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In Tom Hoopers Version von „Les Misérables“ kämpft und singt sich eine prominente Besetzung durch das revolutionäre Frankreich des 19. Jahrhunderts.

Les Misérables (2012)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Vor den Katzen kam das Elend

Stars, Tanz, Gesang und Digital Fur Technology – all das bot uns Tom Hooper 2019 in „Cats“, seiner bunten, völlig abgedrehten und bizarren Leinwand-Adaption des gleichnamigen Bühnen-Musicals von Andrew Lloyd Webber, das wiederum auf einem Gedichtband von T.S. Eliot basiert. Der Film wurde mit Gespött und/oder Befremdung aufgenommen, erhielt Negativpreise und gilt auch in finanzieller Hinsicht als völliges Desaster. Immerhin hatten die Nickelodeon Kids’ Choice Awards den nötigen Durchblick und nominierten Taylor Swift als beste Schauspielerin. You go, Bombalurina!

Sieben Jahre zuvor, zwischen seinen vielfach prämierten Arthouse-Dramen The King’s Speech (2010) und The Danish Girl (2015), war dem britisch-australischen Regisseur indes mit Les Misérables schon das gelungen, was er später mit Cats nicht noch einmal zu leisten vermochte: ein bereits etabliertes Stage-Musical mit großen Namen als Hollywood-Spektakel in Szene zu setzen, das sowohl bei der Kritik als auch bei den Zuschauer:innen gut ankommt und erfolgreich im Oscar-Rennen mitmischt.

Neben dem Make-up und den Frisuren sowie dem Ton wurde die Leistung von Anne Hathaway als Nebendarstellerin mit einem Academy Award ausgezeichnet; hinzu kamen weitere Oscar-Nominierungen (unter anderem in den Kategorien „Bester Film“ und „Bester Hauptdarsteller“) sowie etliche andere Preise. Am 14. Februar 2024 wird das Werk nun erneut deutschlandweit in den Lichtspielhäusern gezeigt.

Die von Claude-Michel Schönberg (Musik) und Alain Boublil (Libretto) geschaffene Musical-Vorlage wurde 1980 in Paris uraufgeführt; später entwickelte es sich in London zum langlebigen Broadway-Hit und eroberte noch diverse Städte weltweit. Die Idee, aus Victor Hugos komplexem Roman Die Elenden über die Pariser Revolution von 1830 ein musikalisches Unterhaltungsstück zu machen, mag ziemlich seltsam anmuten – doch als Mischung aus milder Bildungsmaßnahme und Camp-Melodram hat sich das Bühnen-Musical seinen Platz in der Kulturindustrie wohl redlich verdient.

Hooper und sein Drehbuchautor William Nicholson nehmen den Stoff sehr ernst – was dem filmischen Endergebnis an manchen Stellen eher zum Nachteil gereicht. Selbst den bewusst humoristischen Passagen wie den Auftritten des frivolen Schankwirts Thénardier (Sacha Baron Cohen) und seiner Gattin (Helena Bonham Carter) fehlt es an Witz.

Im Mittelpunkt des Plots steht Jean Valjean (Hugh Jackman), der sich etliche Jahre in Haft befand, weil er einst für seine Familie ein Brot gestohlen und später mehrere Fluchtversuche unternommen hatte. Nach einer weiteren Verzweiflungs(straf)tat baut sich Valjean eine neue Existenz als Fabrikbesitzer und Bürgermeister auf. Der Polizeibeamte Javert (Russell Crowe) ist jedoch unermüdlich auf der Jagd nach ihm. Als Valjean der todkranken Fantine (Anne Hathaway) verspricht, sich um deren Tochter Cosette zu kümmern, führt dies zur Enttarnung durch Javert und zur abermaligen Flucht. Jahre später verliebt sich Cosette (nun verkörpert von Amanda Seyfried) in Paris in den jungen Revolutionär Marius (Eddie Redmayne).

Les Misérables liefert zahlreiche dramatische Momente und aufwendig umgesetzte Massenszenen. Das Ensemble neigt zum Overacting, um das Leid der Figuren zu vermitteln; letztlich kann die Wucht des Spiels, insbesondere von Jackman und Hathaway, aber durchaus mitreißen. Hooper ließ seine Schauspieler:innen am Set live singen, statt (wie sonst üblich) die Songs vorab im Studio aufzunehmen. Das sorgt für ein paar wahrhaftige Augenblicke, führt die Hauptrollen-Riege allerdings auch spürbar an ihre stimmlichen Grenzen – selbst den Broadway-erprobten Jackman, der als Bariton einen Tenor-Part singen muss. Während eine leichte Überforderung von Filmgrößen in einem Spaß-Musical wie Mamma Mia! (2008) recht vergnüglich ist, wirkt es in diesem Kontext zuweilen anstrengend. So bleibt Hoopers Version ein holpriges Experiment, das Fans des Genres und Genießer:innen opulenter Hollywood-Produktionen dennoch zu unterhalten versteht.

