The Gift

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Die Angst kommt auf leisen Sohlen

Wenn Schauspieler auf dem Regiestuhl Platz nehmen und sich noch dazu selbst inszenieren, ist durchaus Vorsicht geboten. Denn häufig ersetzen Eitelkeit und Profilierungssucht künstlerische Weitsicht und handwerkliches Geschick. Umso erfreulicher sind die Beispiele, die alle Zweifel im Keim ersticken. So wie das Spielfilmdebüt von Hollywood-Darsteller Joel Edgerton, das der Australier selbst verfasste. Ein Stalking-Thriller, der eindrücklich beweist, dass ein vermeintlich ausgelutschtes Genrekonzept überraschen kann – sofern man das Ganze mit einem doppelten Boden versieht. The Gift zählt definitiv zu den Filmen, über die man vorab nicht allzu viel wissen sollte, da sonst manch boshafte Drehbuchvolte wirkungslos verpufft.
Alles beginnt mit einer recht vertrauten Ausgangssituation: Nach einer Fehlgeburt zieht das Ehepaar Callum von Chicago nach Los Angeles in ein schmuckes Anwesen, das in den Hügeln der kalifornischen Metropole liegt. Simon (Jason Bateman) hat einen neuen, gut dotierten Job gefunden. Und seine Ehefrau Robyn (Rebecca Hall) ist bemüht, den Schmerz über den Verlust des Kindes hinter sich zu lassen. Eines Tages treffen die beiden beim Einkaufen auf Simons alten Schulkameraden Gordon (Joel Edgerton), der die Callums in ein unverbindliches Gespräch verwickelt, das mit den üblichen Floskeln endet. Kurz darauf steht allerdings ein Geschenk vor ihrer Haustür. Und irgendwann erhält Robyn einen unangekündigten Besuch von Gordon, der augenscheinlich die Nähe des Paares sucht. Da den früheren Bekannten auch ein gezwungen wirkendes Abendessen nicht von neuen freundschaftlichen Gesten abhält, stellt Simon schon bald klar, dass er und seine Frau keinen weiteren Kontakt wünschen.

Erst kürzlich bestätigte das Jennifer-Lopez-Vehikel The Boy Next Door alle Vorbehalte, die man gegen das vor allem in den 1990er Jahren sehr populäre Genre des Stalking-Thrillers hegen kann. Flache Figuren, billige Psychologisierungen, ein jederzeit vorhersehbarer Handlungsverlauf und ein lachhaft überkandidelter Showdown machten den von Rob Cohen verantworteten Reißer zu einem hoffnungslosen Fall. Edgerton hingegen wiegt den Zuschauer zunächst in Sicherheit, haut ihm dann allerdings die eigene Erwartungshaltung um die Ohren. Gordon, den Simon wie zu Schulzeiten abfällig „Gordo the Weirdo“ – also „Gordo, den Spinner“ – nennt, ist sicherlich ein seltsamer Zeitgenosse. Eine handfeste Bedrohung geht von ihm aber lange Zeit nicht aus, da er erstaunlich kontrolliert auftritt. Statt die üblichen Gewaltexzesse zu entfesseln, konzentriert sich The Gift in erster Linie auf das Verhältnis der Protagonisten und die Verunsicherung, die von den Callums schleichend, aber unaufhörlich Besitz ergreift.

Hat sich die alte Bekanntschaft einmal im Leben des Paares eingenistet, brechen frühere Ängste und ungekannte Zweifel hervor, die den Film zwischenzeitlich in ein handfestes Ehedrama verwandeln. So manche Äußerung bzw. bestimmte Verhaltensweisen erscheinen plötzlich in gänzlich anderem Licht. Und die anfangs klar verteilten Sympathien werden noch einmal kräftig durchgeschüttelt. Ganz nebenbei wirft der Debütregisseur auch einen kritischen Blick auf die kapitalistische Ellenbogengesellschaft, in der leider viel zu oft jedes Mittel recht ist, um sich gegen andere Menschen durchzusetzen.

Erfreulich souverän ist der Umgang mit genreüblichen Mustern, die Edgerton durchaus bedient, gleichzeitig aber auch gewitzt abwandelt. Etwa im Fall des Haustiers, das wie so oft verschwindet, hier jedoch nicht sein Leben lassen muss, sondern irgendwann unerwartet wieder auftaucht. Hat Gordon den Hund entführt? Oder ist er in der neuen Umgebung einfach nur weggelaufen? Fragen, die der Film an sein Publikum weiterreicht, ohne sie eindeutig zu beantworten. Effektiv sind auch die spärlichen, dafür aber gut gesetzten Schockmomente, mit denen die untergründig brodelnde Atmosphäre angereichert wird.

Überschlagen sich im letzten Drittel schließlich die Ereignisse, nimmt The Gift deutlicher Kurs auf bekanntes Thriller-Terrain, bewahrt sich dabei allerdings im entscheidenden Moment seine Ambivalenz. Anders als im Genre-Meilenstein Eine verhängnisvolle Affäre und dessen Nachahmungen – so viel sei schon verraten – wird die Ordnung hier am Ende nicht wiederhergestellt. Im Gegenteil: Alles, was bleibt, ist pure Verzweiflung und anhaltendes Staunen seitens des Zuschauers über dieses geschickt konstruierte und souverän inszenierte Regiedebüt. Bitte mehr davon, Herr Edgerton!

The Gift

Wenn Schauspieler auf dem Regiestuhl Platz nehmen und sich noch dazu selbst inszenieren, ist durchaus Vorsicht geboten. Denn häufig ersetzen Eitelkeit und Profilierungssucht künstlerische Weitsicht und handwerkliches Geschick. Umso erfreulicher sind die Beispiele, die alle Zweifel im Keim ersticken. So wie das Spielfilmdebüt von Hollywood-Darsteller Joel Edgerton, das der Australier selbst verfasste.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen