Mittagssonne (2015)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Verbotene Liebe zu allen Zeiten des Krieges

Er ist Kroate, sie ist Serbin. Und sie lieben sich – und trotzen damit dem Bürgerkrieg und dem, was ihre Familien, ihre Nachbarn und Freunde sagen. In unterschiedlichen Zeiten, verschiedenen Jahrzehnten. Dalibor Matanićs Mittagssonne erzählt drei Liebesgeschichten in drei verschiedenen Momenten der serbisch-kroatischen Geschichte. Oder ist es eine Liebesgeschichte, die mit ihren Möglichkeiten spielt? Auf jeden Fall ist es ein wunderbarer Film.
Die erste Geschichte spielt im Jahr 1991 und erzählt von Jelena (Tihana Lazović) und Ivan (Goran Marković), die sich heimlich treffen müssen. Der Krieg ist gerade ausgebrochen, doch sie lieben sich und wollen sich von den politischen Umständen nichts vorschreiben lassen, wissen aber auch noch nicht, was der Krieg mit dem jugoslawischen Volk anrichten wird. Sie wollen weggehen, gemeinsam in die große Stadt und dort ein neues, gemeinsames Leben beginnen. Doch dann ist der politische Konflikt größer und mächtiger.

Die zweite Episode ist zehn Jahre später angesiedelt: Der Krieg ist vorbei, doch die Wunden sind noch frisch und sitzen tief. Nataša (ebenfalls dargestellt von Tihana Lazović) und ihre Mutter kommen zurück aufs Land, in ihr altes, nun zerbombtes Wohnhaus. Der Handwerker Ante (wieder Goran Marković) hilft ihnen, aus den Trümmern ein neues Zuhause zu zimmern. Die beiden jungen Leute ziehen sich wie magisch an, nicht nur deshalb, weil sie wenige Alternativen haben. Während Ante pragmatisch mit der neuen Wirklichkeit umgeht, kommt Nataša nicht über die Trauer um ihren im Krieg getöteten Bruder und Vater hinweg.

2011: Fast zwanzig Jahre ist der Krieg nun her, und immer noch spielt er in den Köpfen der Menschen eine Rolle. Marija (Tihana Lazović) und Luka (Goran Marković) waren zusammen, sie wurde schwanger, aber seine Familie hat die Beziehung von Luka mit einer Serbin nicht geduldet und ihn zum Studium in die Stadt geschickt. Nur selten kommt er in sein Heimatdorf zurück, und dieses Mal sucht er auch Marija auf, die verbittert ist: Für sie ist es vorbei, aus. Doch die Tür bleibt offen, eine Annäherung – und damit die Liebe zwischen den beiden Völkern – scheint möglich, aber langsam.

In seinen drei elliptisch erzählten Geschichten macht Matanić deutlich, wie schwer es die verbotene Liebe im ehemaligen Jugoslawien und wohl überall auf der Welt auch heute noch hat. Dieser Romeo-und-Julia-Anklang, der der Geschichte zugrunde liegt, wird aber nicht wie ein bloßes Motiv der Literaturgeschichte verwendet. Was Mittagssonne schildert, ist der Alltag von so vielen Menschen auf der Welt. Im Kleinen wie im Großen. Dies führt einem der Film in subtil erzählten Episoden und mit Bildern vor Augen, die mal nah dran sind an den Emotionen seiner Figuren und mal auf Distanz zu ihnen gehen, durch Fenster und Türen gefilmt sind.

Gespielt werden die drei Paare jeweils von denselben Schauspielern, die großartige Arbeit in ihren unterschiedlichen Rollen leisten. Auch wenn das den ein oder anderen Zuschauer etwas verwirren mag, zeigt diese Entscheidung einmal mehr, wie eng die Menschen zu unterschiedlichen Zeiten an die eine Geschichte geknüpft sind. Der Film ist durchweg überzeugend komponiert: Hier stimmen das Ausmaß an Filmmusik und die Wahl der Musikstücke, die Kameraarbeit und das Timing. Nicht umsonst wurde Matanić für seinen Film in Cannes 2015 mit dem Jury-Preis in der Sektion Un Certain Regard und vielen weitere Auszeichnungen beehrt.

Mittagssonne (2015)

Er ist Kroate, sie ist Serbin. Und sie lieben sich – und trotzen damit dem Bürgerkrieg und dem, was ihre Familien, ihre Nachbarn und Freunde sagen. In unterschiedlichen Zeiten, verschiedenen Jahrzehnten. Dalibor Matanićs „Mittagssonne“ erzählt drei Liebesgeschichten in drei verschiedenen Momenten der serbisch-kroatischen Geschichte. Oder ist es eine Liebesgeschichte, die mit ihren Möglichkeiten spielt? Auf jeden Fall ist es ein wunderbarer Film.
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