Welcome to Karastan

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Kaukasus-Kino

Auf einem Filmfestival in der Bretagne begegneten sich Ben Hopkins (Die 9 Leben des Thomas Katz) und Pawel Pawlikowski (My Summer of Love, Ida), die beide auf reichlich Dreherfahrungen in osteuropäischen Ländern zurückblicken konnten. In einem gemeinsamen Skript verarbeiteten sie ihre nicht immer positiven Erlebnisse als Filmemacher, Festivalgäste und die Auswirkungen von Schaffenskrisen. Für Hopkins stellt die Studie eines eingeschränkten Blickwinkels seine Antwort auf 8 ½ dar. Lange vor dem Start des gleichnamigen Dreamworks-Trickfilms sollte der Titel Epic lauten, was sich mehr auf die zweite Hälfte bezog, während der sinnvollere neue Titel Welcome to Karastan stärker den Fokus auf das Culture Clash-Motiv des Anfangs richtet.
Da sich der Londoner Regisseur Emil Forester (Matthew MacFadyen) als Hopkins Alter Ego in einer kreativen Talfahrt befindet, kommt ihm die Einladung zu einer Werksretrospektive auf einem Filmfestival in der Kaukasus-Republik Karastan gerade recht. Angesichts des dortigen Chaos und steter Repressalien stellt lediglich seine attraktive Betreuerin Chulpan (Myanna Burning) einen Lichtblick dar. Allerdings muss Emil zu seiner Enttäuschung feststellen, dass sie gleichzeitig die Geliebte des selbstgerechten Präsidenten Abashiliev (Richard van Weyden) ist, daneben aber noch weitere Interessen verfolgt.

Der undurchsichtige Landesfürst macht dem frustrierten Kurzfilm-Oscargewinner das unwiderstehliche Angebot, die Geschichte Karastans als aufwendiges Epos in Szene zu setzen. Obwohl ihm dabei der arrogante Hollywoodstar Xan Butler (Noah Taylor) aufgezwungen wird, der ebenfalls als Festivalgast vor Ort weilt, sagt der skeptische Filmemacher letztlich zu. Doch die Dreharbeiten stehen unter keinem guten Stern: Nach manchen Pannen sabotiert die nationale Guerilla aus der angrenzenden Bergregion die Vorbereitungen des um seine Integrität besorgten Filmemachers nachhaltig.

Neben Schauplätzen in London und Georgien, wofür Hopkins angesichts einer düsteren Atmosphäre bewusst negative Orte auswählte, entstanden wesentliche Teile der satirischen Farce in Frankfurt und Wiesbaden. Während das Frankfurter Programmkino „Orfeo’s Erben“ als Präsidentenkino diente, wurden Wiesbadener Villen als Herrscherresidenz genutzt. Der Frankfurter Produzent Daniel Zuta engagierte Schauspieler Richard van Weyden (Schlussmacher) als kunstbeflissenen Imperialisten, der sich ebenso als Glücksgriff erwies wie die restliche Besetzung. Noah Taylor (Peaky Blinders) als egoistischer Star im Kilt etwa zeigt sich erneut als Spezialist für ambivalente Charaktere, wobei er allerdings gegen Ende schlicht aus dem Plot verschwindet.

Mathew MacFadyen verleiht dem Film als glückloser Künstler einen melancholischen Unterton. Beim Settermin zeigt sich der Spezialist für Kostümdramen (Anna Karenina) zufrieden, zur Abwechslung einen Gegenwartsfilm drehen zu dürfen und witzelte, nach Berlin und Bamberg dürfe er endlich (Frankfurt-)Bockenheim erkunden.

Mit bissigen Seitenhieben auf Filmbusiness, Überwachungsstaaten und Film als Propagandamittel funktioniert Willkommen in Karastan vor allem in der ersten Hälfte. In der besten Szene führen Sicherheitskräfte den verdutzten Emil Forester in ein Festivalkino, wo gerade eines seiner erotisch angehauchten Arthouse-Werke samt Simultanübersetzung vor einem überforderten Kinderpublikum projiziert wird – ein ironischer Verweis auf die osteuropäische Unsitte, den Originalton eines ausländischen Films von einem emotionslosen Redner einsprechen zu lassen. Gerade diese überspitzten Sequenzen entsprechen laut Regisseur Hopkins sämtlich der Realität.

Allerdings gehen seiner sozialkritischen Geschichte spätestens im letzten Drittel bei den Dreharbeiten zu dem gewaltigen Nationalepos unter steter Überwachung allmählich Luft und Pointen aus. Streckenweise verlässt sich Hopkins zu sehr auf Stereotypen der Balkankomödie aus alkoholgeschwängerter Folklore und Dickschädel-Streitigkeiten – selbst wenn dies ebenfalls der Wahrheit abgelauscht wurde.

Vor allem krankt der groteske Blick auf den Zwiespalt eines Filmemachers zwischen der Aussicht auf Ruhm und Geld sowie dem Festhalten an künstlerischer Integrität an manchen Überdeutlichkeiten. Stets muss der Kultusminister auf der Bildfläche erscheinen und in seinen Dialogen erneut unterstreichen, was dem Zuschauer längst bekannt ist. Welcome to Karastan hätte man mehr von der Lakonie und dem spröden Humor gewünscht, der die Arbeiten von Hopkins Co-Autor Pawel Pawlikowski ansonsten auszeichnet.

Welcome to Karastan

Auf einem Filmfestival in der Bretagne begegneten sich Ben Hopkins („Die 9 Leben des Thomas Katz“) und Pawel Pawlikowski („My Summer of Love“, „Ida“), die beide auf reichlich Dreherfahrungen in osteuropäischen Ländern zurückblicken konnten. In einem gemeinsamen Skript verarbeiteten sie ihre nicht immer positiven Erlebnisse als Filmemacher, Festivalgäste und die Auswirkungen von Schaffenskrisen.
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