standen dem Videoclip-Regisseur in Hollywood alle Tore weit offen.
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Meinungen

Katharina · 27.11.2020

Ich habe mich selten bei einem Film so gelangweilt. Schaut ihn euch nicht an!