Le passé

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Abschied vom Gestern

Es ist eine Wiederbegegnung nach langer Zeit — vier Jahre sind vergangen, seitdem sich Ahmad (Ali Mosaffa) und Marie (Bérénice Bejo, The Artist) getrennt haben. Sie lebt nun in Paris mit ihren Kindern von verschiedenen Männern, er ist aus Teheran zu ihr gereist, damit die längst überfällige Scheidung endlich über die Bühne gehen kann. Denn Marie-Anne hat einen neuen Freund namens Samir (Tahar Rahim) und erwartet von diesem ein Kind.
Doch in Wahrheit ist alles noch viel komplizierter, als es sich anfangs darstellt. Das aber stellt sich erst im Laufe der Tage heraus, die Ahmad in der Fremde verbringt. Denn Samirs Frau liegt nach einem Selbstmordversuch im Koma und niemand weiß, was zu ihrem schrecklichen Entschluss führte. Insofern ist es kein Wunder, dass Samirs Sohn Fouad verstört auf die Entwicklungen reagiert. Auch Lucie, Maries große Tochter, für die Ahmad einst wie ein Ersatzvater war, zeigt sich überfordert von dem Patchwork, ebenso wie Samir, der eifersüchtig auf Maries Exmann in spe reagiert. Ahmads Anwesenheit wirkt wie ein Katalysator, er bringt die Dinge in Bewegung, so dass sich mit quälender Langsamkeit die Wahrheit Schritt für Schritt enthüllt — ein Geflecht aus guten Absichten, Missverständnissen, Ängsten und heimlichen Wünschen, an dessen Ende nichts mehr so sein wird, wie es anfangs schien.

In gewisser Weise fühlt man sich bei Asghar Farhadis Le passé häufig an dessen Vorgänger Nader & Simin — Eine Trennung erinnert. Hier wie dort geht es um Beziehungen, die brüchig geworden sind und bei denen eine Trennung ansteht, hier wie dort geht es um die Entscheidung „gehen oder bleiben“ und hier wie dort sind die Beteiligten bei dieser Trennungsgeschichte eingewoben in ein Geflecht von Abhängigkeiten, Unfreiheiten und mitunter auch falschen Rücksichtnahmen, die sie daran hindern, das zu tun, was sie eigentlich wollen. Und wie bei Nader & Simin — Eine Trennung ist die Konfrontation mit der Wahrheit und der Vergangenheit, die bei Le passé mit dem machtvollen Symbol der regungslos ans Bett gefesselten Frau Samirs dargestellt ist, ein schmerzhafter Prozess, der vor allem durch lange Dialogpassagen gelöst wird. Dennoch ist Le passé, der weitgehend in Maries Haus spielt, kein langweiliges Kammerspiel, sondern ein exzellent geschriebenes und herausragend gespieltes Psychodrama, das sicherlich seinen Weg machen wird.

Beim Filmfestival in Cannes wurde der Film bereits mit einem Preis für die beste Darstellerin ausgezeichnet. Man ist sich sicher, dass dies nicht die letzte Auszeichnung für Farhadis erneut exzellente Schöpfung (Le passé ist übrigens sein erster Film im Ausland) sein wird.

Le passé

Es ist eine Wiederbegegnung nach langer Zeit — vier Jahre sind vergangen, seitdem sich Ahmad (Ali Mosaffa) und Marie (Bérénice Béjo, „The Artist“) getrennt haben. Sie lebt nun in Paris mit ihren Kindern von verschiedenen Männern, er ist aus Teheran zu ihr gereist, damit die längst überfällige Scheidung endlich über die Bühne gehen kann.
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