 

Les Misérables (2012)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Das ganz große Leiden

Kommen wir gleich zum Punkt. Wer Musicals nicht mag, sollte einen großen Bogen um Les Misérables machen, denn hier wird so ungefähr ALLES gesungen. Mehr Musical kann man beim besten Willen nicht in einen Film packen. Wem das aber nichts ausmacht oder wer Musicals gar super findet, der wird hier eine Menge Spaß haben. Obwohl – Spaß ist das falsche Wort, denn es wird eher auf ganz hohem Niveau episch gelitten. Da kann man auch gut mitleiden und ein paar Tränen vergießen.

Die Geschichte ist ganz nah an der Musicalfassung (welche wiederum von Victor Hugos Die Verdammten adaptiert wurde): Ein paar kleinere Aussparungen und Umdeutungen inbegriffen folgt sie dem Leben mehrerer Menschen im Frankreich während des 19. Jahrhunderts. Angefangen beim Ex-Sträfling Jean Valjean (Hugh Jackman) über die Prostituierte Fantine (Anne Hathaway), ihrer Tochter Cosette (Amanda Seyfried), dem Polizisten Javert (Russell Crowe) und diversen anderen Charakteren, die ein Bild der damaligen Gesellschaft und Lebensumstände zeichnen, welches vor allem von geplatzten Träumen, Liebe, Leidenschaft und Opferbereitschaft geprägt ist. Und somit ganz massiv christlich religiöse Themen anspricht und auch ausschließlich in diesem Kontext verarbeitet. Valjean ist der klassische Märtyrer, Fantine, die gutherzige Hure, ist eine eindeutige Darstellung der Maria Magdalena.

Irgendwie ist Les Misérables ganz schön altmodisch und gar ein wenig nostalgisch in der Art, wie der Stoff filmisch verarbeitet wurde. Doch das ist gar nicht per se schlecht, große Epen tragen stets eine Art von versöhnlicher Rückgewandtheit in sich. Regisseur Tom Hooper (The King’s Speech) hat ja bereits bewiesen, dass er sich bestens auskennt mit dieser Art von Melancholie. Auch hier bei diesem pompösen Machwerk (das mit 158 Minuten Laufzeit auch ein bisschen episch in der Länge ist) vermag er die Balance zu halten und nicht in Kitsch umzukippen. Gekonnt arbeitet er mit moderner Digitaltechnik, um die großen Szenerien prächtig aussehen zu lassen. Teils erinnert seine visuelle Umsetzung an die Mutter aller epischen Historienfilme: Cabiria (Italien, 1914). Kontrastiert und emotional verankert wird dieser Pomp durch die einzelnen Charaktere – und hier muss man sagen: Anne Hathaway und Hugh Jackman bieten beide die wohl beste Darbietung ihrer bisherigen Karriere, die Jackman sogar eine Oscar-Nominierung eingebracht hat. (Insgesamt ist der Film sogar mit acht Oscar-Nominierungen einer der großen Favoriten.)

Ein wirklich gelungener Film also, der maximal an persönlichen Antipathien dem Genre und der Machart gegenüber scheitern könnte.

Les Misérables (2012)

Kommen wir gleich zum Punkt. Wer Musicals nicht mag, sollte einen großen Bogen um „Les Misérables“ machen, denn hier wird so ungefähr ALLES gesungen. Mehr Musical kann man beim besten Willen nicht in einen Film packen. Wem das aber nichts ausmacht oder wer Musicals gar super findet, der wird hier eine Menge Spaß haben. Obwohl – Spaß ist das falsche Wort, denn es wird eher auf ganz hohem Niveau episch gelitten. Da kann man auch gut mitleiden und ein paar Tränen vergießen.

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Meinungen

Rüdiger · 23.03.2013

Wir haben das deutsche Musical gesehen und haben eine Konzert- DVD aus der Royal Albert Hall mit englischen Sängern. Jetzt haben wir den Film gesehen und waren auch hiervon ganz begeistert. Die Musik ist einfach schön und die Schauspieler haben ihre Sache sehr gut gemacht. Ich sehe mir den Film bestimmt ein zweites Mal an.

Klaus · 11.03.2013

Wer dieses Musical mag, der liebt auch diesen Film.

andesch · 02.03.2013

Ein super Film,
aber man muss Abstriche machen, was die Gesangsqualität angeht.Es sind eben Super Filmschauspieler und keine Musicaldarsteller wie man sie von Les Mis kennt....
Einige Szenen ( Sprechgesang ) hätten lieber wirklich synchronisiert gesprochen werden sollen,
aber Les Mis ist immer wieder ein unter die Haut gehender Stoff.