Meier Müller Schmidt

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Die Falle der ernsten Ironie

Der deutsche Film konnte in den vergangenen Jahren zunehmend unter Beweis stellen, wie gut es ihm eigentlich geht. Nicht so gut, dass die Jahrzehnte der Sorge um das deutsche Kino Geschichte wären, aber doch gut genug, um einige großartige kleine Filme hervorzubringen und immerhin einen aktiv geführten Diskurs zu inspirieren (aktuell etwa in einer Reihe von Urs Spörri und Harald Mühlbeyer). Nun bringt Regisseur Sebastian Peterson mit Meier Müller Schmidt einen Film über eine Berliner WG in die Kinos, über das suchende Streifen durch die Großstadt, über die kleinen Alltäglichkeiten des gemeinsamen Zusammenlebens. Also eigentlich genau das, was der deutsche Autorenfilm im Zweifel immer konnte – oder?
Der Reihe nach stellen sich Julian (Ferenc Graefe), Kasimir (Jules Armana) und Max (Nicolás Artajo), die titelgebenden Mitbewohner Meier, Müller und Schmidt, in ihrer WG in Kreuzberg vor. Julian ist als aufstrebender Drehbuch-Autor verzweifelt auf der Suche nach einem Job, gerät dabei in skurrile Verwicklungen und verliebt sich auch noch in die angehende Schauspielerin Eva (Julia Philippi), was die Sache nicht gerade vereinfacht. Kasimir stellt fest, dass er homosexuell ist und sich bei seiner ersten Nacht mit einem Mann womöglich mit HIV infiziert hat. Und der bereits beruflich erfolgreiche Marketing-Berater Max stemmt nicht nur seine jüngste Kampagne für einen Kunden, sondern engagiert sich auch regelmäßig auf Demonstrationen und Kundgebungen – denn tief im Herzen ist er Kommunist.

Eine Art überzeichneter Querschnitt mitten aus Kreuzberg, möchte man meinen. Meier Müller Schmidt zeigt das romantisierte Bild des WG-Lebens, wie all jene es sich vielleicht vorstellen, die den Traum des freien, ungezwungenen In-den-Tag-Gammelns nie leben konnten oder ihm aus ihrer eigenen Studienzeit hinterhertrauern. Der Film präsentiert sich dabei als eine Mischung aus Nachmittags-Reality-Soap und YouTube-Clip. Zahlreiche Jump Cuts auf die Protagonisten, die sich direkt an die Kamera wenden, um ihre gegenwärtige Situation in der WG zu kommentieren, werden mit ästhetischen Verbrechen wie Denkblasen-Einblendungen und wackelnd-wild-zoomender Kamera verknüpft. Durch diese formale Distanzierung, den nachträglichen und äußeren Kommentar, erhebt die Erzählung sich über ihre eigene Konstruiertheit: Die Karikatur des WG-Lebens durch die formale Karikatur verdoppelt zur Karikatur der Karikatur.

Das Problem ist: So sehr in diesem Modus des postironischen Ernstes, der doppelten Brechung, vermutlich eine adäquate Form für das WG-Leben in Kreuzberg gefunden ist, so sehr läuft der Film darüber Gefahr, sich in seiner Distanz zu verlieren. Als Karikatur, als Vorführen einer gewissen Absurdität der Figuren, die eben nicht allzu weit ab der Realität gezeichnet sind, macht der Film den großen Fehler, diese Karikaturen selbst nicht ernst nehmen zu wollen. Das wissende Schmunzeln der eigenen Erfahrung über die Figuren und ihre alltäglichen Probleme – vom Mangel an Toilettenpapier zur explodierenden Kaffeemaschine – wird durchstoßen von Erzählbögen aus den Untiefen eines generischen Soap-Drehbuchs. Die wenigen Momente, in denen Meier Müller Schmidt tatsächlich berühren kann, in denen die Figuren für einen Augenblick glaubhaft und nahbar sind, bleiben die seltene Punkte, an denen der Film nicht versucht, sich von seinen eigenen Figuren zu distanzieren.

Diese doppelte Karikatur gelangt zum alten Übergang: Der Film lacht nicht mit seinen Figuren, sondern viel zu häufig über sie. Was ein berührender und einfühlsamer Film mit viel Humor hätte sein können, wird dadurch letztlich zu einem albernen Film, der sich nicht traut, seine Überzeichnung und seine Brüche als solche ernst zu nehmen. Er geht stattdessen in einen unfreiwillig biederen Ernst über, der im Nebel jenseits der doppelten ironischen Brechungen wartet. Eigentlich scheinen die Figuren auf sympathische Art hilflos zu sein – der Film stellt sie jedoch als Soap-Protagonisten aus und verweigert jede Position, entzieht sich seiner eigenen Perspektive. Was bleibt: Der angestaubte Blick auf die Jugend, zu der keine Beziehung mehr aufgebaut werden kann, die seltsam fern und damit unangenehm lachhaft erscheint. Das, was der deutsche Autorenfilm im Zweifel immer konnte, scheitert in Meier Müller Schmidt bedauernswert.

Meier Müller Schmidt

Der deutsche Film konnte in den vergangenen Jahren zunehmend unter Beweis stellen, wie gut es ihm eigentlich geht. Nicht so gut, dass die Jahrzehnte der Sorge um das deutsche Kino Geschichte wären, aber doch gut genug, um einige großartige kleine Filme hervorzubringen und immerhin einen aktiv geführten Diskurs zu inspirieren. Nun bringt Regisseur Sebastian Peterson mit „Meier Müller Schmidt“ einen Film über eine Berliner WG in die Kinos, über das suchende Streifen durch die Großstadt, über die kleinen Alltäglichkeiten des gemeinsamen Zusammenlebens.
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