Le démantèlement

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Die Demontage eines Menschen

Der französische Begriff „démantèlement“ bedeutet wortwörtlich Demontage. In Kanada, genauer gesagt den ländlichen Gebieten Quebecs, bezeichnet „démantèlement“ jedoch auch den Auktionsprozess einer Farm, wenn diese von ihrem Besitzer aufgegeben wird. Aber auch einen Menschen kann man demontieren, erklärt Regisseur Sébastien Pilote beim Filmfest Hamburg vor dem Screening seines Films.
Tatsächlich beschäftigt sich Le démantèlement mit dem Niedergang eines Menschen. Das Leben des Schafbauers Gaby (Gabriel Arcand) dreht sich ausschließlich um seinen Hof und seine Tiere. Nur selten kommt ein Besucher vorbei, noch seltener seine Töchter Marie (Lucie Laurier) und Fréderique (Sophie Desmarais). Seine Frau hat schon vor über 20 Jahren vom einsamen Landleben Abschied genommen und in der nächsten Stadt ein neues Leben und eine neue Beziehung begonnen. Die Einsamkeit scheint Gaby nicht weiter zu stören. Vielmehr entzieht er sich ganz bewusst den modernen Mitteln der Kommunikation, lehnt sowohl Computer als auch das Internet ab. Doch sein friedliches Leben steht plötzlich auf dem Spiel, als Marie ihm von ihrer anstehenden Scheidung und den damit verknüpften finanziellen Problemen berichtet. 200.000 Dollar braucht sie, um das Haus, in dem sie und die zwei Kinder leben, zu behalten. Für Gaby, der für seine Tochter alles tun würde, gibt es nur eine Option: ein „démantèlement“.

Nicht nur Gabys Umfeld, auch wir als Zuschauer sind schockiert, dass dieser Mann, der mit Herz und Seele Bauer ist, sein komplettes Leben für seine Tochter aufgeben möchte. Zumal Marie uns weniger bedürftig, als vielmehr verwöhnt erscheint. Die Entscheidung, Haus und Hof zu verkaufen, können wir nur sehr schwer nachvollziehen. Mit derselben Ruhe, mit der er zuvor die Schafe gefüttert und seine Wiesen durchschritten hat, bereitet Gaby nun den Verkauf vor. Seine fast schon stoische Miene, die weder Trauer noch Frust durchblicken lässt, befremdet. Ist ihm all das wirklich egal? Wie kann das sein?

Schwer mit anzusehen ist es noch dazu. Das Drama steigert sich immer mehr. Zunächst geht es nur um den Verkauf des Eigentums. Dann aber muss sich Gaby eine neue Bleibe suchen und die Einraumwohnung wirkt wie ein Gefängnis für den Mann, der sein Leben auf weitem Land verbracht hat. Doch es wird tatsächlich noch deprimierender: Gaby realisiert, dass sein treuer Hund im neuen Zuhause keinen Platz haben wird. Glücklicherweise kostet Sébastien Pilote die Dramatik der Geschichte nicht aus. Seine Inszenierung bleibt ebenso ruhig wie der Protagonist selbst. Dennoch ist der Niedergang Gabys schwer zu ertragen. Da ist kein Lichtblick, kein Hoffnungsschimmer, der die Tragik der Ereignisse aufhellen könnte.

Düster jedoch ist dieser Film ebenso wenig. Das Licht spielt in Pilotes Inszenierung eine große Rolle. Wann immer Gaby auf der Farm ist, sind die Wiesen, die Schafe und auch sein Haus in warmes Licht wie das eines ewigen Sonnenuntergangs getaucht. Im Gegensatz dazu präsentieren sich das „démantèlement“ eines Nachbarn und auch Gabys Ausflüge in die Stadt in kühlen Farben. Besonders stark ist dieser Kontrast in den Räumen des neuen Apartments oder auch dem Schmuckgeschäft, in dem Gabys Exfrau mit ihrem zweiten Ehemann arbeitet. Die Räume sind so unangenehm kühl, dass wir sie als Zuschauer kaum ertragen können. Schnell wollen wir zurück in diese wunderschöne Kulisse draußen auf dem Land und unter keinen Umständen können wir nachvollziehen, wie Gaby freiwillig die Wärme seines Hofs gegen die artifizielle Kühle der Stadt eintauschen kann.

All dieses Unverständnis, die gleichbleibend deprimierende Stimmung des Films und die vollkommen resignierte Hauptfigur erschweren es erheblich, sich von Le démantèlement mitreißen zu lassen. Bei aller Schönheit der Landschaft Quebecs und aller Authentizität der Inszenierung, macht dieser Film doch keine, wirklich überhaupt keine Freude. Sébastian Pilote sagt, neben der Demontage seines Helden gäbe es auch einen Aufwärtstrend. Diesen nicht nur zu entdecken, sondern auch zu empfinden, erfordert ein ungeheures Maß an Identifikation. Vielleicht ist dies den Zuschauern vorbehalten, die selbst Eltern sind und Gaby glauben können, wenn er sagt, dass es nicht die Farm ist, die sein Leben lebenswert macht, sondern das Glück seiner Töchter.

Le démantèlement

Der französische Begriff „démantèlement“ bedeutet wortwörtlich Demontage. In Kanada, genauer gesagt den ländlichen Gebieten Quebecs, bezeichnet „démantèlement“ jedoch auch den Auktionsprozess einer Farm, wenn diese von ihrem Besitzer aufgegeben wird.
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