Parcours d'amour

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

In den Tanzsalons von Paris

Bettina Blümner, bekannt vor allem durch ihr Dokumentarfilm-Debüt Prinzessinnenbad von 2007, begibt sich in die Tanzsalon-Szene von Paris. Und man stellt fest, dass die Wünsche und Sehnsüchte, auch die Verhaltensweisen, zwischen 15-jährigen Mädchen im Berliner Prinzenbad und den alten Damen und Herren, die sich regelmäßig zum Tanztee treffen, gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
Da sind die Herren, weißhaarig und etwas gebrechlich, die die Frauen beim Tanzen am liebsten eng an sich drücken, ein bisschen Betatschen, ein bisschen Knutschen – sehr viel mehr ist nicht drin, vier blaue Pillen für weitergehende Aktivitäten kosten 45 Euro. Die Damen wiederum wünschen sich gepflegte Zweisamkeit, eine kleine Flucht aus dem Alltag des Alleinseins; und wenn sie sich auf jemanden einlassen würden, dann wäre das nicht nur für einen One-Night-Stand…

Blümner hat in den Tanztees von Paris die Protagonisten gefunden, die sie brauchte; die offen über ihre Sehnsüchte und Begierden zu reden bereit waren, die die Fotoalben aufschlagen, in dem sich ihre Vergangenheit, ihre Beziehungsgeschichte zum anderen Geschlecht, offenbart. Die Herren vor allem, sie prahlen mit den Frauen, die sie hatten, mit den Geliebten, die sie sich jahrelang leisteten, mit der Ungebundenheit, die sie angeblich anstrebten im Umgang mit Beziehungen und Sex. Die Frauen zeigen ihre Familiengeschichten dezenter, sind aber ebenfalls rigoros, wenn es darum geht, den falschen Mann zu verlassen.

Interessant – aber statistisch nicht repräsentativ – ist die Tatsache, dass viele der Protagonisten aus einem eher zerrütteten Elternhaus kommen, dass ihre Kindheiten alles andere als leicht waren: mit zerstrittenen Eltern, mit abgehauenen Vätern, mit intriganten Müttern, die sich ins Glück der Kinder einmischten mit fatalen Folgen… Das konstatiert der Film, interessiert sich aber weit mehr für die Verhaltensweisen der Alten auf der Suche nach Zweisamkeit; Verhaltensweisen, die vielleicht auch jeweils geschlechtstypisch sind, selbst wenn man die Prahlereien auf der einen und mögliches verschämtes Verschweigen auf der anderen Seite herauskürzt. In gewisser Weise prallen Mars und Venus aufeinander, umso heftiger deshalb, weil in der nicht mehr allzu langen Lebenserwartung der Senioren Eile geboten ist.

Dies arbeitet Blümner klar und klug heraus, durchaus auch witzig in der Konfrontation verschiedener Lebensansichten. Und sie bringt zudem das Porträt eines Taxiboys unter, eines gediegenen, eleganten Herrn, der sich für seinen nachmittäglichen Tanzservice als gemieteter Gesellschafter gut bezahlen lässt: Betuchte Damen buchen ihn, um die Einsamkeit beim bezahlten Tanz zu vergessen und zugleich nicht in die Falle von Flirt und Anmache zu geraten… (Und, nebenbei: Dies ist wohl ungefähr das, womit Billie Wilder in seiner Berliner Zeit in den 1920er Jahren sich ein Zubrot verdient hat, als Eintänzer in den Nachtsalons – hier wird also ganz beiläufig auch noch Filmgeschichte lebendig).

Das Glück, es ist flüchtig; und vielleicht kann man es nicht mehr erreichen im Alter, wenn die Zeit davonläuft. Aber auch schon die Jagd nach dem Glück der Liebe – des Sex wie der Gemeinschaftlichkeit – ist es wert, es wieder und wieder zu versuchen, in den Tanztee-Salons von Paris.

Parcours d'amour

Bettina Blümner, bekannt vor allem durch ihr Dokumentarfilm-Debüt „Prinzessinnenbad“ von 2007, begibt sich in die Tanzsalon-Szene von Paris. Und man stellt fest, dass die Wünsche und Sehnsüchte, auch die Verhaltensweisen, zwischen 15-jährigen Mädchen im Berliner Prinzenbad und den alten Damen und Herren, die sich regelmäßig zum Tanztee treffen, gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
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