Lost in Beijing

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Berlinale Wettbewerb

Erst ganz verboten von der chinesischen Zensurbehörde, dann als geschnittene Version zur Aufführung auf der Berlinale erlaubt. Gezeigt wurde im Wettbewerb nun aber doch die ungeschnittene Fassung von Lost in Beijing / Ping Guo. Laut Produzenten blieb nicht mehr genügend Zeit, die 53 gewünschten Änderungen auszuführen und die um 15-Minuten kürzere Version zu untertiteln. Gut so, denn Lost in Beijing ist zwar nicht der umstrittenste und kritischste asiatische Wettbewerbsbeitrag, definitiv aber der schönste. Kein Film der in der Wüste oder Irrenanstalt spielt, sondern einer, der uns in den Strudel der chinesischen Megacity Peking zieht.

Li Yus dritter Spielfilm erzählt die Geschichte der jungen Frau „Ping Guo“ (Fan Bingbing), so lautet auch der Originaltitel des Films, die mit ihrem Ehemann An Kun (Tong Da Wei) vom Land nach Peking gezogen ist. Mit einfachen Jobs halten sie sich über Wasser, er putzt Fenster und sie arbeitet in einem Massagesalon. Nachdem ihr geschäftstüchtiger Boss Lin Dong (Tony Leung Ka Fai) eines Tages über sie herfällt und sie vergewaltigt, wird sie kurz darauf schwanger. Unklar, wer der Vater ist, schließen die Beteiligten – der reiche Boss und seine dauerfrustrierte Frau Wang Mei (Elaine Jin) sowie Ping Guo und ihr Ehemann – schon mal einen Vertrag darüber ab, was mit dem Kind nach der Geburt passiert. Viel Geld ist im Spiel – die einen haben es, die anderen brauchen es.

Dass die Konstellation und Vereinbarung nicht gut geht, ist vorauszusehen, und auch wenn dieses Motiv für eine Geschichte von zweistündiger Spielfilmlänge ziemlich dünn ist, sieht man doch gern dabei zu, wie sich die vier Figuren in typisch chinesischer Manier zueinander verhalten, wie sie dafür beten, das Baby möge ein Junge werden, wie sich die junge Mutter in Gehorsam dem älteren Pärchen unterwirft und wie sie allesamt nach Reichtum streben.

Wang Yus DV Kamera, teil wacklig, teils unscharf und taumelnd, nie ruhend, zieht uns in den Sog Pekings, erklimmt schwindelerregende Höhen, fährt hinauf an gläsernen Skyscrapern, taucht ein in die Neonlichter, zeigt den Glanz und Abschaum der Metropole. Viele Kräne sind zu sehen, Peking als ewige Großbaustelle, der Aufstieg des Drachens, das Wirtschaftswunder, von dem wir immer wieder hören und lesen. Die alten Häuschen, die so genannten Hutons, in den Ping Guo und ihr Mann leben, werden schon bald den ubiquitären Hochhaussiedlungen weichen müssen.

Wenn auch visuell stark, verschenkt Lost in Beijing Potential mit einer Geschichte, die nicht wirklich erzählenswert ist: „Lost“ und unterfordert wirken die Schauspieler in ihren Rollen. Auch wenn Hongkong-Veteran Tony Leung Ka Fai und Fan Bingbing das Beste aus ihren Figuren heraus holen, haben diese wenig Tiefgang und erfüllen sämtliche Klischees, die man nur zu gut aus dem chinesischen Kino kennt. Ein wenig kritischer hätte man sich diesen Film schon gewünscht, aber dann hätte er wohl wirklich nicht gezeigt werden können. So bleibt er ein Film, der vorüber zieht wie so viele andere in dem diesjährigen Wettbewerb.
 

Lost in Beijing

Erst ganz verboten von der chinesischen Zensurbehörde, dann als geschnittene Version zur Aufführung auf der Berlinale erlaubt.

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Meinungen

· 24.07.2008

Lost in Beijing

Ein beeindruckendes Beispiel für den neuen chinesischen Film, der durchaus mit den alten klassischen Filmländern Europas mithalten kann. Angefangen von der Story, - die an Truffaut erinnert, bis hin zu den erfrischend schnellen Schnitten und der dogma-mässigen Kameraführung wie bei Lars von Trier, bekommen wir einen thematischen und optischen Einblick in das China des 21. Jahrhunderts. Und Fernost erscheint uns Europäern gar nicht mehr so weit weg und fremdartig, eher recht vertraut mit seiner menschlichen Problematik und seiner Sicht der Dinge des Lebens.

Besonders das Quartett der vier Hauptdarsteller hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Die Regisseurin Li Ju schafft es darüber hinaus mit immer wiederkehrenden Tempowechseln und Schwenks über Hochhäuser und Grossbaustellen, dass man von der ersten Einstellung bis zum mehrdeutig vielsagenden Schluss in den Bann des Films gerät.