Itsi Bitsi

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Hinter fast jedem Rock-Hit steckt eine Frau

„Will the veiled sister pray for / Those children hat the gate, / who will not go away and cannot pray: / Pray for those who chose and oppose“ – mit diesen Zeilen aus T.S. Eliots Ash Wednesday beginnt Itsi Bitsi von Ole Christian Madsen. Es folgt die Einblendung, dass der Film auf einer wahren Geschichte basiere, dann werden als Ort und Zeit die Grenzregion von Pakistan und Indien im Oktober 1968 angegeben. Passend zu den leidvollen Zeilen ist ein abgemagerter Mann in einer weiten Wüste zu sehen, Berge sind im Hintergrund. Die Kamera und er bewegen sich aufeinander zu, dazu erklingt eine Stimme aus dem Off, die ihre Liebe zu einem Menschen und die Rückkehr nach Nepal erklärt, ‚um sich zu heilen‘. Dann wendet sich die Stimme des Mannes an Iben: ‚Liebe Iben, ich kenne nicht das Ende, aber ich kenne den Anfang‘. Es folgt ein Schnitt. Im nächtlichen Kopenhagen des Jahres 1962 wird ein Mann vor einem Peace-Plakat von der Polizei mit Schritten und Schlägen malträtiert. Es ist Eik (Joachim Fjelstrup), der Mann aus der Wüste. Weil er die dritte Nacht infolge von der Polizei beim Kleben von Plakaten gegen die nukleare Aufrüstung erwischt wurde, wird er verprügelt, bevor er in einer Gefängniszelle landet. Dort trifft er auf Iben (Marie Tourell Søderberg). Es ist Liebe auf den ersten Blick. Sie küssen sich in der Zelle. Es folgt abermals ein Schnitt und der Sprung nach Bagdad in das Jahr 1965. Eik ist alleine in einem Hotelzimmer und beginnt auf einer Schreibmaschine mit einem unvollendeten Roman. In einer Rückblende wird er fortan von seiner Liebe zu Iben erzählen, die anfangs aus Sex und endlosen Gesprächen besteht. Sie sind berauscht von ihrem Zusammensein und dem Kampf gegen das Establishment. Doch Eik will Iben für sich alleine haben – und Iben liebt nicht nur die Literatur und Politik, sondern auch ihre Freiheit und Unabhängigkeit.
Schon an diesem Anfang wird deutlich, dass Itsi Bitsi vieles auf einmal sein will: ein Biopic über Eik Skaløe, Sänger der legendären kurzlebigen dänischen Rockband Steppeulvene, nach dessen größten Hit der Film hierzulande auch benannt ist, ein Zeitgeist-Werk über die 1960er Jahre in Dänemark und ein Liebesdrama. Dabei baut Ole Christian Madsen (Superclassico – Meine Frau will heiraten) mit Eliot und der allgegenwärtigen Referenz auf Hesses Steppenwolf zwar einen Referenzrahmen auf, schreckt aber letztlich zu sehr vor den Abgründen in der Geschichte seines Films zurück. Die düsteren Töne, die sich früh einschleichen, werden mit komischen Szenen aufgehellt, in denen es gerade anfangs fast immer um Sex geht, der oft als Slapstick inszeniert wird, indem akrobatische Stellungen schnell hintereinander geschnitten werden. Ein Beispiel: Als Iben erstmals mit Eik und Henrik (Johannes Nymark) eine Beziehung zu dritt wagt, ist die filmische Auflösung des Wettkampfes der Männer um Iben, dass erst Henrik vor dem VW-Bus steht, in dem Iben und Eik Sex haben, dann Eik vor dem Bus steht, während Iben und Henrik Sex haben. Emotionale Unsicherheiten haben hier keinen Platz.

Vielmehr versucht Madsen, der kommerziell einer der erfolgreichsten Regisseure Dänemarks ist, ein Lebensgefühl zu inszenieren, das im Rückblick oftmals verklärt wurde. Deshalb bieten sich zwar einige der Figuren dafür an zu zeigen, wie verschieden die Freiheits- und Sinnsuche der 1960er Jahren enden konnte, jedoch wird in diesem Film die Zeit zu einem Ausstattungsmerkmal, in dem die Kostüme, die Frisuren und die Autos stimmen. Einen Eindruck des Gefühls bekommt man indes nicht. Deshalb kommt der Film auch noch nicht einmal seiner Hauptfigur nahe: Eiks Suche, die ihn quer durch Europa ziehen und mit verschiedenen Drogen experimentieren lässt, wird auf die Liebe zu Iben reduziert. Sein gesamtes Streben und Wirken scheint auf sie ausgerichtet zu sein, obwohl es doch zumindest in seinem anfangs gezeigten Aktivismus und seinem Kampf mit seinem später in einem Brief benannten dunklen Ich mehr gegeben haben muss. Da sich der Film zudem Eiks Perspektive verschrieben hat, bleibt Iben vor allem ein Fixpunkt, so dass sich erst spät ihre grundlegenden Sehnsüchte zeigen. Das ist schade, denn dadurch bleibt Itsi Bitsi ein Film, der sich zwar gut ansehen lässt, von dem aber letztlich hauptsächlich der Titelsong in Erinnerung bleibt.

Itsi Bitsi

„Will the veiled sister pray for / Those children hat the gate, / who will not go away and cannot pray: / Pray for those who chose and oppose“ – mit diesen Zeilen aus T.S. Eliots „Ash Wednesday“ beginnt „Itsi Bitsi“ von Ole Christian Madsen. Es folgt die Einblendung, dass der Film auf einer wahren Geschichte basiere, dann werden als Ort und Zeit die Grenzregion von Pakistan und Indien im Oktober 1968 angegeben.
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