Wir sind alle erwachsen

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Bergman auf Französisch

Ein Albtraum von einem Urlaubsbeginn: Das Ferienhaus ist schon besetzt. Aber nach diesem Film, der nicht zuletzt von der Schönheit schwedischer Inseln lebt, möchte man am liebsten selber verreisen.
So hätte auch Ingmar Bergman seine Heimat in Szene setzen können: als Spiegelbild der Seele, als Ausdruck von Glück, aber auch von tiefer Zerrissenheit. Doch es ist keine Schwedin, die diesen Film inszeniert hat. Anna Novion ist Französin. Und sie macht in ihrem Debüt der sprichwörtlichen Leichtigkeit ihrer Landsleute alle Ehre. Mit viel Charme und Augenzwinkern lässt sie uns vier Menschen beim Ferienmachen zuschauen, die durchaus ernste Probleme haben. Ihr Leben steckt nämlich in einer Sackgasse.

Rein äußerlich passiert das, was auch in jedem wirklichen Urlaub passieren könnte: Abenteuer, neue Menschen kennenlernen, die erste Liebe. Aber es geschieht noch etwas anderes. Der alleinerziehende Albert (Jean-Pierre Darroussin), der mit seiner Tochter Jeanne (Anaïs Demoustier) in Schweden Urlaub macht, wird in diesen Ferien eine Krise bewältigen. Eine Krise, von der er noch gar nichts weiß. Denn er versteckt sein Unglück hinter allerhand Kontrollzwängen und einem Ordnungswahn, der einem Psychologen zumindest ein Stirnrunzeln entlocken würde. Tochter Jeanne dagegen ist ein wenig schüchtern, aber ansonsten erstaunlich unbeschädigt vom Erziehungsstil des Herrn Papa. Dass die beiden nun in dem Ferienhaus mit Christine (Judith Henri) und Annika (Lia Boysen) unter einem Dach leben müssen, bringt gehörig Schwung ins Beziehungsleben.

Gewiss, Christine und Annika sind erwachsene Frauen um die 40. Und auch sie haben in ihrem Leben etwas zu klären, sodass man sagen könnte, das Erwachsen-Werden ist ein Prozess, der nie aufhört. Trotzdem stecken Albert und Anna viel tiefer im Entwicklungsstau. Sie müssen im eigentlichen Sinn erwachsen werden. Anna feiert in diesen Ferien ihren 17.Geburtstag und wird lernen, ihrem dominanten Papa eigene Ideen entgegen zu setzen. Und Albert ist trotz seiner 46 Lenze ein kleiner Junge geblieben. Er tröstet sich über seine Einsamkeit damit hinweg, dass er die Tochter umso enger an sich bindet.

Alles in allem also eine Seelenlage und eine Dramatik, wie sie einem Bergman-Film gut zu Gesicht stehen würde. Dass daraus eine Komödie wird, liegt nicht daran, dass die Probleme unter den Teppich gekehrt würden. Es liegt daran, dass sie mit einer lebensbejahenden Einstellung angegangen werden. Wir sind alle erwachsen / Les grandes personnes interessiert sich mit ebenso analytischem wie warmherzigem Blick für das Innenleben. Aber Anna Novion macht daraus keinen Beziehungskrieg. Sie zeigt, dass schmerzhafte Erfahrungen wie die eines Vaters, der seine Tochter freigeben muss, im Grunde gar nicht so schlimm sind wie befürchtet. Wenn man es denn schafft, sich ihnen auszusetzen.

Das Schönste an diesem Film ist: Er spielt die Konflikte nicht aus, verbalisiert sie kaum. Sondern er arbeitet fast ausschließlich mit feinen Details, genauen Beobachtungen und aussagereichen Gesten. Was soll man Lobenderes über einen Film sagen, der sich schon im Titel zu dem vielfach durchgenudelten Thema des Coming-of-Age bekennt? Vielleicht dieses: dass man so richtig Lust auf Schweden bekommt.

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Ein Albtraum von einem Urlaubsbeginn: Das Ferienhaus ist schon besetzt. Aber nach diesem Film, der nicht zuletzt von der Schönheit schwedischer Inseln lebt, möchte man am liebsten selber verreisen.
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