Looping (2016)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Frauen am Ende des Nervenzusammenbruchs

Drei Frauen – drei Lebenswege. Am Ende sogar im Bett vereint – und trotzdem jede auf ihre Weise seltsam durchs eigene Dasein stolpernd. Nein, es sind wirklich keine runden Schicksale, die Leonie Krippendorff in ihrem fiktionalen Langfilmdebüt erzählt. Dass die Babelsberger Filmstudentin – seit 2015 Meisterschülerin von Prof. Andreas Kleinert (Freischwimmer) – diese jedoch in bildmächtige Tableaus umsetzen kann, beweist sie in Looping bereits in der ersten Einstellung. Und sie nimmt sich dafür – besonders erfreulich – sehr viel Zeit. Im Ergebnis ist das sehr präzise gearbeitet, gerade in der Personenführung – und nicht minder gut fotografiert von Jieun Li, die quasi als Ko-Autorin agiert: Solch faszinierende, teilweise auch stark verschwommenen Close-Ups waren länger nicht mehr im jungen deutschen Film zu sehen. Reines Kunsthandwerk? Ja, aber voller Verve und mit Liebe zur extremen Großaufnahme: Das ist mitunter pathetisch, aber handwerklich hervorragend gemacht und trägt sich mit zunehmender Laufzeit wie von selbst in jedem der drei Frauen-Kapitel.

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Doch alles beginnt erst einmal mit Sex, der zweiten, nicht unwichtigen Komponente in diesem erfrischenden Abschlussfilm der jungen Berlinerin. Kein Hochglanzsex versteht sich, schließlich befindet man sich auf der Kirmes. Seit jeher ein Ort für die schnelle Nummer in der langen Geschichte des Kinos. In Krippendorffs Regie sieht das – auch später im Film – immer etwas dreckiger aus, und hört sich auch so an: „Die ficken da drin!“, stellt die junge Laila, der die erste, gleichnamige Episode in Looping gewidmet ist, resigniert fest. Sie will sich auch verzehren, will Lust empfinden – und landet im Anschluss doch nur am nächsten Frustrationsort: in einer wenig verruchten Peepshow.

Dass Krippendorff auch selbst aus der Liebe zur Fotografie heraus zum Filmemachen gekommen ist, registriert der Zuschauer besonders wirkungsmächtig in dieser ersten Episode um die äußerlich lebensfrohe, innerlich jedoch stets hadernde Leila. In Jella Haases Gesicht spiegelt sich dieser Grundkonflikt von Beginn an wider. Bei Rotlicht und hinter Spiegelglas sucht sie nach Liebe und Zärtlichkeit, was – wenig überraschend, aber visuell raffiniert gestaltet – scheitern muss: Hier gibt es Gefühle lediglich gegen Bares. Schon nach wenigen Sekunden muss die nächste Münze eingeworfen werden. Und dann noch für eine Frau? Lüsterne Herren erwartet die hemdsärmelige Stripperin normalweise hinter der Scheibe, aber ein junges Mädchen? No wayOut! – und zwar schleunigst, lautet die unausgesprochene Hausregel in diesem angeranzten Etablissement.

Noch angefressener als zuvor landet die famos aufspielende Jella Haase (Lollipop Monster) im nächsten Kapitel ihrer – im wahrsten Sinne des Wortes – unbefriedigenden Stationenreise in den Händen eines angetrunken LKW-Fahrers (imposant: Markus Hering), der sich rasch als grober Lustmolch herausstellt – und sich brutal an ihr vergeht. Mit Wodka hatte er sie zuvor ins Fahrerhaus gelockt. Was in einem großen Kinomoment der Freiheit begann, wenn Jella Haase den Kopf durch die Fensterscheibe der Fahrerseite steckt, endet für die auch sonst schon Taumelnde im Abgrund: Endstation Psychiatrie.

