Hacksaw Ridge (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Das Kreuz mit dem Krieg

Wer Mel Gibsons Filme The Passion of the Christ und Apocalypto kennt, der weiß, dass er als Regisseur seine Geschichten nicht gerade mit Subtilität und Ausgeglichenheit erzählt. Wenn Gibson einen Film macht, dann hat dieser eine ganz eindeutige Message, die keinerlei Ambivalenzen zulässt. Gibsons Filme sind keine Erörterungen, keine Annäherungsversuche. Sie sind sein Evangelium, feste Grundsätze, aus denen er predigt und die nicht zur Debatte stehen. Und diese bestehen immer wieder aus den gleichen Dingen: Leid, Blut und Gott. Kein Wunder also, dass am Beginn von Hacksaw Ridge der Satz „A true story“, nicht „Based on a true story“ steht. Gibsons Film, so sagt er hier ganz unverblümt, ist keine Interpretation, sondern die Wahrheit, die Essenz, das Wort.

Diese wahre Geschichte, auf die der Film sich am Anfang bezieht, ist die des jungen Siebenten-Tags-Adventisten Desmond Doss (Andrew Garfield), der sich während des Zweiten Weltkrieges freiwillig zum Armee-Einsatz meldet. Allerdings verweigert er aus religiösen Gründen das Tragen und Benutzen einer Waffe. Dafür bekommt er in der Grundausbildung natürlich eine Menge Ärger. Er wird verdroschen, gemobbt und sogar angeklagt, kommt jedoch wieder frei, da er in den USA das Recht hat, sich aus religiösen Gründen zu verweigern. Doss will vielmehr als Sanitäter Menschenleben retten. Bei seinem ersten Einsatz bei der Schlacht um Okinawa wird seine Einheit geradezu niedergemetzelt. Während sich die Überlebenden zurückziehen, bleibt Doss allein unter schwerem Beschuss zurück und rettet einen verwundeten Kameraden nach dem anderen. Am Ende sind es 75 Mann, die Doss zu einer lebenden Legende machen.

In der Tat ist die Geschichte des Private Doss heldenhaft, sein Einsatz und seine Passion sollten auf keinen Fall geschmälert werden. Doch was Gibson daraus macht, ist aus mehreren Gründen problematisch. Da ist sein schon aus seinen anderen Filmen bekannter Fetisch für massive Gewaltdarstellungen. Der Film beginnt bereits mit einem Zeitlupen-Ballett von brennenden Soldaten, die durch Schüsse und Granaten in der Luft umhergeschleudert und zerfetzt werden. Im Laufe der später lang ausdehnten Schlachtszenen setzt Gibson sein gesamtes Arsenal an Zerstörung ein: explodierende Gehirne, weggeschossene Gesichter, Gedärme, zerfetzte Beine, Menschen, die bei lebendigen Leibe schreiend verbrennen, etc. Gibson fetischisiert die Zerstörung von Menschenleben und Krieg derart und in einer solch ausgesprochen voyeuristischen und genießerischen Ästhetik, dass man ihm nur schwer abnehmen kann, dass er hier einen Anti-Kriegsfilm gemacht haben will. Doch das eigentliche Problem ist die Plumpheit und Massivität, mit der er seine christliche Überzeugung auf die Geschichte von Doss stülpt.

Es ist in der Tat bemerkenswert, dass dieser Mann so sehr zu seiner religiösen Überzeugung stand, dass er — selbst während er beschossen wurde — nie zur Waffe griff. Es ist noch bemerkenswerter, dass er sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, um auf diese Weise viele andere zu retten. Gibson macht daraus allerdings eine Messias-Geschichte. Doss wird hier als übermenschlich hochstilisiert, er wird abgekoppelt von der einfachen Humanität seiner Kameraden. Nicht seine Überzeugung selbst, sondern der Glaube an sich, so stellt es Gibson dar, macht ihn zum Helden. Er ist faktisch der Auserkorene, der verschont bleibt und gerettet wird, weil Gott es so will. Das allerdings macht alle anderen Kameraden, die dort mit ihm auf dem Schlachtfeld stehen – und viele von ihnen waren gleichfalls überzeugte Christen – zu nichts anderem als Menschen, die quasi nicht genug glauben oder nicht rein genug sind und damit zum Kanonenfutter werden.

Problematisch im Sinne der christlichen Nächstenliebe, die dem Regisseur so wichtig in seiner Messias-Figur ist, ist zudem seine Darstellung der japanischen Kräfte. Neben diversen rassistischen Anspielungen werden diese eher als mordlüsterne oder suizidgeile Verrückte dargestellt, die wie Tiere über die Amerikaner herfallen. Hier erinnert der Film wahrhaftig an amerikanische Kriegsfilme der 1950er Jahre, die keinerlei Ambivalenzen zulassen und die Helden- und Feindesgeschichten so schwarz-weiß darstellten, dass keinerlei Platz für Doppelbödigkeit oder Zwischentöne war. Dass ein Film im Jahr 2016 solche Rigorosität wieder abspielt, ist mehr als nur irritierend. Ausgeglichen ist nur Gibsons Missachtung der Menschlichkeit aller Soldaten, sowohl auf amerikanischer als auch japanischer Seite. Sie dienen einzig als schreiende Körper, die Doss zum Helden machen werden.

Was für eine Verschwendung von Doss‘ Geschichte und auch Gibsons Talent als Regisseur. Es zeigt sich eindeutig, dass er eigentlich sehr gute Filme machen kann. Vor allem bei Actionszenen ist zu erkennen, dass er ganz genau weiß, wie er diese am besten inszeniert. In seinen guten Momenten erinnert der Film an Saving Private Ryan. Doch all das bringt nichts, wenn es unter der meterdicken Messias-Patina erstickt. Würde Gibson nicht immer so verzweifelt und überbordend versuchen, seine klobige Gottes-Message an die ZuschauerInnen zu richten, könnte er wunderbare, affektierende Geschichten erzählen. So bleibt Hacksaw Ridge aber ein Fetischfilm über zerfetzte Körper mit einer messianischen Botschaft, die nicht von Weitem winkt, sondern einem mit dem Kreuz ins Gesicht schlägt.
 

Hacksaw Ridge (2017)

Wer Mel Gibsons Filme „The Passion of the Christ“ und „Apocalypto“ kennt, der weiß, dass er als Regisseur seine Geschichten nicht gerade mit Subtilität und Ausgeglichenheit erzählt. Wenn Gibson einen Film macht, dann hat dieser eine ganz eindeutige Message, die keinerlei Ambivalenzen zulässt. Gibsons Filme sind keine Erörterungen, keine Annäherungsversuche.

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