Love & Engineering

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Der Algorithmus der Liebe

Wie „hackt“ man die Firewall einer Frau? Diese Frage beschäftigt prinzipiell jeden Mann, der auf der Suche nach einer Partnerin ist. Die Formulierung der Problemstellung allerdings ist speziell. Zugeschnitten auf IT-Ingenieure, die eher auf mathematische Lösungswege programmiert sind als auf romantische Liebes-Anbahnung. In Tonislav Hristovs Dokumentarfilm Love & Engineering lassen sich vier frauenlose Computerfreaks in Liebesdingen coachen – von einem weiteren Computerfreak. Doch Computeringenieur Atanas Boev hat Expertise: er ist glücklich verheiratet. Er forscht weiter am „Algorithmus der Liebe“; der Formel, mithilfe derer sich das romantische Zueinanderfinden auch ganz wissenschaftlich bewerkstelligen lässt.
Vom Single-Leben und der Suche nach einer Freundin kann Filmemacher Tonislav Hristov selbst ein Lied singen – oder besser: er hat schon einen Film mit dieser Thematik gemacht. In Rules of Single Life (2011) machte er sich, nachdem seine Ehe in die Brüche gegangen war, zusammen mit drei Kumpels auf die Suche nach einer neuen Freundin. Ein kurzweiliger Roadtrip von vier Bulgaren um die 30 durch ihre Wahlheimat Finnland nahm seinen Lauf und der Film tourte erfolgreich durch einige internationale Filmfestivals. Ein Freund des Regisseurs hatte angeblich etwas Entscheidendes auszusetzen an jenem Dokumentarfilm: Viel zu emotional sei der Film, fand Computeringenieur Atanas, seine Formel stattdessen, an der er wissenschaftlich arbeite, wäre viel hilfreicher, um zum Ziel, sprich: an die Frau zu kommen.

Mit Love & Engineering nähert sich Tonislav Hristov nun also noch einmal „wissenschaftlicher“ (aber nicht etwa weniger unterhaltsam) der Thematik. Er begleitet Atanas Boev und seine vier Computerspezialisten bei ihrer speziellen Problemlösung in Herzensdingen. Die zwei Finnen und zwei Bulgaren zwischen 25 und 31 sind in den Räumen der Universität Helsinki in ihrem Element, wenn es um transactions zwischen frontends zweier server geht. Man muss nur die server durch boy auf der einen Seite und girl auf der anderen ersetzen, schon lässt sich prima über die Kommunikation zwischen den Geschlechtern fachsimplen. Doch reine Theorie ist nur der Anfang, Atanas schickt die Jungs auch hinaus in die freie Wildbahn, wo er sie einen logischen Schritt nach dem anderen durch die Fallstricke der Beziehungsanbahnung lotst.

Der Film schlägt seine unterhaltsamen Funken aus dem Aufeinanderprallen von Logik und Liebe, mathematischer Gleichung und romantischen Gefühlen. Denn geht es im Grunde nicht allen so, wie diesen Nerds? Wer hätte sie nicht gern, die Formel nach der die Liebe funktioniert? Warum nicht beherzt und konsequent dem Mysterium der zwischenmenschlichen Anziehung mithilfe von Chemie, Kommunikationstheorie und prozessualer Logik zu Leibe rücken? Die vier Protagonisten sind mit Köpfchen und Herzblut dabei und besonders bei einem sieht der Prozess vielversprechend aus. Was allerdings auch daran liegen mag, dass Todor weniger wie ein totaler Nerd, sondern eher wie ein halber Hipster daherkommt. Noch dazu mit gewinnendem Lächeln und ohne soziale Berührungsängste. Damit ist Love & Engineering dramaturgisch auf der sicheren Seite, was das Durchspielen der Annäherung über das erste Rendezvous hinaus angeht.

Die interessanten kleinen Geschichten finden eher nebenbei statt, zum Beispiel wenn Markus auf die Idee kommt, sein unsicheres Selbst in einer strahlenden Kapitänsuniform der Frauenwelt zu präsentieren. Die emotionalste Szene spielt sich erstaunlicherweise in einem Gespräch unter den Jungs ab. Wenn nach einer Nacht auf einem Vergnügungsdampfer eifersüchtig bis aggressiv verhandelt wird, wer da wen in wessen Kabine abgeschleppt hat (oder auch nicht), dann wird klar, unter welchem Druck der Einzelne in diesem „Experiment“ namens Liebesleben steht.

Tonislav Hristov hat seine Protagonisten über 2 Jahre hinweg begleitet und liefert mit Love & Engineering einen unterhaltsamen Einblick in die „Wissenschaft der Liebe“, den er aus dem Off pointiert kommentiert und der sich mit elektronischer Musik und beweglicher Handkamera seinem Thema und Großstadtsetting anpasst. Damit kommt der Film stilistisch ganz anders daher als Soul Food Stories (2013), in dem der Regisseur in tableau-artigen Vignetten Leute und Leben in einem bulgarischen Dorf augenzwinkernd porträtierte. Auch in diesem Film waren übrigens Finnen anwesend. Die Finnen, die Bulgaren, die Liebe und das Leben. Zwischen diesen Konstanten hat Tonislav Hristov für sich eine ergiebige Fundgrube für Dokumentarfilm-Stoffe entdeckt.

Love & Engineering

Wie „hackt“ man die Firewall einer Frau? Diese Frage beschäftigt prinzipiell jeden Mann, der auf der Suche nach einer Partnerin ist. Die Formulierung der Problemstellung allerdings ist speziell. Zugeschnitten auf IT-Ingenieure, die eher auf mathematische Lösungswege programmiert sind als auf romantische Liebes-Anbahnung. In Tonislav Hristovs Dokumentarfilm „Love & Engineering“ lassen sich vier frauenlose Computerfreaks in Liebesdingen coachen – von einem weiteren Computerfreak.
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