Hereinspaziert!

Eine Filmkritik von Maria Engler

"Monsieur Claude" auf Links gebürstet

Ganz im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft gibt es eine lange Tradition der französischen Komödie in deutschen Kinoprogrammen. Pünktlich zur lockeren Sommerzeit schwappt ein mehr oder weniger gelungener, aber dafür umso heiterer Film aus dem Nachbarland herüber, um den Deutschen aus dem eigens für das Lachen angelegten Keller zu holen und damit alljährlich Kinorekorde zu verzeichnen. 2017 im kühlen September etwas spät dran war der französische Regisseur Philippe de Chauveron, der mit seinem neuen Film Hereinspaziert! augenscheinlich vergangene Erfolge mit geringem Aufwand reproduzieren wollte.
Wie bereits im Publikumserfolg Monsieur Claude und seine Töchter oder dem aktuelleren Versuch Alles unter Kontrolle! beschäftigt sich auch Hereinspaziert! mit den Spannungen zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Wie man es hierzulande von Komödien-Fabrikanten wie Schweighöfer oder Schweiger kennt, behält de Chauveron den Cast aus seinen vorherigen Filmen weitgehend bei. Christian Clavier, der zuletzt noch den rechts außen stehenden Nationalisten Monsieur Claude mimte, nimmt in Hereinspaziert! die entgegengesetzte Denkweise an und verkörpert einen linken Intellektuellen. Anstelle eines zukünftigen ivorischen Schwiegersohnes oder syrischen Geflüchteten bildet nun eine Roma-Familie das komödiantische Gegengewicht zur gutbürgerlichen französischen Familie – trotzdem bleibt im Grunde alles beim Alten.

In einer TV-Debatte mit seinem rechtspopulistischen Widersacher gibt sich der linke Autor Jean Etienne Fougerole ein wenig zu weltoffen. Auf Druck seines Gegners lässt er sich zu der Aussage hinreißen, dass er jederzeit Roma in seinem Heim aufnehmen würde und gibt auch seine Adresse preis. Wenige Stunden später wird seine Gastfreundlichkeit auf die Probe gestellt, als tatsächlich ein Wohnwagen vorfährt, der der neunköpfigen Roma-Familie des Familienoberhauptes Babik (Ary Abittan) ein Obdach bietet. Mitsamt Schwein schlägt die Familie ihr Lager im Garten der Familie auf, die nun im Hauruck-Verfahren die Grenzen ihrer eigenen Toleranz neu erkunden und von der Theorie auf die Praxis umsteigen müssen.

Nachdem die Rechtskonservativen in Monsieur Claude und seine Töchter ihr Fett wegbekommen haben, hatten nun die Linken die zweifelhafte Ehre, sich und ihre Ansichten in platte Klischees verwandelt auf der Leinwand wiederzufinden. Der Humor bleibt dabei freilich entweder bei recht unbeholfenem Slapstick oder ruft das halb entrüstete, halb belustigte Lachen hervor, das bereits aus Monsieur Claude bekannt ist. Dieses peinlich berührte, weil politisch womöglich unkorrekte Lachen wird vor allem dann ausgestoßen, wenn sich der Zuschauer des offensichtlichen Rassismus, Sexismus oder jeglicher anderen Form von unangenehm überspitztem Humor gegenübergestellt sieht, aber trotzdem nicht anders kann, als zu lachen. Es mag nicht unbedingt die feinsinnigste Art des Humors sein, kann mit einem bisschen Glück aber immerhin ein Nachdenken über das eigene Handeln und die eigenen Überzeugungen nach sich ziehen. Dieses Potenzial beherbergt auch Hereinspaziert!, dessen Handlung aber nach sehr kurzer Zeit komplett absurd wird, sodass dieses Nachdenken nur am Anfang überhaupt stattfinden kann. Alles was bleibt, ist eher ödes Phrasendreschen und ein Vollbad in Klischees über Linke ebenso wie über Roma.

Dass diese, ganz wie es dem Vorurteil gebührt, zu neunt in einem winzigen Wohnwagen leben, ungewaschen sind, stinken, betteln, stehlen, was das Zeug hält, und am liebsten tanzen und singen, ist an sich schon unreflektiert genug. Hinzu kommt, dass die Familie immer mal wieder zwischen Frankreich und der Heimat hin- und herreisen kann und schlussendlich sogar der angeblich freiheitsliebende Lebensstil der Roma gelobt wird, der sich keinen Regeln und Gesetzen beugt – hinsichtlich der Armut und den schwierigen Lebensverhältnissen der Familie ist das wohl der Gipfel des Zynismus.

Grundsätzlich sei das Spiel mit Klischees und Vorurteilen, so ungeschickt es auch sein mag, dem Genre der Komödie zugestanden, doch neben der durchaus streitbaren Darstellung der Roma stechen vor allem zwei Charaktere heraus, deren Darstellung nicht leichtfertig hinzunehmen ist. Komplett inakzeptabel ist die rassistische Darstellung des indischen Butlers Ravi (Armen Georgian), der ganz im Sinne des keineswegs vertretbaren Blackfacings einige Nuancen dunkler geschminkt und mit einem Turban versehen durch das Haus der Familie wandert. In Sachen Geschmacklosigkeit reicht an diese Darstellung außerdem noch die Figur Crouch (Inan Cicek) heran, ein junger Mann im Kreise der Roma, dessen geistige Behinderung als eine Mischung aus gut gelauntem Kind und Hund dargestellt wird und der regelmäßig mit brutalen Tritten und Schlägen gezüchtigt wird. Dieser gewalttätige Umgang mit einem Menschen mit Behinderung wird nicht nur von allen anderen Figuren als normal hingenommen, sondern dient zu allem Überfluss auch noch der Belustigung des Publikums.

Hereinspaziert!

Ganz im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft gibt es eine lange Tradition der französischen Komödie in deutschen Kinoprogrammen. Pünktlich zur lockeren Sommerzeit schwappt ein mehr oder weniger gelungener, aber dafür umso heiterer Film aus dem Nachbarland herüber, um den Deutschen aus dem eigens für das Lachen angelegten Keller zu holen und damit alljährlich Kinorekorde zu verzeichnen.
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