The Wave - Die Todeswelle (2015)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Fjord in Gefahr

Erst kürzlich stemmte sich Dwayne Johnson im Desaster-Blockbuster San Andreas mit Muskelkraft, Geschick und uramerikanischem Pragmatismus gegen ein verheerendes Erdbeben, das Kalifornien in ein Trümmerfeld verwandelte. Ein bildgewaltiges Katastrophenszenario mit spürbar patriotischen Untertönen, das erzählerisch reichlich schematisch ausfiel und emotional nicht wirklich packen konnte. Wie man es, trotz begrenzter Mittel, ein wenig besser angeht, beweist der Norweger Roar Uthaug (Cold Prey – Eiskalter Tod) mit seiner Untergangsvision The Wave – Die Todeswelle, die eine skandinavische Fjordlandschaft zum Schauplatz eines großen Unglücks macht.

Da der Geologe Kristian (Kristoffer Joner) in Kürze einen neuen Job bei einem Ölkonzern antreten wird, steht ihm und seiner Familie ein Umzug bevor. An seinem letzten Arbeitstag im Erdrutschfrühwarnzentrum von Geiranger zeigen die Messgeräte plötzlich verdächtige Werte an, was bei Kristian alle Alarmglocken klingeln lässt. Immerhin könnte es sein, dass die Gesteinsschichten am nahe gelegenen Berg Åkerneset in Bewegung geraten sind. Nach einer Überprüfung der Lage gelingt es den anderen Mitarbeitern, ihren scheidenden Kollegen zu beruhigen, doch schon wenige Stunden später geschieht das Unfassbare: Riesige Felsbrocken stürzen in den Fjord und lösen einen Tsunami aus, der mit hoher Geschwindigkeit auf das Ende der Bucht zurollt. Inmitten der losbrechenden Panik macht sich Kristian zusammen mit seiner Tochter Julia (Edith Haagenrud-Sande) auf die Suche nach Ehefrau Idun (Ane Dahl Torp) und Teenagersohn Sondre (Jonas Hoff Oftebro), die sich in einem Hotel in Geiranger aufhalten.

Das Drehbuch – verfasst von John Kåre Raake und Harald Rosenløw-Eeg – orientiert sich unübersehbar an etablierten Hollywood-Mustern, zu denen auch die Trennung der Familie gehört. Entsprechend vorhersehbar ist der Verlauf der Handlung. Anders als etwa in San Andreas lassen sich die Macher jedoch erstaunlich viel Zeit, um den Überlebenskampf ins Rollen zu bringen. Mehr als 45 Minuten vergehen, bis Kristians Befürchtungen konkret Gestalt annehmen und die beschauliche Welt am Geirangerfjord mit einem Mal aus den Angeln gehoben wird. Vorher lernen wir die Familie des akribischen Geologen genauer kennen und werden Zeugen, wie er mit seinen Kollegen über die besorgniserregenden Messwerte diskutiert. Der ruhige, unaufgeregte Erzählrhythmus lässt die Spannung langsam, aber kontinuierlich ansteigen und schafft eine bedrohlich-brodelnde Atmosphäre, die sich schließlich auf fulminante Weise entlädt.

Während heutzutage in vielen anderen Genrebeiträgen CGI-Kaskaden dominieren, bemüht Roar Uthaug eine Mischung aus majestätischen Landschaftspanoramen, Spezialeffekten und Studioaufnahmen, die eine düster-apokalyptische Umgebung simulieren. Die am Rechner erzeugten Bilder des Felssturzes und der herannahenden Monsterwelle sind technisch brillant umgesetzt. Unsere Protagonisten, die emotionalen Anker des Geschehens, werden allerdings nicht von ihnen erdrückt, da sie nur punktuell zum Einsatz kommen. Neben großen Zerstörungsansichten beschwört The Wave immer wieder intime Szenen mit klaustrophobischem Gehalt – etwa wenn Idun und Sondre im Keller des Hotels gegen das Eindringen der Wassermassen ankämpfen.

Fesselnd ist der Katastrophenthriller auch deshalb, weil er von einem ausdrucksstarken Schauspieler wie Kristoffer Joner angeführt wird, der eine überzeugende Figur als mahnender Wissenschaftler und verzweifelter Familienvater abgibt. Kaschieren können die insgesamt überdurchschnittlichen Darstellerleistungen freilich nicht, dass der Film zum Ende hin in übertrieben klischierte Gefilde abdriftet. Weniger Melodramatik oder aber etwas mehr Mut zur Tragik hätten im letzten Drittel sicher nicht geschadet. Trotz dieser Einwände bleibt The Wave eine geschickt konstruierte, beklemmende Desaster-Vision, die – das zeigt schon der Prolog – nicht bloß den Spinnereien des Autorenduos entspringt. Eine Texttafel vor dem Abspann weist unmissverständlich darauf hin, wie wahrscheinlich die Gefahr eines Felssturzes im Geirangerfjord wirklich ist.
 

The Wave - Die Todeswelle (2015)

Erst kürzlich stemmte sich Dwayne Johnson im Desaster-Blockbuster „San Andreas“ mit Muskelkraft, Geschick und uramerikanischem Pragmatismus gegen ein verheerendes Erdbeben, das Kalifornien in ein Trümmerfeld verwandelte. Ein bildgewaltiges Katastrophenszenario mit spürbar patriotischen Untertönen, das erzählerisch reichlich schematisch ausfiel und emotional nicht wirklich packen konnte.

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Meinungen

Jael allenbach · 14.08.2022

Bester film
Sehr berührend