Love & Friendship (2016)

Die garstigste Jane-Austen-Heldin aller Zeiten!

Whit Stillman hat einen Roman von Jane Austen adaptiert. Einfach alles an diesem Satz klingt so ungemein (folge-)richtig, dass man sich wirklich sehr wundern muss, ihn erst jetzt schreiben zu können. Denn der 1952 geborene Macher dialogstarker, moderner Sittenkomödien wie Metropolitan (1990) oder The Last Days of Disco (1998) kann in seiner sprachlichen Virtuosität, seinem klugen Witz sowie seiner Fähigkeit, einnehmende Frauenfiguren zu erschaffen, ohne Zweifel als Seelenverwandter der bedeutenden britischen Schriftstellerin bezeichnet werden.

Für seine neuste Schöpfung Love & Friendship hat er keins der weithin bekannten Austen-Bücher als Vorlage ausersehen – sondern das Frühwerk Lady Susan, welches von der Autorin um das Jahr 1794 verfasst, jedoch erst posthum 1871 veröffentlicht wurde. Die titelgebende Protagonistin, die in Stillmans Bearbeitung von Kate Beckinsale verkörpert wird, ist keine typische Austen-Heldin: Susan ist manipulativ und egozentrisch, eine wenig liebevolle Mutter und – das ist in diesem Kosmos womöglich der größte Skandal – sie flirtet mit Männern, die mal vergeben, mal deutlich jünger sind als sie selbst. Als ihr Gatte verstirbt, kommt Susan bei ihrem Schwager Charles (Justin Edwards) und dessen Frau Catherine (Emma Greenwell) unter. Rasch begibt sie sich auf die Suche nach einer neuen guten Partie, auch für ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark). Letztere soll den vermögenden, äußerst unbedarften Sir James (ein veritabler Szenendieb: Tom Bennett) heiraten, indessen Susan sich für Reginald (Xavier Samuel) – den attraktiven Bruder von Catherine – zu interessieren beginnt. Frederica ist allerdings nicht bereit, sich in dieses Schicksal zu fügen.

Bei etlichen Austen-Verfilmungen fällt einem unwillkürlich das Adjektiv „gediegen“ ein. Love & Friendship ist hingegen alles andere als das: Stillmans Werk verfügt zwar über alle Qualitäten eines historischen Films – etwa bezaubernde Kostüme und exquisites Produktionsdesign –, in erster Linie wirkt es aber wie eine frische, sehr elegante Screwball Comedy, die durch ihre ungewöhnliche Hauptfigur noch reizvoller ist als Joe Wrights humorvoll-geistreiche Stolz und Vorurteil-Version. Der Briefroman Lady Susan wird mit vielen Ideen auf die Leinwand übertragen: So werden zum Beispiel neu hinzukommende Personen stets in einer Einstellung mit Einblendung ihres Namens und ihrer „Funktion“ vorgestellt; obendrein operiert Stillman clever mit grafischen Elementen, wenn es in der Geschichte um das geschriebene Wort geht. Die einzelnen Szenen des Films sind zumeist kurz und pointiert und leben nicht zuletzt von den herrlichen Dialogen.

Bei der Darbietung dieser verbalen kleinen Glanzstücke erweist sich insbesondere Kate Beckinsale als Meisterin. Man beginnt, sich zu erinnern, dass die Britin einst – in Stillmans The Last Days of Disco oder Lisa Cholodenkos Laurel Canyon (2002) – sehr beachtliche Leistungen lieferte, ehe ihr Talent in Action- und Fantasy-Gewittern wie der Underworld-Reihe, Van Helsing oder Total Recall unterging und sich nur noch recht selten zeigen durfte. Wenn Beckinsale hier nun als Titelheldin One-liner wie „That’s preposterous!“ oder „Heavens, what a bore!“ hervorbringt oder ihrem Umfeld wiederholt erklärt, dass sie ihre mitreisende Bedienstete auf keinen Fall bezahlen könne, da dies eine schreckliche Beleidigung ihrer gegenseitigen Freundschaft wäre, ist sie wahrlich großartig. Auch die gemeinsamen Passagen mit Chloë Sevigny – Beckinsales Co-Star aus The Last Days of Disco – sind gelungen: Als Alicia, die einzige Vertraute von Susan, ist die US-amerikanische Stilikone ebenfalls weit vom üblichen Austen-Frauentypus entfernt. Das Duo trägt entscheidend dazu bei, dass Love & Friendship zu einer hochgradig unterhaltsamen Gesellschaftssatire wird.

(Festivalkritik Sundance 2016 von Andreas Köhnemann)

Love & Friendship (2016)

Whit Stillman hat einen Roman von Jane Austen adaptiert. Einfach alles an diesem Satz klingt so ungemein (folge-)richtig, dass man sich wirklich sehr wundern muss, ihn erst jetzt schreiben zu können. Denn der 1952 geborene Macher dialogstarker, moderner Sittenkomödien wie „Metropolitan“ (1990) oder „The Last Days of Disco“ (1998) kann in seiner sprachlichen Virtuosität, seinem klugen Witz sowie seiner Fähigkeit, einnehmende Frauenfiguren zu erschaffen, ohne Zweifel als Seelenverwandter der bedeutenden britischen Schriftstellerin bezeichnet werden.

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