Home Care

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Kummer, Sorgen und Slibowitz am Morgen

Ein Gläschen Slibowitz am Morgen und der Tag kann kommen. So hält man es in Tschechien. Zumindest in Slávek Horáks Home Care, dem Film, der jetzt von der Tschechischen Republik offiziell ins Rennen um den Auslands-Oscar 2016 geschickt wurde. Die bissige Komödie startet aus dem Stand gut durch – und das ist nicht nur dem Alkohol am Frühstückstisch zu verdanken. Vor allen Dingen ist da zunächst Vlasta, die Protagonistin, die in Sachen häusliche Pflege von einem Pflegefall zum nächsten eilt, in einer knackigen Exposition, temporeich, auf den Punkt, mit einem guten Einlauf derben Humors.
Mit dem tschechischen Gesundheitssystem ist es augenscheinlich nicht zum Besten bestellt, aber Vlasta (Alena Mihulová) opfert sich wirklich auf für ihren schlecht bezahlten Job. Sie klappert ihre zum Teil recht eigenwilligen Patienten in einer ländlichen Gegend ohne eigenes Auto ab. Sie ist auf den Bus angewiesen, oder auf ihren Ehemann (Bolek Polívka), der sie zumindest morgens und abends einmal hin- und herfahren kann. Zähneknirschend, denn es geht mehr Geld für die Fahrerei drauf, als Vlasta mit der selbstlosen Herumhetzerei verdient. Lange kann das so nicht gutgehen. Geht es auch nicht.

Es dauert keine 20 Filmminuten, da kommt auch schon der Dreh ins (Tod-)Ernste – gut vorbereitet durch einen früh etablierten Running Gag, bei dem ein mit EU-Geldern finanzierter Kriechtunnel für Frösche eine subversive Rolle spielt. Und es ist dann tatsächlich ein Frosch auf der Straße, der dafür sorgt, dass der Film pünktlich zum ersten Plot-Point eine abrupte Wendung nimmt und es die Protagonistin aus der Kurve trägt. Im Krankenhaus kommt sie gut zusammengeflickt, aber mit niederschmetternder Kollateral-Diagnose wieder zu sich: Pankreas-Krebs, unheilbar. Lebenserwartung: ein halbes Jahr.

Es ist also höchste Zeit, dass sich Vlasta um sich selbst kümmert, und nicht nur um ihre Pflegefälle. Sie gibt ihren Job nicht auf, gönnt sich aber zunächst mal einen Tanzkurs fürs innere Gleichgewicht. Hier biegt der Film dramatisch bewegt auf eine Strecke ein, wo die Warnschilder „Achtung: Klischee“ nicht unangebracht wären, wenn die ausgebildete Krankenschwester nun auf das „Esoterik-statt-Ärzte“-Gleis gerät und ausgerechnet die spirituell bewegte Tochter (Tatiana Vilhelmová) eines ihrer Pflegefälle – anfangs von Vlasta deswegen nur abschätzig belächelt – zu ihrer helfenden Hand und Freundin wird.

Aber Home Care schlägt zum Glück ständig neue dramaturgische Volten und kriegt mit seinem sorgsam konstruierten Drehbuch als Navigationshilfe immer noch gerade rechtzeitig die Kurve – wenn auch manchmal im wirklich allerletzten Augenblick – und bleibt damit angenehm überraschend. Fast die ganze 90-Minuten-Strecke hindurch.

Am Ende allerdings landet der Film in jenen allzu vertrauten und beliebten Gefilden, die immer wieder gerne bei Familien-(TV-)Dramen aller Art angesteuert werden: Das Familien-Fest. In diesem Fall werden die Hochzeit der schwangeren Tochter und der Abschied der Mutter vom Leben dramaturgisch enggeführt. Doch dank der wirklich wunderbaren Hauptdarstellerin und des stimmigen Ensembles sieht man sich hier auch ein solches Finale noch recht gern an – schließlich gibt es als Höhepunkt auch eine ganz besondere Flasche Slibowitz.

Im Rückspiegel betrachtet ist Home Care über weite Strecken eine gut gemachte, schwarze Komödie mit Herz, die funktioniert. Ob der Schwung allerdings reicht, um es auch noch auf die Shortlist der für den Auslands-Oscar eingereichten Filme zu schaffen, ist sehr fraglich. Aber es scheint ja in der Tschechischen Republik genug Slibowitz zum Trost zu geben…

Home Care

Ein Gläschen Slibowitz am Morgen und der Tag kann kommen. So hält man es in Tschechien. Zumindest in Slávek Horáks „Home Care“, dem Film, der jetzt von der Tschechischen Republik offiziell ins Rennen um den Auslands-Oscar 2016 geschickt wurde. Die bissige Komödie startet aus dem Stand gut durch – und das ist nicht nur dem Alkohol am Frühstückstisch zu verdanken.
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