Wer war Hitler?

Eine Filmkritik von Marie Anderson

"Er" ist wieder im Kino – in einer opulenten Dokumentation

Jahrzehntelang hat sich der Publizist und Filmemacher Hermann Pölking, geboren 1954, intensiv mit der mitteleuropäischen, der deutschen Geschichte und insbesondere mit Adolf Hitler beschäftigt. Seine Spezialisierung auf historische Filmquellen und Fotografien hat sich seit geraumer Zeit akribisch auf den nationalsozialistischen Massenmörder und Diktator konzentriert, so dass er etliche Stunden in entsprechenden Archiven verbracht und auch jeden weiteren erreichbaren visuellen Eindruck zu dieser Person und der relevanten Zeitgeschichte gesichtet hat. Aus diesem Moloch an Material, flankiert von tausenden Seiten der entsprechenden Fachliteratur, hat Hermann Pölking einen cineastisch angelegten Dokumentarfilm inszeniert, der in seiner siebeneinhalbstündigen Festivalfassung beim diesjährigen Filmfest München uraufgeführt wurde. Eine auf gute drei Stunden gekürzte Version von Wer war Hitler kommt nun in die Kinos und bietet einem breiten Publikum die Gelegenheit, so einige bisher kaum bekannte bewegte Bilder in Form einer reichlich von Zitaten begleiteten, chronologisch und thematisch geordneten filmischen Collage zu erleben – und zu erleiden. Denn in dieser überwiegend nüchtern intendierten, doch nichtsdestotrotz erschütternden Verdichtung der hier stark ausdifferenzierten Thematik liegt ein enormes Potenzial, die nicht zu verdrängende Frage nach den Bedingungen der Entstehung und Entwicklung einer der größten Katastrophen der menschlichen Geschichte einmal mehr schmerzlich zu eröffnen.
Während sich das Auge den originalen Bildern jener Vergangenheit widmet, zitieren über 120 Sprecher_innen derweil darauf bezogene Aussagen zahlreicher historischer Protagonist_innen wie Hitlers Sekretärin Christa Schroeder (Jutta Kausch), Joseph Goebbels (Martin Lalis), Eva Braun (Heidi Jürgens), Albert Speer (Alexander Riemann) und auch Adolf Hitler, den Jürgen Tarrach mit der typisch stilisierten Klangfärbung intoniert. Diese Einzeldarbietungen illustrer Stimmen, die jeweils mit Nennung der Zitierten deren Rede vorlesen, werden mitunter von einem Einsprecher deskriptiver Dokumente sowie zwei Kommentatorinnen ergänzt. Letztere geben Hinweise auf die dargestellten Geschehnisse und deren Zusammenhänge, recht knapp und zurückhaltend gestaltet, um die originären Impressionen und Worte weitgehend ungestört wirken zu lassen. Kleine, markante Schriftzitate zu Beginn eines Kapitels unterbrechen den Fluss der ursprünglich meist stummen Bilder, den auch unterlegte Geräusche sowie die unaufdringliche, doch deutlich stimmungsbefördernde Filmmusik von Julius Holtz flankieren. In der Kombination dieser Elemente entsteht dann doch der Effekt einer bewusst belebenden Inszenierung der Quellen, welche die puristische Ausrichtung, die Regisseur Hermann Pölking intendiert hat, zwar deutlich mildert, jedoch zugunsten einer leichter zugänglichen Rezeption des opulenten Materials.

Beginnend mit einem Prolog, der auch gegen das nationalsozialistische Deutschland engagierte Maori-Kämpfer aus Neuseeland präsentiert, gliedert sich die Kinofassung von Wer war Hitler in 14 chronologische Kapitel. In dieser Form wird Adolf Hitler, der im Taufregister Braunaus als „Adolfus“ eingetragen wurde, etwa als „Tunichtgut“, „Volksredner“, „Führer“, „Kriegsverbrecher“ und schließlich „Selbstmörder“ fokussiert. Die zaghaft heiter oder ironisch anmutenden Quäntchen des Films sind allenfalls dezent gesetzt, was den populären, humorvollen und zweifellos entkrampfenden Parodisierungen der Hitler-Figur in Kabarett, Film und Literatur eine hier unerlässliche Seriosität zur Seite stellt. Die emotionale Ebene betreffend stellt Wer war Hitler bei aller Nähe zu sehr persönlichen, authentischen Aussagen und Archivaufnahmen seltsamerweise insgesamt eine distanzierte Dokumentation dar, trotz der teilweise schauspielernden Sprecherstimmen und der installierten atmosphärischen Klangwelten. So produziert die Fülle an Informationen aus derart zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven die Orientierung an einer Sachlichkeit, die wichtige, teilweise zuvor verborgene Details transportiert, sich aber förderlicherweise nicht zu entschärfenden Relativierungen der Person Hitlers hinreißen lässt. Die Spannung, die dieser Dokumentarfilm nicht zuletzt eben durch seine Ausführlichkeit und seine Vertiefungen zu entwickeln vermag, erweitert auch den vertrauten Blick auf die schrecklichen historischen Ereignisse um eine zusätzliche, geradezu universelle Dimension. Denn jede zusätzliche Information und Nuance oder ein anders konzipierter Kontext erinnern gerade die nach den letztlich noch immer unbegreiflichen Bedingungen fahndenden Betrachter_innen daran, dass lediglich ein Bruchteil jemals berichtet und erzählt, geschweige denn verstanden werden kann.

Wer war Hitler?

Jahrzehntelang hat sich der Publizist und Filmemacher Hermann Pölking, geboren 1954, intensiv mit der mitteleuropäischen, der deutschen Geschichte und insbesondere mit Adolf Hitler beschäftigt. Seine Spezialisierung auf historische Filmquellen und Fotografien hat sich seit geraumer Zeit akribisch auf den nationalsozialistischen Massenmörder und Diktator konzentriert, so dass er etliche Stunden in entsprechenden Archiven verbracht und auch jeden weiteren erreichbaren visuellen Eindruck zu dieser Person und der relevanten Zeitgeschichte gesichtet hat.
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