Gesichter

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Samstag, 21. November 2009, WDR, 23:45 Uhr

Der US-amerikanische Filmemacher John Cassavetes (1929-1989) hat sich mit seiner ureigenen Art, eine Geschichte zu inszenieren, als Ausnahmetalent einen ganz besonderen Platz innerhalb der Filmgeschichte erobert. Seit seinem Spielfilmdebüt Schatten / Shadows aus dem Jahre 1959 hat der Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler (Das dreckige Dutzend / The Dirty Dozen, 1967, Rosemaries Baby / Rosemary´s Baby, 1968, Opening Night, 1977) mit seinem unabhängigen, experimentellen Stil, seinem zutiefst humanistischen Blickwinkel und seiner unkonventionellen künstlerischen Leitung einige seiner Kollegen nachhaltig beeinflusst. Gesichter / Faces ist ein Schwarzweißfilm von 1968, der dreifach für den Oscar sowie für den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig nominiert war, wo John Marley als Bester Darsteller mit der Coppa Volpi ausgezeichnet wurde.
Die Geschäftsfreunde Richard Forst (John Marley) und Freddie Draper (Fred Draper), zwei verheiratete Männer in Amüsierlaune, wollen einen trunkfreudigen Abend in der intimen Gesellschaft der jungen, käuflichen Jeannie Rapp (Gena Rowlands) beschließen. Doch Freddies unverhohlene Arroganz der jungen Edelhure gegenüber vereitelt diesen Plan, und Richard begibt sich dann doch nach Hause, um nun seine Frau Maria (Lynn Carlin) zu verführen. Doch diese ist sichtlich nicht in der Stimmung, mit ihrem Mann auf Tuchfühlung zu gehen, sondern will noch ausgehen, woraufhin Richard enttäuscht von Scheidung spricht und sich demonstrativ am Telefon wiederum mit Jeannie verabredet. Maria zieht los, um mit einer Gruppe von Frauen tanzen zu gehen, und nimmt in der Nacht den abgewrackten Frauenhelden Chet (Seymour Cassel) mit heim. Nach einschlägigen geschlechtlichen Kampfhandlungen kriecht sie jedoch kräftig die Krise an, und sie will sich mit Tabletten das Leben nehmen…

Es sind das tiefgreifende Spiel der Akteure, die ausführlichen, schonungslosen Dialoge sowie die unprätentiöse Melancholie hart an der Grenze zur bewusst installierten Gleichgültigkeit oder gar Langeweile, die diesem Film seine schwelende, mitunter quälende Intensität verleihen. Wirkt Gesichter mit seinem distanzlosen Einsatz der Handkamera und der unauslotbaren Beleuchtung mitunter beinahe laienhaft, sind es gerade diese nur scheinbar defizitären Praktiken, die der Geschichte eine beklemmende Authentizität ermöglichen. Der Film hat trotz seiner gewaltigen Ungefälligkeit als unabhängige Produktion damals in den USA ein bemerkenswert großes Publikum erreicht. Auch wenn die Brisanz seiner Thematik um sexuelle Maskerade und Macht mit dem Blick der heutigen Zeit kaum mehr spektakulär erscheint, ist dieses frühe Werk von John Cassavetes immer noch ein absolut sehenswertes Stück über das letztendliche Scheitern einer langjährigen Beziehung, deren Substanz längst im lauen Wind der Achtlosigkeit verweht ist.

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Der US-amerikanische Filmemacher John Cassavetes (1929-1989) hat sich mit seiner ureigenen Art, eine Geschichte zu inszenieren, als Ausnahmetalent einen ganz besonderen Platz innerhalb der Filmgeschichte erobert.
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