Nordwand

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Großes massenkompatibles Kino, das vom Aufwand und den Production Values her den Vergleich mit Hollywood nicht zu scheuen braucht, ist selten genug in Deutschland und beinahe ausschließlich an Bernd Eichingers Constantin gebunden. Philipp Stölzls neuer Film Nordwand über die spektakuläre Erstbesteigung der Eiger-Nordwand im Jahre 1936 bemüht sich nun, in die Fußstapfen des vielleicht einzigen deutschen Tycoons zu treten. Ein riskantes Spiel, das dann auch nur teilweise gelingt.
Berlin 1936: Im Vorfeld der Olympischen Spiele braucht Joseph Goebbels’ Propagandamaschinerie echte deutsche Helden. Bei einer Diskussion zwischen Journalisten und Vertretern der Reichspressekammer kommt die Idee auf, Bergsteiger arischer Herkunft zu der gewagten Erstbesteigung der Eiger-Nordwand zu gewinnen und diese mit Olympischem Gold zu küren, sofern die Bezwingung der „Mordwand“ im Berner Oberland gelingen sollte. Welch glücklicher Zufall, dass eine junge Volontärin bei der Berliner Zeitung namens Luise (Johanna Wokalek) zwei stramme bayrische Bergsteiger kennt, denen die Erstbesteigung durchaus zuzutrauen wäre — Toni Kurz (Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas). Das eingespielte Kraxler-Team wagt nach einigem Zögern die Herausforderung und sieht sich nicht nur vom Berg, sondern auch von den beiden österreichischen Alpinisten und strammen Nazis Willy Angerer (Simon Schwarz) und Edi Rainer (Georg Friedrich) herausgefordert. Zunächst scheint die Erstbesteigung in greifbare Nähe zu rücken, doch dann schlägt das Wetter um und der Berg scheint sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen seine Bezwingung zu wehren. Verfolgt von der mitgereisten Prominenz, die das Spektakel aus der sicheren Entfernung eines mondänen Berghotels per Fernrohr mitverfolgt und kommentiert, beginnt ein mörderischer Kampf ums Überleben, der auch die anwesende Luise nicht kalt lässt. Als sie sieht, dass ihrer Jugendliebe Toni der sichere Tod droht, macht sich die Journalistin auf den Weg, um ihn zu retten…

Gebannt folgt man den sehr eindrucksvoll in Szene gesetzten Kletterszenen, bei den man die Kälte, die Erschöpfung und die ganze Dramatik der lebensgefährlichen Klettertour quasi hautnah und am eigenen Leib miterleben kann. Kolja Brandts raue, oftmals dokumentarische anmutende Handkamera-Bilder, die den dramatischen Kampf der Bergsteiger ums auf Schritt und (Fehl)Tritt begleiten, sorgt für eine große Unmittelbarkeit, die immer wieder deutliche Kontraste zu dem dekadenten Ambiente der sensationslüsternen Zuschauer , der Parteifunktionäre und der versammelten Presse (besonders Ulrich Tukur in seiner Rolle als serviler Reporter Henry Arau sticht hier deutlich aus der Masse heraus) zeichnet. Hier hat der Film unzweifelhaft seine stärksten Szenen, seine packenden Momente, denen man sich nicht entziehen kann.

Weniger gelungen hingegen ist der zeitgeschichtliche Rahmen, in den Stölzl seine „wahre Geschichte“ gepackt hat. Stölzls Kniff, die Geschichte rückblickend mit den Augen Luises (einer gänzlich erfundenen Figur) zu erzählen und dabei den Fokus auf die Liebesgeschichte zwischen ihr und Toni Kurz zu legen, erinnert mehr als deutlich an James Camerons Schiffsuntergangsschmonzette Titanic und gibt damit dem Film eine penetrante Süßlichkeit, die reichlich aufgesetzt wirkt. Auch mit ihren beiden Protagonisten verfährt die Geschichte grob vereinfachend. Da werden Kurz und Hinterstoisser kurzerhand zu Rebellen gegen die Nazis stilisiert, wenn sie den Hitlergruß verweigern, während die österreichischen Kameraden zu Musternazis mutieren. Selbst angesichts der Prämisse, dass jeder Bergfilm seine integren Helden braucht, wirkt das sehr vereinfachend und erklärt nicht, warum sich die beiden bayrischen Bergsteiger als Opfer in einer gigantischen Propagandaschlacht benutzen ließen.

Zwei Jahre nach dem dramatischen Erstbesteigungsversuch von Kurz und Hinterstoisser gelang das waghalsige Unternehmen schließlich einem anderen Alpinisten, der später in einem echten Hollywood-Film verewigt werden sollte. Sein Name: Heinrich Harrer. der von Brad Pitt in Jean-Jaques Annauds Sieben Jahre in Tibet / Seven Years in Tibet (USA 1997) verkörpert wurde. Woran man mal wieder sehen kann, dass der Gewinner einfach die besseren Karten hat, wenn es um die Wahl der Besetzung geht.

Die gerade erschienene DVD, die auch als Blu-ray mit etwas anderer Ausstattung zu bekommen ist, beinhaltet neben dem Film noch 60 Minuten Bonusmaterial wie entfallene Szenen, zwei Featurettes über die Visual Effects sowie über das Filmteam und Audiokommentare von Benno Fürmann, Florian Lukas, Philipp Stölzl und des Produzenten Boris Schönfelder.

Nordwand

Großes massenkompatibles Kino, das vom Aufwand und den Production Values her den Vergleich mit Hollywood nicht zu scheuen braucht, ist selten genug in Deutschland und beinahe ausschließlich an Bernd Eichingers Constantin gebunden.
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Meinungen

@Schober · 11.02.2011

Aha ... Grüsse, Mike

Schober · 11.02.2011

Nach dem zweiten Satz habe ich aufgehört zu lesen. Vor dem Schreiben bitte Wahrheitsgehalt dessen, was man zu Papier (oder zu Festplatte) bringt, prüfen!

Duke Nukem · 09.04.2009

Ich finde das war ganz goßes deutsches Kino, von mir bekommt der Film 6 Sterne. Erfundene Figuren hin oder her, der geht emotional unter die Haut und ist sehr unterhaltsam.

H.J.Straub · 04.02.2009

Üble Schmonzette, die zu 75% im Dunkeln spielt !!

Monika · 14.11.2008

Die Beschreibung hier trifft es schon sehr genau. Da kann ich nur noch hinzufügen, dass mich "Nordwand" sehr bewegt hat - noch Tage danach.