Lulu & Jimi

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wild im Herzen

Ausgerechnet Schweinfurt! Mitten in der Provinz und in den Fünfzigern hat Oskar Roehler (Die Unberührbare, Elementarteilchen) seinen neuesten Film Lulu & Jimi installiert und zeigt abermals, dass er sich und seine Art des Filmemachens als größtmöglichen Gegenpol zu der Kargheit und Ernsthaftigkeit der „Berliner Schule“ versteht. Ob die wilde und krude Mixtur aus Märchen, Musical im Stile von Grease, Liebesgeschichte und ätzender Satire im deutschen Kino auf Gegenliebe stoßen wird, muss man allerdings bezweifeln.
Lulu (dargestellt von der jungen Französin Jennifer Decker) ist die Tochter einer bankrotten Fabrikantenfamilie, die eigentlich dem schleimigen Industriellen-Söhnchen Ernst (Bastian Pastewka) versprochen ist. Man ahnt bereits, dass dies mit Sicherheit keine Verbindung aus Liebe, sondern aus reinem Kalkül ist. Doch dann verliebt sich Lulu in den umschwärmten und charmanten, aber völlig mittellosen Schausteller-Gehilfen Jimi (Ray Fearon). Klar, dass das Lulus bitterböser Mutter (Katrin Sass), ihrem sinistren Chauffeur (Udo Kier) und dem Psychiater von Oppeln (Hans-Michael Rehberg) nicht passt, die alles daran setzen, das junge Glück zu zerstören. Und so befinden sich Lulu und Jimi auf der Flucht vor den Häschern, zu denen sich auch ein waschechter Psychopath mit dem bezeichnenden Namen Harry Hass (Ulrich Thomsen) gesellt. Haben die beiden Verliebten eine Chance zu entkommen?

Oskar Roehlers Film ist ein knallbuntes Rock’n’Roll-Märchen, eine wilde Collage aus Bonbonfarben, Lovestory, Farce, Fifties-Huldigung, aus Shakespeare, Groschenromanen und einen Prise David Lynch, dem der Regisseur bereits im Vorspann ausdrücklich dankt. Kein Wunder, denn Lulu & Jimi ist eine Trash-Version von Wild at Heart, inklusive böser Mutter, Romantik-Kitsch und dem rebellischen Geist der späten Fünfziger. Da jagt ein Klischee das andere und wird ähnlich wie bei dem „King of Trash“ Jon Waters derart lustvoll zelebriert, dass Logik und guter Geschmack gerne mal für 94 Minuten auf der Strecke bleiben können. Und Filmfans werden in dieser grellen Farce auch abseits der offensichtlichen Lynch-Anleihen die eine oder andere liebevolle Reminiszenz an die Filmgeschichte entdecken

Ob so viel Lust an der Opulenz und der Übertreibung im deutschen Kino allerdings Erfolg haben wird, ist in mageren Zeiten wie diesen dann doch eher fraglich. Im Einerlei der geschichtsversessenen oder bedeutungsschweren Kinokost ist Lulu & Jimi immerhin ein bunter Farbtupfer, der für ein wenig Abwechslung sorgt. Was ja immerhin schon mal ein Anfang ist. Nach dem für viele Zuschauer zu weichgespülten Elemtarteilchen ist Roehler mit diesem Film auf alle Fälle wieder zu seinen Wurzeln und seinem exzentrischen Stil des Filmemachens zurückgekehrt, der ihn in Deutschland zu einer echten Ausnahmeerscheinung werden lässt. Wer kultverdächtiges Kino abseits der 08/15-Geschichten mag, könnte an der Fifties-Version von Romeo und Julia durchaus Geschmack finden.

Lulu & Jimi

Ausgerechnet Schweinfurt! Mitten in der Provinz und in den Fünfzigern hat Oskar Roehler (Die Unberührbare, Elementarteilchen) seinen neuesten Film Lulu & Jimi installiert und zeigt abermals, dass er sich und seine Art des Filmemachens als größtmöglichen Gegenpol zu der Kargheit und Ernsthaftigkeit der „Berliner Schule“ versteht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen