Palermo Shooting

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Faust mal anders

Eigentlich ist dieser Film eine Liebeserklärung von Wim Wenders an Campino, dem Sänger der Toten Hosen. Befreundet sind die beiden Männer schon lange, und nun hat der Regisseur dem Punkrocker ein Denkmal gesetzt, das jenseits von dessen musikalischem Schaffen ist.
Natürlich war es nicht das Anliegen Wenders‘, einen Musiker zu filmen, sondern er hat sich mit Finn, so der Protagonist alias Campino, ein Alter Ego geschaffen, das nach einem traumatischen Fast-Tod-Erlebnis den Sinn des Lebens neu überdenkt.

Finn, angesehener Starfotograf, hat einen strengen Terminkalender. Zwischen Fotoshootings, Lehraufträgen und Dauerstress eingebunden, hat er mit Langsamkeit und Freizeit nicht viel zu tun. Er pendelt zwischen seiner Kamera und seiner Designer-Wohnung hin und her und kann dem gewöhnlichen Leben kaum etwas abgewinnen. Lediglich die Musik, die er immerzu über Kopfhörer in sich einsaugt, ist sein Entspannungsmoment. Dies ist filmisch und akustisch auch wunderbar umgesetzt, denn jedes Mal, wenn Finn die Ohrstöpsel rein- oder raussteckt, ist das typische Geräusch zu hören, was entsteht, wenn die kleinen Lautsprecher in die Ohrmuschel gesteckt werden bzw. hinausgezogen werden. Pfffft klingt das Ganze dann, und der Zuschauer wird direkt in das Hörorgan von Finn hineinkatapultiert. Ein Motiv, das sich im Laufe des Films ständig wiederholt. Dadurch kann sich der Fotograf in seine eigene Welt hineinbeamen, die wenig mit der Außenwelt zu tun hat und sich seinen Visionen von der ultimativen Fotografie hingeben. Ständig ist die Kamera schussbereit, auch wenn er in seinem Cabriolet sitzt. Bis zu dem verhängnisvollen Abend, wo Finn von A nach B fährt, eine Panoramaaufnahme machen will und dabei latent von der Fahrbahn abkommt. Sein Glück, denn wenn er geradeaus gefahren wäre, hätte ihn der Geisterfahrer frontal getroffen. Der Schock sitzt tief und der Workaholic schafft es gerade noch sein Auto am Fahrbahnrand zu parken. Von diesem Moment an schlägt die Uhr anders für ihn. Sein ganzes Leben verlangsamt sich und führt ihn letztendlich zu einem Umdenken.

Das nächste Shooting in Palermo nutzt er, um endlich mal abzuschalten. Zur Ruhe kommen, Besinnung erfahren und Menschen kennenlernen. Aber nicht nur Menschen, sondern auch Geister und den Tod. Hier zieht Wim Wenders wieder alle Register der phantastischen Filmerei, denn Finn findet sich bald darauf in einem Wettlauf mit dem Tod namens Frank wieder. Dieser hat es scheinbar persönlich auf ihn abgesehen – dargestellt von Dennis Hopper – und verübelt es ihm, dass die Geisterfahreraktion nicht zum gewünschten Tod geführt hat, beziehungsweise fühlt er sich als Tod missverstanden. Schicksal und Zufall spielten in diesem Moment eine Rolle, und der Film macht gleichsam das Denkmodell auf, dass für jeden von uns diese beiden Faktoren das Leben bestimmen. Aber nicht nur das Leben, sondern auch die Fotografie, denn wie bereits Walter Benjamin bemerkte, ist die Fotografie ein unvorhersehbares Produkt, dessen Ergebnis nicht steuerbar ist. Dies steht konträr zu den Vorstellungen Fins, der seine Arbeiten sämtlich digital bearbeitet und darin nur die äußere Abbildung eines Objektes sieht. Im Gegensatz zu seiner neuen Bekanntschaft, der Restauratorin Flavia (Giovanna Mezzogiorno), die in jahrelanger Arbeit versucht ein Gemälde detailgerecht zu rekonstruieren. Sie ist das absolute Gegenteil von Fin. Dennoch treffen die beiden Menschen aufeinander und es entsteht so etwas wie eine Liebesgeschichte.

Leider wird der Dauerstress, in dem Finn sich befindet, filmisch kaum umgesetzt. Lediglich bei dem ersten Shooting, das der Fotograf mit Milla Jovovich hat, werden zumindest teilweise die Energie und der Druck deutlich, in denen sich Finn befindet. Hektische Aktivitäten, geschriene Anweisungen und genervte Kommentare zu Assistenten verdeutlichen, in welch eigener und hektischer Welt der Starfotograf lebt. Dies hätte deutlicher umgesetzt werden müssen, sowohl vom Drehbuch als auch vom Hauptdarsteller. Finn ist bei allem viel zu ruhig, als dass sich die eigentliche Aussage des Filmes – Business-Mann im Dauerstress – hätte durchsetzen können. Von Anfang an ist die Figur des Finn zu seicht angelegt, die Konflikte, die er mit seiner Umwelt austrägt, sind zu harmonisch und auch die Abwicklung seiner Ex-Geliebten gerät zur Farce. Besser steht dem Laien-Schauspieler die Rolle des geläuterten und nachdenklichen Menschen, der sich nach der Nahtoderfahrung einem anderen, nämlich langsameren Lebens zuwendet.

Der Film lebt dennoch von den üblichen Wender’schen Attributen: Wechselspiel zwischen Traum und Realität, eine skurrile Geschichte und der Zuspitzung auf den Protagonisten. Leider kann Campino den Ansprüchen nicht gerecht werden und gerade in Szenen mit Dennis Hopper werden seine schauspielerischen Defizite mehr als deutlich. Das ist mehr als bedauerlich, denn der Punkrocker ist selbstverständlich kameratauglich, aber wohl doch eher für Musikjournalisten. Wenn ein Film explizit an einer Figur aufgehängt wird, dann erwartet der Zuschauer auch einen explizit guten Darsteller. Dies ist leider nicht der Fall. Schade für den Film!

Palermo Shooting

Eigentlich ist dieser Film eine Liebeserklärung von Wim Wenders an Campino, dem Sänger der Toten Hosen. Befreundet sind die beiden Männer schon lange, und nun hat der Regisseur dem Punkrocker ein Denkmal gesetzt, das jenseits von dessen musikalischem Schaffen ist.
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Meinungen

Gerhard Dobberke · 07.06.2009

Jeder Film ist Geschmackssache, klar. Aber die meisten, deren negative Kritik sich hier sehr kunstvoll und wissend liest, haben den Film scheinbar gar nicht gesehen. Oder nicht verstanden?
Ich finde ihn einfach nur Klasse - die Story, die optische Darstellung, die Musik.
Den Soundtrack habe ich bereits, die DVD wird bald folgen.

Rudolf Hofer · 15.01.2009

Gaebe es keine "Filmfoerderung" wuerde Herr Wenders wahrscheinlich verhungern.Denn ins Kino lockt er mit seinen Streifen ja niemand. Aber wer gerne ein Taesschen gruenen Tee - selbstverstaendlich aus oekologischen Anbau trinkt- und viel schwafelt ohne was zu sagen,der mag diesen Bloedsinn vielleicht.

nea1107 · 09.12.2008

Wenders wird der Film nicht schaden, aber vielleicht Campino. Meiner Meinung nach wäre eine andere Rolle für ihn besser gewesen... Allerding muss ich schreiben, dass die Lichttechnik in diesem Film, sowie die Bildtechnik wieder einmal gezeigt hat, was einen mehr als guten Film - technisch gesehen - ausmacht. Gratulation dafür! 5 Sterne +!!!

G. · 03.12.2008

Tolle Bildsprache und auch darueberhinaus werden saemtliche filmischen Mittel auf beeindruckende Weise eingesetzt! Wenn Campino bloss einfach den Mund halten wuerde..

crazyhorse · 30.11.2008

Langweiliges und überflüssiges Kunstgewerbe mit einem überforderten Campino

· 26.11.2008

Ganz großartige Filme hat Wim Wenders gemacht, und da ist auch reichlich Kultiges dabei. Palermo Shooting zählt wohl eher zu den für ihn persönlich wichtigen Filmen, die er einfach noch realisieren will, jenseits aller Erwartungen, und das ist absolut legitim. Aus der Zuschauerperspektive ist das wenig erfreulich, doch nach so viel Sentimentalität ist sicher auch wieder etwas allgemein Spannendes zu erwarten.

Bruno Winter · 26.11.2008

Was für ein peinliches Altherren-Werk. Wim Wenders beweist erneut, dass er der überschätzteste deutsche Regisseur ist. Tatsächlich bezeichen ihn noch immer einige Ahnungslose als Kult-Regisseur...

strangeguest · 25.11.2008

campino bringt es nicht!