Taxi Teheran

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz

Mit vollem Risiko: Passagen zwischen Realität und Fiktion

Fiktion oder Dokumentarfilm? Diese Frage schwebt über Jafar Panahis neuem Film Taxi Teheran. Panahi ist einer jener Filmemacher, denen die Berlinale seit vielen Jahren die Treue hält — und er erweist sich auch mit seinem neuen, unter schwierigsten Umständen gedrehten Film als einer der Garanten, deren Ansatz und Stilistik sowie deren unbedingten Willen zum Filmemachen Hoffnung macht für die Zukunft des Kinos.
In seiner Heimat Iran ist Panahi mit einem Berufsverbot belegt, das ihm das Drehen von Filmen verbietet, doch wie er selbst im Presseheft zu seinem Film bekennt: „Ich bin Filmemacher. Ich kann nichts anderes als Filme machen. Mit Kino drücke ich mich aus, es ist mein Leben. Nichts kann mich am Filmemachen hindern. Denn wenn ich in die äußerste Ecke gedrängt werde, ziehe ich mich in mein Innerstes zurück. Und trotz aller Einschränkungen wird in dieser inneren Abgeschlossenheit die Notwendigkeit, etwas zu erschaffen, zu einem immer größeren Trieb. Kino als Kunstform wird zu meinem Hauptanliegen. Ich muss unter allen Umständen weiter Filme machen, um der Kunst Respekt zu erweisen und mich lebendig zu fühlen.“

Und genau diese Lebendigkeit fängt er mit einem hybriden Konzept zwischen anscheinend spontanen Begegnungen und einer Botschaft, zu deren Verdeutlichung sich Panahi eindeutig gescripteter Szenen bedient. Doch auch diese stehen stets im Dienst einer Reflektion des Zustandes der iranischen Gesellschaft und Panahis eigener Position in seinem Land und als Filmemacher. Eine Absicht, für die sich die gewählte dokumentarische Form als ideales Vehikel erweist.

Die Prämisse und die künstlerischen Mittel sind denkbar einfach: Der Regisseur Jafar Panahi selbst fährt in einem Taxi durch Teheran (was man mit Sicherheit als Statement auf sein Berufsverbot verstehen muss) und filmt mittels einer drehbaren Dashcam auf dem Armaturenbrett das Geschehen auf der Straße und die Gespräche mit seinen Passagieren: Da ist etwa ein Raubkopierer, der Hollywood-Filme und Arthouse-Kost unters zahlende Volk bringt (die offizielle Aufführung dieser Filme ist verboten) und der sich erdreistet, den Regisseur, den er selbstverständlich erkannt hat, als seinen Komplizen auszugeben. Oder ein Unfallopfer, das blutend auf der Rücksitzbank liegt und den Fahrgästen ein Testament ins Handy diktiert, damit seine Frau im Falle seines Ablebens nicht mittellos da steht. Außerdem noch zwei ältere Damen, die Goldfische zu einer Quelle bringen wollen, in der sie die Tiere einst fingen, um ein längeres Leben zu erwirken. Schließlich kommt noch Panahis etwas vorlaute Nichte hinzu, die in der Schule gerade einen Film drehen muss und die dem Onkel (als wüsste das niemand besser als er) die Regeln der iranischen Filmzensur vorträgt, die sie fein säuberlich in ihr Schulheft geschrieben hat. Außerdem ein ehemaliger Nachbar mit einem ernsthaften Anliegen und Panahis ehemalige Anwältin, der nun wie ihrem einstigen Klienten ein Berufsverbot droht. Ganz ganz am Schluss noch zwei Diebe, die versuchen, die Kamera und damit den Film zu stehlen…

Ganze 82 Minuten lang ist Taxi Teheran geraten — und doch ist der Film trotz seiner Kürze und den einfachsten technischen Mitteln, mit denen er hergestellt wurde, ein vibrierendes, heiteres, zutiefst ernstes und unglaublich vielschichtiges Porträt einer Gesellschaft und der schwierigen Position von Filmemachern und anderen Künstlern innerhalb eines Landes, das von rigiden Regeln beherrscht wird. Beinahe schon sollte man dazu übergehen, diesen Film angehenden Regisseuren als Lehrmaterial zur Verfügung zu stellen, um eines zu verdeutlichen: Es sind nicht die finanziellen oder die gesellschaftlichen Umstände, die einen guten Film ausmachen, sondern vor allem eine Haltung.

(Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz)

Taxi Teheran

Fiktion oder Dokumentarfilm? Diese Frage schwebt über Jafar Panahis neuem Film „Taxi Teheran“. Panahi ist einer jener Filmemacher, denen die Berlinale seit vielen Jahren die Treue hält — und er erweist sich auch mit seinem neuen, unter schwierigsten Umständen gedrehten Film als einer der Garanten, deren Ansatz und Stilistik sowie deren unbedingten Willen zum Filmemachen Hoffnung macht für die Zukunft des Kinos.
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Meinungen

Norbert Weber · 24.07.2015

Ich finde die Synchronisation ebenfalls ziemlich grauslich. Könnt ihr nicht ein oder zwei Vorstellungen OmU spielen? Das wäre großartig!

MGM Vogt · 23.07.2015

mit einfacher Überlegung kann man den politischen guten Willen und die iranische Tagesaktualität erkennen, aber ...
absolut ärgerlich ist die simple Synchronisation, die dämlichen deutschen Stimmen und die naseweise Kinderstimme der Nichte. Unbedingt OmU ansehen, die deutsche Variante ist indiskutabel.