Jahreszeiten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leises Beziehungsdrama der eindringlichen Art

Zeitgleich mit Fatih Akins wundervoll eindringlichem Film Auf der anderen Seite startet mit Jahreszeiten / Iklimler ein weiterer Film, der in der Türkei spielt, in den deutschen Kinos. Und für Kenner der Filmszene ist dessen Regisseur Nuri Bilge Ceylan längst kein Unbekannter mehr, denn der in Istanbul lebende Autorenfilmer machte spätestens 2003 auf sich aufmerksam, als sein Film Uzak beim Filmfestival von Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Auch sein neuer Film Jahreszeiten / Iklimler war im vergangenen Jahr an der Cote d’Azur vertreten und wurde ebenfalls überwiegend begeistert aufgenommen. Dass der Film nun nach einer langen Wartepause doch in die deutschen Kinos kommt, ist ein echter Glücksfall, auch wenn das Werk inmitten der zahlreichen Neustarts ein wenig unterzugehen droht.
Der Archäologe Isa (Nuri Bilge Ceylan) und die TV-Produzentin Bahar (Ebru Ceylan) sind bereits seit längerem ein Paar und nun verbringen sie die Sommerferien gemeinsam am Meer. Allerdings steckt die Beziehung in einer Sackgasse, anstatt ihre Gedanken und Gefühle miteinander zu teilen, schweigen sie sich an und jeder lebt sein eigenes Leben. Eines Abends, als Freunde zu Besuch sind und man gemeinsam isst, eskaliert die angespannte Situation, es folgt die Trennung der beiden und jeder kehrt allein nach Hause zurück. Während sich Isa in eine Affäre mit seiner Ex-Freundin Serap (Nazan Kesal) stürzt, geht Bahar in den Osten der Türkei, wo sie beruflich zu tun hat. Als Isa erfährt, dass seine ehemalige Geliebte nicht mehr in Istanbul ist, reist er ihr kurz entschlossen nach. Es kommt zu zwei folgenschweren Begegnungen…

Ebenso leblos und tiefgefroren wie die erstarrte Beziehung zwischen Bahar und Isa sind auch die Bilder und Szenen, die Nuri Bilge Ceylan und sein Kameramann Gökhan Tiryaki für die ausweglose Situation der beiden finden. Das Gefühl der Entfremdung, der emotionalen Distanz, des unausweichlichen Endes einer Beziehung, es drückt sich aus in jeder Einstellung und in jedem Schweigen, in jeder noch so kleinen und beiläufigen Geste. Hier ist wirklich nichts dem Zufall überlassen, alles folgt dem Ziel und der Vision des Regisseurs, der ein bedrückende und beklemmende Welt geschaffen hat, die zugleich nah an den Realitäten und zugleich voller Poesie ist. Ceylan, der neben der Regie auch das Buch schrieb, die Hauptrolle spielte und den Schnitt besorgte, erweist sich in diesem Film als ein großer Regisseur des aktuellen Kinos, als Meister, der in direkter Nachfolge von Regiegrößen wie Andreij Tarkovskij und Theo Angelopoulos steht. Das türkische Kino kann sich glücklich schätzen, einen Filmemacher wie ihn in seinen Reihen zu wissen, und es wäre Nuri Bilge Ceylan zu wünschen, dass er die gleiche Aufmerksamkeit erhält wie sein Kollege Fatih Akin.

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Zeitgleich mit Fatih Akins wundervoll eindringlichem Film Auf der anderen Seite startet mit Jahreszeiten / Iklimler ein weiterer Film, der in der Türkei spielt, in den deutschen Kinos.
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