In der geschlossenen Station lernt sie Frenja (Lana Cooper), die das zweite Kapitel in Looping trägt, kennen – und lieben. Sie ist äußerlich sogar noch verschlossener als Leila und möchte in erster Linie ihr Leben zurück: Ihre flauschige Dielenboden-Existenz mit Mann, Haus, Hof und Kind. Doch dafür ist es jetzt spät: Frenja ist krank. Nachts oder in ihr besonders unangenehmen Momenten (z.B. auf häuslichen Partys) frisst sie alles in sich hinein: Essen wie Schmerzen. Doch sie schweigt darüber – und bläst stattdessen lieber in ihr Saxophon, bis sich die nächste Kotzattacke ankündigt. Jungstar Lana Cooper (Love Steaks) verkörpert diese Rolle so physisch, dass man ihr als Zuschauer permanent helfen möchte. Mehr noch: auf sie zugehen und sie einfach mal in den Arm nehmen möchte. Bis sie zusammen mit dem anderen Nervenbündel Leila wieder in den Sanddünen in der Nähe des Klinikgeländes verschwindet.

Doch Erholung sieht anders aus, was sich noch extremer verdichtet, als die beiden Patientinnen auf die mysteriöse Ann (Marie-Lou Sellem) stoßen. In derselben Einrichtung sitzt sie mehr ein, als dass es ihr offensichtlich gut täte. Lange baut Krippendorf gerade in dieser Figur echte Spannung auf, so dass der dritte und letzte Teil des Films ganz zum Triumph einer oft unterschätzten Aktrice im deutschen Filmschaffen wird: Marie-Lou Sellem. Zuletzt in Caroline Links mäßigem Exit Marrakesch noch wenig berauschend zu erleben, untermauert sie in Looping ihre Fähigkeiten zu großartigem, sehr facettenreichem Spiel – wenn man sie denn einmal besetzt. Wenn sie in die Ferne blickt, im nächsten Moment einfach aufsteht und durch bedrohlich blau-grau schimmernde Nebelwände wandert, setzt Looping endgültig zum Schleudergang an: zum ersten Mal handelt Ann. Sie zündet die Wohnung ihres Vaters an, der Rest ist Schweigen. Alleine für diesen Blick in die Augen Sellems lohnt sich jede Kinokarte.
 

Looping (2016)

Drei Frauen – drei Lebenswege. Am Ende sogar im Bett vereint – und trotzdem jede auf ihre Weise seltsam durchs eigene Dasein stolpernd. Nein, es sind wirklich keine runden Schicksale, die Leonie Krippendorff in ihrem fiktionalen Langfilmdebüt erzählt. Dass die Babelsberger Filmstudentin – seit 2015 Meisterschülerin von Prof. Andreas Kleinert („Freischwimmer“) – diese jedoch in bildmächtige Tableaus umsetzen kann, beweist sie in „Looping“ bereits in der ersten Einstellung.

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Meinungen

Constanze · 28.06.2022

Ein sehr guter Film. Die Beziehung zwischen den drei Frauen wird durch die Darstellerinnen sehr gut umgesetzt. Jede der dreien befindet sich in einer anderen Lebensphase und dennoch entwickelt sich zwischen ihnen eine sehr innige Beziehung.
Sehr schön dargestellt.

U. Gasper · 29.08.2016

Ich frage mich nach dem Lesen der Rezension gerade ernsthaft, ob wr denselben Film gesehen haben.
Die beiden gravierendsten Dinge möchte ich korrigieren: Zum einen wird Leila keineswegs von dem LKW-Fahrer mit Wodka ins Führerhaus gelockt: die Flasche hat sie selbst dabei und sie will unbedingt eine "Stadtrundfahrt" mit dem Truck machen.
Zum anderen ist Ann schon von Beginn an ihre Zimmergenossin in der Klinik, und Frenja kommt erst später hinzu.
Mir hat "Looping " nicht gefallen, das war inhaltlich viel zu diffus und unklar.
Handwerklich ist der Film gut gemacht aber er hat mich zu keiner Zeit irgendwie berührt und das ist für mich eigentlich das Wichtigste

Steffen Kolbe · 18.02.2016

Hab den Film auf dem Festival in Saarbrücken (Max Ophüls) gesehen. Hervorragend !!!!!