Seit die Welt Welt ist

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Am Rande von Europa

Seit Jahren steckt Spanien in der Krise – die Wirtschaft erholt sich nur schleppend von der internationalen Finanzkrise, die Arbeitslosenquote des Landes ist eine der höchsten in Europa. Nun hat Günter Schwaiger einen Film gemacht, der genau diese Krise dokumentiert – und zwar im Kleinen, Privaten, Persönlichen. Die Krise wird erfahrbar gemacht und zeigt besser als alle Zahlen und Statistiken, wie man dabei lebt und überlebt.
Im Zentrum des Films steht Gonzalo, ein Bauer aus einem kleinen Dorf in Nordkastilien, mit seiner Familie. Der Film portraitiert ihre Geschichte und ihr Alltagsleben und zeichnet gleichzeitig das Bild eines Dorfes, einer Gegend, eines Landes – alle am Rande der jeweiligen Welten, in denen sich das Große abspielt. Die Menschen, die Schwaiger in den Fokus nimmt, sind die kleinen Menschen: Sie arbeiten viel, geben ihr Bestes und wollen für ihre Mitmenschen das Beste, haben aber einfach Pech gehabt, weil sie zur falschen Zeit das falsche Grundstück gekauft haben oder mit der Schule fertig wurden, als die Arbeitslosigkeit im Land am höchsten war. Und natürlich machen sie trotzdem weiter, suchen ihr Glück im Kleinen, in der Handarbeit oder auf einem kleinen Stück Weinberg.

So trostlos die Geschichten bisweilen sind, die Gonzalo und seine Söhne Luis, Rodrigo und Guillermo oder auch die anderen Dorfbewohner erzählen, sie ergeben dennoch kein negatives Bild voller unglücklicher Menschen. Sie scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass sie ein Leben mit wenig Geld und fernab des großen Treibens der Welt führen. Manches finden sie schade – aber: Es ist halt so. Trotzdem glorifiziert oder beschönigt Seit die Welt Welt ist nichts. Der Film zeigt schonungslos, wie die Familien kämpfen und mit wenig zurechtkommen müssen, und dass das nicht immer einfach ist. Dabei bleibt Schwaiger recht nah an seinen Figuren und filmt vor allem ganz alltägliche Szenen: das Schlachten von Tieren, das Backen von Brot, Blutdruckmessen und Dünger spritzen.

Die Menschen befinden sich zwischen Tradition und Aktualität. Sie versuchen, die Arbeit ihrer Väter aufzunehmen und weiterzuführen, den Alltag im Dorf am Leben zu halten, müssen (und wollen) sie sich dann aber doch den Realitäten der Gegenwart stellen: Die Dörfer verwaisen nach und nach, die Arbeit als Kleinbauer lohnt sich nicht mehr angesichts der Großbauern und der Lebensmittelindustrie, die Banken reißen alles an sich. Seit die Welt Welt ist ist damit auch ein Film über die Auswirkungen der Globalisierung auf das Leben auf dem Land. Aber der Film klagt nicht an, sondern dokumentiert lediglich den Status quo und macht deutlich, dass die Tradition der Selbstversorgung nicht das Schlechteste ist, um in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheiten zu überleben. Darüber hinaus offenbart er immer wieder die klaren Gedanken und ein weises Weltbild, über welche die portraitierten Menschen verfügen und die in den langen Einstellungen und klaren Bildern ihr filmisches Pendant finden.

Ganz nebenbei macht der Film ein weiteres Kapitel spanischer Geschichte auf und zeigt, wie Gonzalo zusammen mit anderen Bürgern die Exhumierung von Bürgerkriegsopfern, darunter sein Onkel, vorantreibt. Die Bergung der Toten meist aus Massengräbern ist ein gerade für die Opfer unheimlich wichtiger Teil der jüngsten spanischen Geschichte, der gerne immer wieder vergessen wird, wenn man über die erfolgreiche Transition Spaniens vom Regime Francos in die Demokratie spricht. Auch hier wird am Beispiel einer Familie deutlich, was viele Familien in Spanien erleben mussten oder noch erleben: die Erleichterung, endlich Klarheit über den Tod einer geliebten Person zu haben.

Seit die Welt Welt ist zeichnet das Portrait eines anderen, eher unbekannten Spanien, das sich gewiss auch auf die anderen Randlagen Europas übertragen lässt. Trotz all der Krisen, die er zeigt, macht der Film Mut, dass die natürlichen, einfachen Dinge und die überlieferten Lebensweisheiten immer noch ihren Platz in der Welt haben und diesen auch bewahren müssen.

Seit die Welt Welt ist

Seit Jahren steckt Spanien in der Krise – die Wirtschaft erholt sich nur schleppend von der internationalen Finanzkrise, die Arbeitslosenquote des Landes ist eine der höchsten in Europa. Nun hat Günter Schwaiger einen Film gemacht, der genau diese Krise dokumentiert – und zwar im Kleinen, Privaten, Persönlichen. Die Krise wird erfahrbar gemacht und zeigt besser als alle Zahlen und Statistiken, wie man dabei lebt und überlebt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen