Paris, Texas

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die ewige Suche

Es gibt Filme, die erkennt man mit geschlossenen Augen. Ein paar Akkorde auf der Slide Guitar reichen, um sofort das Kino um Kopf zu entfesseln und Bilder von staubigen Straßen und einsamen Menschen zu evozieren. Wer wie ich in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern filmisch groß geworden ist und bislang vom deutschen Film nur Die Supernasen kannte und den Zugang zum dahinsiechenden deutschen Autorenfilm noch nicht gefunden hatte, für den war Paris, Texas eine cineastische Offenbarung: Statt deutscher Enge lockte die amerikanische Weite, und statt teutonischer Bedeutungsschwere gab es hier Einsamkeit, Entfremdung und Melancholie pur, Stimmungen, die für das Heranwachsen mindestens ebenso wichtig waren wie die Lektüre von Hermann Hesses Steppenwolf.
Vier Jahre nach seinem Verschwinden taucht Travis (Harry Dean Stanton) in einem einsamen Nest wieder auf, heruntergekommen, verwahrlost und halb verdurstet bricht er in der Bar des kleinen Ortes zusammen. Da Travis kaum etwas spricht, gelingt es nur dank einer Visitenkarte, Walt (Dean Stockwell), den Bruder des rätselhaften Mannes ausfindig zu machen, der herbeieilt, um den lange Vermissten abzuholen. Zurück in Los Angeles sieht Travis um ersten Mal seit langer Zeit seinen kleinen Sohn Hunter (Hunter Carson) wieder, und es ist diese Begegnung, die dem schweigsamen Mann den Mund öffnet. Nach und nach beginnt er zu reden, und auf diese Weise enthüllt sich seine Geschichte. Gemeinsam machen sich Vater und Sohn auf die Suche nach Jane (Nastassja Kinski), Travis Ex-Frau und Hunters Mutter, die irgendwo in Texas leben muss…

Unter vielen großartigen Filmen von Wim Wenders ist Paris, Texas mit Sicherheit sein bekanntester. Und es gibt nicht wenige Filmkenner und respektable Experten, die behaupten, dieser Film sei gewissermaßen die Quintessenz des Filmschaffens von Wenders und enthalte alles, was das Wirken dieses Regisseurs ausmache. Auch wenn diese Aussage mit Sicherheit ein wenig verkürzt ist, birgt sie doch viel Wahres in sich – zumindest die Erkenntnis, dass dieser in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete Film ein über alle Zeiten erhabenes Kunstwerk ist, das auch noch in hundert Jahren Gültigkeit haben wird. Eine Metapher auf die ewige Suche, das niemals endende Wandern und die Lieben, die mancher einst auf seinem Weg durch das Leben verloren hat.

Paris, Texas

Es gibt Filme, die erkennt man mit geschlossenen Augen. Ein paar Akkorde auf der Slide Guitar reichen, um sofort das Kino um Kopf zu entfesseln und Bilder von staubigen Straßen und einsamen Menschen zu evozieren.
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Meinungen

Jürgen Schmidt · 20.02.2022

Wir schließen uns den positiven Kommentaren über die amarikanische Weite und Poesie an . Negativ die Beziehung Vater Sohn - da Daddy kommt viel zu schnell und die Liebe zu Hunters Mutter ebenfalls . Schade ! Amities Jürgen Schmidt