Yves Saint Laurent

Eine Filmkritik von Gregor Torinus

Unstetigkeit als Prinzip

Biopics zu berühmten Persönlichkeiten gibt es wie Sand am Meer und insbesondere, wenn sie aus Hollywood kommen, laufen sie eigentlich immer nach dem gleichen bekannten Schema ab. Auch die Franzosen sind da nicht unbedingt innovativer, was Filme wie La vie en rose (2007) oder Coco Chanel — Der Beginn einer Leidenschaft (2009) zeigen. Bald kommt mit Jalil Lesperts auf der Berlinale 2014 gezeigten Yves Saint Laurent erneut ein französischer Film über einen französischen Modeschöpfer in unsere Kinos. Da stellt sich natürlich die berechtigte Frage, ob die Franzosen jetzt ebenfalls in die serielle Erstellung filmischer Biografien nationaler Helden einsteigen. So ganz kann Yves Saint Laurent diesen Verdacht zwar nicht entkräften. Trotzdem gelingt es dem Film, eigene Akzente zu setzen.
Paris im Jahre 1957. Der erst 21-jährige Jungdesigner Yves Saint Laurent (Pierre Niney) wird der Assistent des Stardesigners Christian Dior und nach dessen Tod sogar sein Nachfolger als Chefdesigner des berühmten französischen Modehauses. Das kreative Genie wird gleich mit seiner ersten eigenen Kollektion berühmt. Nachdem Yves den Unternehmer und Kunstfreund Pierre Bergé (Guillaume Gallienne) kennenlernt, verabschiedet er sich von dem Gedanken das bildschöne Model Victoire Doutreleau (Charlotte Le Bon) zu heiraten. Yves und Pierre verlieben sich leidenschaftlich ineinander und ziehen zusammen. Als Yves in den Algerienkrieg eingezogen werden soll, erleidet er einen Nervenzusammenbruch, weshalb ihm das Haus Dior seinen Vertrag aufkündigt. Daraufhin gründen Yves und Pierre gemeinsam das Label „Yves Saint Laurent“, das sehr bald ebenfalls äußerst erfolgreich wird. Doch hinter den Kulissen ist wahrlich nicht alles eitel Sonnenschein. Pierre muss nicht nur Yves gesamtes praktisches Leben organisieren, sondern auch dessen zahlreiche Marotten, Eskapaden und Zusammenbrüche erdulden.

Das klassische Biopic nach Hollywoodbauart portraitiert seinen Star als ein modernes Äquivalent zu den Helden der klassischen Antike. Dieser Held ist auf seinem Gebiet eine Art von Gott, der entweder über äußerst widrige Umstände oder über seine eigenen inneren Dämonen triumphiert. Ray (2004) zeigt wie der als armer, blinder Schwarzer geborene Musiker Ray Charles gleich mit drei großen Nachteilen zu kämpfen hat. In Walk the Line (2005) sieht man hingegen, wie Johnny Cash mit seinem eigenen Alkoholismus ringt. In Yves Saint Laurent sagt der später berühmte Modeschöpfer gleich zu Beginn, dass er zu nichts anderem, als zu seinen Modeentwürfen in der Lage sei. Er könne nur zeichnen, jenseits davon fühle er sich jedoch vollkommen hilflos. Yves Saint Laurent zeigt nun nicht, wie aus dem anfänglichen sensiblen Mimöschen ein tougher Fighter wird. Im Gegenteil illustriert der gesamte Film die Richtigkeit dieser anfänglichen Aussage.

Trotzdem zeigt auch dieser Film eine Erfolgsgeschichte, und zwar die des von Pierre Bergé und Yves Saint Laurent gebildeten Paares. Pierre erkennt neidlos an, dass ihm Yves‘ Genie abgeht. Er erkennt jedoch, dass er seinen Freund sehr gut unterstützen kann und entscheidet sich sein gesamtes Leben für Yves da zu sein. Yves Saint Laurent ist das schöne Portrait einer wahrhaft symbiotischen Beziehung, in der es trotzdem keineswegs immer sehr schön zugeht. Yves ist eine wahre Künstlernatur, unglaublich schüchtern und zugleich selbstbewusst bis arrogant. Er versteht es die Frauen um ihn herum derart zu betören, dass diese sofort seinem Charme erliegen, obwohl sie wissen, dass er homosexuell ist. Aber er kann genauso gut fiese verbale Hiebe austeilen, die eine langjährige Freundschaft von einem Moment auf den anderen beenden können. Er ist eine unglaublich egozentrische Mimose und verletzt ihm nahestehende Menschen, ein ums andere Mal. Er ist ein kreatives Genie und ein Asket und dann wieder ein drogenzerfressenes, sexsüchtiges Partytier. Yves Saint Laurent erscheint hier nicht als ein Held, sondern eher als ein schönes Biest, während der eigentliche Held des Films sein im Hintergrund stets alles zusammenhaltende Freund Pierre Bergé ist.

Die Impulsivität und Leidenschaft, aber auch die Unstetigkeit von Yves Saint Laurent wird zum gestalterischen Prinzip des gesamten Films. Jede gezeigte Epoche hat einen komplett anderen visuellen Look, der immer ein perfektes Spiegelbild von Yves jeweiliger Mode ist. Während der Anfänge bei Dior ist der gesamte Film in leicht entsättigten kühlen Farben gehalten, die Yves sehr klassischen Schnitten aus dieser Zeit entsprechen. Die 1960er zeichnen sich durch kräftige, satte Farben bei einer gleichzeitigen Kühle aus. Die 1970er stehen ganz im Zeichen von fröhlicher Flower-Power-Stimmung. Sowohl die Filmbilder, als auch die Modeentwürfe sind nun von sonniger Farbigkeit. Das Ganze folgt keinem ausgeklügelten Gesamtkonzept, sondern spiegelt die Sprunghaftigkeit, die ein Teil der Kreativität dieses Modeschöpfers ist. Yves Saint Laurent ist der insgesamt recht gelungene Versuch eines gefühlten Künstlerportraits.

Yves Saint Laurent

Biopics zu berühmten Persönlichkeiten gibt es wie Sand am Meer und insbesondere, wenn sie aus Hollywood kommen, laufen sie eigentlich immer nach dem gleichen bekannten Schema ab. Auch die Franzosen sind da nicht unbedingt innovativer, was Filme wie „La vie en rose“ (2007) oder „Coco Chanel — Der Beginn einer Leidenschaft“ (2009) zeigen.
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Meinungen

Mana · 15.06.2014

Ich kann nicht verstehen warum der Film teilweise so zerrissen wird. Ich fand ihn gelungen und gebe ebenfalls die Empfehlung - unbedingt ansehen.

sandwolf50 · 30.01.2014

Hab den Film letzte Woche in Frankreich gesehen - obwohl ich mich für das Thema nicht so sehr interessiere. Nicht nur YSL hat einen begeisternden Lebenslauf hinter sich, auch der Film ist ein gelungenes Kunstwerk. Unbedingt nicht verpassen!