Über-Ich und Du (2014)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Freudsche Momente

Benjamin Heisenberg hat, es ist durchaus überraschend, eine Komödie gedreht. So etwas hatte er, ausgewiesener Protagonist der sogenannten Berliner Schule, schon lange vor. Und er gibt dieser Stilrichtung des anspruchsvollen deutschen Kinos einen neuen Effet, nachdem in den letzten Jahren die Richtung vor allem in den Kriminalfilm wies und letztes Jahr Thomas Arslan mit Gold in den Wilden Westen führte.

Über-Ich und Du steckt voller Witz. Und ist, wie könnte es anders sein, intellektuell. Das passt leider nicht immer zusammen: So dass viele Szenen für sich sehr spaßig sind, der Film zusammengenommen, als Fluss, aber doch insgesamt nicht komisch ist. Zumal einige der Gags berlinerschulehaft zu indirekt, zu sehr über Bande vorgetragen werden, als dass sie richtig zünden könnten.

Die Prämisse: Kleinganove Nick (Georg Friedrich) muss vor denen fliehen, denen er Geld schuldet, und gerät in die Bungalowvilla des Grand Seigneurs der Psychoanalyse Curt Selig (André Wilms), der im Alter etwas tatterig wurde und für den die Familie einen Pfleger braucht. So setzt sich der Buddy-Plot in Gang: Während Nick es auf die wertvollen Bücher im Regal abgesehen hat, sieht Curt in ihm ein ideales Objekt für psychologische Studien. Die Konstellation führt zu Gewaltausübungen in einer Flohmarkthalle wie auch zu einer Instant-Psychotherapie während einer Autofahrt. Und schließlich dazu, dass Nick sich bis zum Hals einbuddeln lässt, um die bösen Geister loszuwerden – denn eine merkwürdige Übertragung hat stattgefunden, Nick hat die Ticks von Curt übernommen, nämlich dieses lästige Zwinkern mit dem Auge und eine Phobie, die es ihm unmöglich macht, eine Küche zu betreten.

Heisenberg arbeitet stark mit dem komischen Mittel, Unvereinbares zusammenzupressen. Das wirkt im Großen und Ganzen, wird aber manchmal zu hintergründig eingeführt. Die Gangster vom Flohmarkt, richtig schwere Jungs, sind vollkommen bibliophil, sie handeln mit wertvollen Erstausgaben und gehen höchst liebevoll mit den alten Büchern um – das wird nicht als direkte Pointe gesetzt, sondern fließt hintenrum ein. Die Neurosen-Übertragung findet unter einer Plakatreklame eines Küchenstudios statt – was aber erst im Nachhinein auffällt, weil sich erst später die Küchenphobie manifestiert. Und der wortspielerische Doppelsinn von Schuld ist ganz in den Subtext verschoben: Nick flieht vor den Schulden, die er gemacht hat; Curt muss sich mit der Schuld auseinandersetzen, in der Nazizeit ein Profiteur von Goebbels‘ Gnaden gewesen zu sein. Letzteres lässt Heisenberg breit in den Film einfließen, durchaus auch aus persönlichen Gründen (wie es der Film eines auteurs verlangt): Sein Großvater, der Physiker Werner Heisenberg, hat sich im Dritten Reich willig aufs System eingelassen.

Am besten ist der Film in seinen (vielen) absurden Momenten; auch beispielsweise, wenn oben am Himmel ein Heißluftballon schwebt, aus dem heraus man verschrobene Streitereien hören kann. Und das Ende, die Pointe bei einem psychologischen Symposium, auf das sich der Professor die ganze Zeit so sehr vorbereitet hat, für das er sein moralisches Gewissen bis zur Erschöpfung ausgewrungen hat: Dieser Schlusstwist hat es auch in sich.
 

Über-Ich und Du (2014)

Benjamin Heisenberg hat, es ist durchaus überraschend, eine Komödie gedreht. So etwas hatte er, ausgewiesener Protagonist der sogenannten Berliner Schule, schon lange vor. Und er gibt dieser Stilrichtung des anspruchsvollen deutschen Kinos einen neuen Effet, nachdem in den letzten Jahren die Richtung vor allem in den Kriminalfilm wies und letztes Jahr Thomas Arslan mit „Gold“ in den Wilden Westen führte.

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