La vida loca - Die Todesgang

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

„Töte um zu leben, lebe um zu töten“

Die Gang ist ihre Familie, die Straße ihr Zuhause: In den Armutsvierteln von San Salvador, der Hauptstadt des mittelamerikanischen Staates El Salvador, kommen junge Menschen schon sehr früh in Kontakt mit Mord und Totschlag. Hineingeboren in ein Elend finden sie kaum den Weg hinaus in ein besseres Leben. Eher im Gegenteil – Jungs wie Mädchen schließen sich schon frühzeitig sogenannten Mara-Banden an, die sich brutal und kaltblütig gegenseitig bekriegen. „Töte um zu leben, lebe um zu töten“ ist ein Motto, das ihre Mentalität ziemlich gut beschreibt.
Mitten in den gefährlichen Straßenkrieg im Armenviertel Soyapango hat sich der algerische Dokumentarfilmer Christian Poveda gestürzt. Sein außergewöhnlicher Film La vida loca – Die Todesgang dokumentiert mit einer beeindruckenden Nähe und viel Emotion den Alltag der „Mara 18“, die zu den brutalsten und gefährlichsten Gangs in Lateinamerika zählt. Man erkennt sie an ihren Tätowierungen: Auf dem Oberkörper, den Armen und sogar im Gesicht ist die „18“ für immer eingraviert. Ihre Zukunft lautet entweder Gefängnis oder Tod und genau das führt uns Poveda in seinem Film immer wieder vor Augen. Es beginnt mit einer Beerdigung, trauernden Frauen und mit hasserfüllten jungen Männern, die sich schnell an dem Tod ihres „Bruders“ rächen werden.

Ein Todesopfer auf der einen Seite führt zwangsläufig zu einem Mord auf der anderen Seite. Das ist die rivalisierende „Mara MS“. Beide Gangs hassen sich – es gibt weder ideologische noch religiöse Gründe, die den Kampf erklären könnten, der seinen Ursprung in den Elendsvierteln der hispanischen „barrios“ in Los Angeles hat. Mindestens zwei Todesopfer pro Monat stürzen die Gemeinschaft permanent in Trauer. Die Lage scheint hoffnungslos, die Polizei machtlos und die Armee nicht vorhanden. Einzig ein von ehemaligen Gangmitgliedern initiiertes Resozialisierungsprojekt holt die Jugendlichen von der Straße und verschafft ihnen einen Job in einer Bäckerei. Doch auch dieses Fünkchen Hoffnung zerplatzt irgendwann wie eine Seifenblase.

Wer City of God / Cidade de Deus von Fernando Meirelles gesehen hat, kann sich das Ausmaß der Gewalt vorstellen, dass uns Poveda in seiner Dokumentation zeigt. Schmerzhafte, aufrüttelnde Bilder auch hier. Ein Film, der unter die Haut geht und einen noch sehr lange beschäftigt. Während Meirelles seinem Spielfilm mit Laiendarstellern aus den Favelas so viel Authentizität wie möglich verleihen wollte, sind Povedas Bilder aus erster Hand. Genauso hat er es erlebt und genauso können wir es als Zuschauer nachempfinden. Hier spielt niemand eine Figur, alle spielen sich selbst. Da ist „Little Crazy“, der mit elf von der Schule weg und mit 14 in die Gang eingetreten ist. Oder „El Bambam“, Vater dreier Kinder von drei verschiedenen Frauen, der abwechselnd auf Bewährung in Freiheit oder hinter Gittern lebt. „La Chucky“, die auf der Stirn eine 18 trägt, ist im Waisenhaus groß geworden, einem Ort, an dem jetzt auch ihre beiden Kinder leben. Denn wegen Mordes musste sie eine Weile ins Gefängnis. Auszüge aus Biographien, die sich gegenseitig an Traurigkeit überbieten.

Der Welt des organisierten Verbrechens ist tragischerweise auch der Regisseur selbst zum Opfer gefallen. Am 2. September 2009 wurde Poveda in El Salvador in einen Hinterhalt gelockt und ermordet. Der Film war zu diesem Zeitpunkt bereits fertig gestellt und feierte seinen Siegeszug auf Festivals rund um den Globus. 16 Monate hatte der Filmemacher und Journalist unter den Mara-Banden gelebt und erfahren, was es heißt, in dieser hoffnungslosen Gesellschaft zu leben. Bereits in den achtziger Jahren bereiste er gefährliche Gebiete von El Salvador, um mit Fotos und Videos auf die Gewalt von Lateinamerika aufmerksam zu machen. Seine Fotos erschienen in internationalen Magazinen wie Stern und Time und etablierten ihn als einen der mutigsten Fotojournalisten seiner Generation. Mit La vida loca hinterlässt er ein erschütterndes künstlerisches Vermächtnis.

La vida loca - Die Todesgang

Die Gang ist ihre Familie, die Straße ihr Zuhause: In den Armutsvierteln von San Salvador, der Hauptstadt des mittelamerikanischen Staates El Salvador, kommen junge Menschen schon sehr früh in Kontakt mit Mord und Totschlag. Hineingeboren in ein Elend finden sie kaum den Weg hinaus in ein besseres Leben. Eher im Gegenteil – Jungs wie Mädchen schließen sich schon frühzeitig sogenannten Mara-Banden an, die sich brutal und kaltblütig gegenseitig bekriegen. „Töte um zu leben, lebe um zu töten“ ist ein Motto, das ihre Mentalität ziemlich gut beschreibt.
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