Hinter den Wolken (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Alte Liebe rostet nicht

„Alte Liebe rostet nicht“, so heißt es. Und Cecilia Verheydens Debütfilm Hinter den Wolken nach einem Theaterstück von Michael De Cock, der auch als Drehbuchautor der Verfilmung mitwirkte, illustriert dieses Sprichwort aufs Schönste, unterlässt es dabei aber auch nicht, nachdenkliche Zwischentöne einzustreuen.
Es ist mehr als 50 Jahre her, da waren Emma und Gerard ein Liebespaar – doch es kam anders, denn sie verliebte sich in seinen besten Freund und heiratete diesen. Nun ist Emmas Mann gestorben und bei der Trauerfeier steht Gerard (Jo de Meyere) plötzlich wieder vor ihr. Und er lässt bei den nächsten Treffen und Begegnungen (die erste Verabredung findet via Facebook statt) keinen Zweifel daran, dass es ihm ernst ist, wenn er sagt, dass er all die Jahre auf sie gewartet habe. Er weiß sogar auf den Tag genau, wie lange sich die beiden nicht mehr gesehen haben (nämlich 53 Jahre, 3 Monate und 6 Tage). Und Emma (Chris Lomme)? Sie ist hin- und hergerissen, schließlich hat sie doch gerade erst ihren Mann verloren, und sie ist auch ein wenig erschreckt von Gerards Direktheit, die so gar nicht zu dessen früheren verträumten Wesen passen mag. Doch andererseits ist da auch dieses Prickeln und eine Vertrautheit, als lägen keine Jahrzehnte zwischen dem Abschied und der Trennung, sondern gerade mal ein paar Wochen. Und ja, es gibt durchaus auch sexuelle Motive. Allerdings wird sich bald schon zeigen, dass Emmas Familie zumindest teilweise wenig begeistert ist von dieser neuen Beziehung, und es stellt sich die Frage, ob dies allein an der erwarteten Trauer liegt oder vielleicht auch am Alter Emmas. Darf man sich, wenn man die 70 überschritten hat, einfach noch einmal verlieben? Mit allen Folgen, die das mit sich bringt? Überraschend harsch reagiert vor allem Emmas Tochter Jacky (Katelijne Verbeke), was aber auch daran liegen mag, dass diese selbst in einer unglücklichen Beziehung steckt und es deshalb umso weniger erträgt, dass ausgerechnet die eigene Mutter es schafft, sich aus Mustern zu lösen, in denen sie selbst festzustecken scheint.

Cecilia Verheyden macht in ihrem Debütfilm Hinter den Wolken fast alles richtig: Chris Lomme und Jo de Meyere harmonieren prächtig zusammen, die zurückhaltende Bildgestaltung (Brecht Goyvaert) und Musikuntermalung (Steve Willaert), die klugen Dialoge, die Nähe zu den Hauptfiguren und die unverhohlene Sympathie und Wärme für deren Anliegen, Bedürfnisse und Wünsche auch im Alter sowie die gelungene Balance zwischen Nachdenklichkeit und mildem Humor sollten ihre Wirkung nicht verfehlen. Wenngleich man sich Emma vielleicht ein wenig extrovertierter gewünscht hätte, aber vielleicht liegt gerade hier der blinde Fleck der Erzählung. Weil die Geschichte aus ihrem Blickwinkel erzählt wird und ihr Charakter deutlich zurückhaltender ist als der von Gerard, bleibt sie etwas farblos und konturenarm. Freilich fällt das nicht allzu sehr ins Gewicht, weil Szenen wie etwa die erste sexuelle Annäherung zwischen dem Liebespaar durch feinen und niemals lauten Humor herzerfrischend mit dem Alter kokettieren, während andere Momente ungleich romantischer, aber niemals kitschig eingefärbt sind.

Wenn es heißt, dass die Zielgruppe der Programmkinos immer älter wird, dann ist Hinter den Wolken nicht nur eine gelungene und etwas ins Melancholische gedrehte Transformation des RomCom-Prinzips für die Altersstufe 60+, sondern womöglich auch ein Schatten dessen, was da in Zukunft auf uns zukommt. Nicht, dass Werke wie diese nicht ihre große Berechtigung hätten – ein wenig sollten die Verleiher und Kinobetreiber aber schon darauf achten, dass auch das junge Kinopublikum zu seinem Recht kommt.

Hinter den Wolken (2016)

„Alte Liebe rostet nicht“, so heißt es. Und Cecilia Verheydens Debütfilm „Hinter den Wolken“ nach einem Theaterstück von Michael De Cock, der auch als Drehbuchautor der Verfilmung mitwirkte, illustriert dieses Sprichwort aufs Schönste, unterlässt es dabei aber auch nicht, nachdenkliche Zwischentöne einzustreuen.
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Meinungen

Joachim Kurz · 05.11.2016

@Karla Kühne Ist er schon. Was ich meinte: Vor allem im Arthouse-Bereich (ich rede hier nicht von Superhelden-Filmen im Mainstream-Kino gibt es eine Tendenz, vorwiegend Stoffe für ein älteres Publikum (zu dem ich mich auch zähle) in die Kinos zu bringen. Und schaut man sich die Altersstruktur in diesen Kinos (die ich liebe) an, dann stellt man fest, dass das Publikum dort vorwiegend älter ist und wenige neue und junge Zuschauer "nachwachsen". Das bereitet mir Sorgen.

Karla Kühne · 30.10.2016

Dem Kommentar von Vesna habe ich nichts hinzuzufügen. Der Zusatz von Herrn Kurz ist mir absolut unverständlich! Er möge doch mal DIE Filme aufzählen - von 2016 -, die das ältere Publikum ansprechen. Tröstlich für mich ist, auch ein Herr Kurz wird mal älter.

Hannelore · 25.10.2016

Mich hat der Film (übrigens meinen Mann auch), sehr berührt . ..Super Schauspieler; denn nahe Liebesaufnahmen im Alter ... ist sicher nicht so leicht, vor allem für die Frau ; feinsinnig und auch humorvoll gedreht. Wir werden diesen Film weiterempfehlen ... Und stimmt: für junge Leute gibt's doch wirklich genug Auswahl !!

Vesna · 24.10.2016

Sollte der letzte Satz dieser Filmkritik ein Witz sein?
"ein wenig sollten die Verleiher und Kinobetreiber aber schon darauf achten, dass auch das junge Kinopublikum zu seinem Recht kommt" - Wie bitte?! Der Großteil aller Kinofilme zielt auf ein Publikum ab, dessen Alter noch unter 30 liegt! Muss man da wirklich gleich mahnen, wenn es alle Jubeljahre mal ein Film ins Kino schafft, der sich auch mal an über 60jährige wendet?