Porto (2016)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Amour triste (et fou)

Wiewohl die Liebe so ziemlich die verwirrendste, beängstigendste und unberechenbarste Sache der Welt ist, haftet gerade vielen Liebesfilmen etwas ungemein Formelhaftes, Harmloses und Einfallsarm-Vorhersehbares an. Wir wissen, dass SIE und ER, ausnahmsweise auch mal SIE und SIE oder ER und ER, sich kriegen werden (oder nicht, wenn das Ganze ein großes, tränentreibendes Melodram ist) – und selbst der Weg dorthin, zum vollendeten Glück oder zum bitteren Unglück, wird selten irritierend-überraschend geschildert und noch viel seltener kinematografisch ambitioniert umgesetzt.

Gabe Klingers Porto enthält indessen beides: die Irritation und das Bekenntnis zum Kino. Kein romcom-Gedöns im öden Schuss-Gegenschuss-Verfahren, kein träge absolvierter Hindernisparcours zu Großstadtmotiven aus dem Reisekatalog, sondern Gefühle, die echt wirken – und deshalb zuweilen auch deutlich zu intensiv oder zu unentschlossen sind, irgendwie furchtbar hässlich oder unangebracht, zu früh, zu spät, leider einfach ganz und gar schlecht getimt. Diese Gefühle werden in einer fragmentarisch-verschachtelten Erzählung und in 8-, 16- sowie 35-Millimeter-Aufnahmen eingefangen; jedes Format entspricht einer anderen Zeitebene. Die wehmütigen Leinwandbilder (Kamera: Wyatt Garfield) lassen uns rasch ahnen, dass das alles eigentlich zu schön ist, um wahr zu sein – und dennoch lassen sie uns hoffen, auf ein bisschen Lichtspielhaus-Magie, die natürlich nur eine bittersüße Illusion ist.

Porto schildert das Kennenlernen von Jake (Anton Yelchin) und Mati (Lucie Lucas) – und wie es die beiden verändern wird. Das Aufeinandertreffen ereignet sich in der titelgebenden portugiesischen Hafenstadt, aus welcher weder er noch sie stammt. Er ist 26 Jahre alt, US-Amerikaner, kam durch die Diplomaten-Tätigkeit seines Vaters einst nach Porto und entschied sich zu bleiben, ohne einen wirklichen Plan zu haben. Sie ist 32 Jahre alt, Französin, im akademischen Bereich als Archäologin tätig und mit dem Universitätsprofessor João (Paulo Calatré) zusammen, der sie heiraten will. Dreimal begegnen Jake und Mati einander – bei einer Ausgrabung, am Zug und schließlich in einem Café. Sie landen in Matis neu bezogener Wohnung, schlafen miteinander, nachdem alle Kisten von Matis Auto ins Wohnzimmer geschleppt wurden und gehen anschließend in das einzige Restaurant, welches zu so später Stunde noch geöffnet hat. Am nächsten Morgen wird klar, dass Jake die Liebesanbahnung als verbindlicher angesehen hat als Mati. Als sie auf Distanz geht, wird Jake immer aufdringlicher und überschreitet eine klare Grenze.

Der Film zeigt, dass emotionale Intensität sehr plötzlich unangenehm und bedrohlich werden kann. Ebenso zeigt er, dass es Dinge gibt, die uns womöglich nie mehr loslassen, die uns wahrlich gefangen nehmen. Indem das Drehbuch, das Klinger gemeinsam mit Larry Gross verfasste, die Geschichte nicht chronologisch wiedergibt, sondern in kleinen Puzzle-Stücken präsentiert, wird die Orientierungslosigkeit, die das Verliebtsein hervorrufen kann, treffend erfasst. Schade ist indes, dass der Schöpfer dieses lebensklugen Werks selbst vor einigen Monaten höchst unangenehm in Erscheinung trat, als er auf eine negative Filmkritik extrem unprofessionell reagierte, wie auf der Website The Seventh Row nachzulesen ist.

Der am 19. Juni 2016 im Alter von 27 Jahren durch einen tragischen Autounfall ums Leben gekommene Anton Yelchin liefert hier eine herzbrechende Darbietung; sowohl die Verliebtheit, die den jungen Jake ganz unverhofft trifft, als auch die hochkochenden Emotionen in den Momenten, in denen der junge Mann sein frisches Glück unfassbar schnell wieder verloren gehen sieht, und schließlich die Einsamkeit, die das Dasein des gealterten Jake verdunkelt, werden von Yelchin hingebungsvoll und glaubhaft vermittelt. Auch Lucie Lucas macht aus ihrer Rolle einen dreidimensionalen Charakter. Mati ist leidenschaftlich und impulsiv, aber wesentlich reifer und weniger entrückt als Jake. Yelchin und Lucas verkörpern zwei Figuren, die sich an einem Abend, in einer Nacht gegenseitig ins Herz schauen – und denen sehr gut gefällt, was sie dort jeweils entdecken; gleichwohl knüpfen die beiden völlig unterschiedliche Erwartungen an diese Erfahrung. Porto ist kein bombastisches Liebesdrama, das von einer Station zur nächsten eilt – vielmehr handelt es sich um einen berührenden und dabei erstaunlich unsentimentalen Film, um ein lebendiges Stück Cineastik und eine würdige Abschiedsvorstellung eines viel zu früh verstorbenen Schauspieltalents.
 

Porto (2016)

Wiewohl die Liebe so ziemlich die verwirrendste, beängstigendste und unberechenbarste Sache der Welt ist, haftet gerade vielen Liebesfilmen etwas ungemein Formelhaftes, Harmloses und Einfallsarm-Vorhersehbares an. Wir wissen, dass SIE und ER, ausnahmsweise auch mal SIE und SIE oder ER und ER, sich kriegen werden (oder nicht, wenn das Ganze ein großes, tränentreibendes Melodram ist) – und selbst der Weg dorthin, zum vollendeten Glück oder zum bitteren Unglück, wird selten irritierend-überraschend geschildert und noch viel seltener kinematografisch ambitioniert umgesetzt.

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Meinungen

sabine sänger · 17.09.2017

Unerträglich dieser Film, habe soeben vorzeitig das Kino verlassen.
Nicht ein einziger wesentlicher Dialog, die Geschichte vollkommen unerheblich, die wunderschöne Stadt nur Kulisse.
Armselig.