Schrotten!

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Humor ist, wenn es trotzdem kracht

„Fernsehredakteure haben eine einmalige Begabung: Sie können Spreu von Weizen trennen. Und die Spreu senden sie dann.“ Zu sehen, nein, kaum zu ertragen, an beinahe jedem Freitagabend im Rahmen vieler Degeto-Produktionen der ARD. Erst recht in sehr problematischer Ausführung, wenn sie sich an der Königsdisziplin des Filmemachens versuchen: der Darstellung von Humor auf der Leinwand.
Es müssen ja nicht immer gleich die höchsten Ansprüche sein: Lubitsch, Ophüls oder Loriot. Doch in vielen Fällen ist das dort präsentierte, in der Regel gebührenfinanzierte „Betont-lustig-sein-Wollen“ nichts anderes als das blanke Grauen, auch wenn gerade kein Max Schreck als Nosferatu durch den Türstock steigt.

Durchaus anders, viel weniger gewollt, ist dies in Max Zähles Langfilmdebüt Schrotten! zu erleben: Einem der Filme des Filmfestivals Max Ophüls Preis 2016, der von Publikum wie Kritik am meisten erwartet wie besucht wurde. Mit lohnendem Ausgang für das Autorengespann Johanna Pfaff und Oliver Keidel, die zusammen mit Zähle – dem Studenten-Oscar-Gewinner für Raju (2011) – das Drehbuch zu Schrotten! geschrieben hatten. Schließlich konnte dieser ungewöhnlich komödiantische Film aus der Schmiede von Sabine Holtgreve (NDR) und Jörg Himstedt (HR) den begehrten Publikumspreis beim bedeutendsten Nachwuchsfilmfestival in Deutschland abstauben.

Woran liegt das? Sicherlich nicht an der mehrheitlich flauen Story um ein ungleiches Brüderpaar in den Untiefen der deutschen Provinz, die auf einem Schrottplatz arbeiten. Da schwant manchem Zuschauer gleich große Gefahr allgemeiner Gehirnunterforderung. Doch es gibt eine Besetzung, die aller Ehren wert ist: Einerseits Frederick Lau, Berliner Shootingstar der Stunde (Bornholmer Straße, Victoria), als gewohnt maulfauler, aber grundsympathischer Bruder Letscho Talhammer, andererseits Frauendarling Lucas Gregorowicz (Lammbock, Polizeiruf 110: Grenzgänger), der Letschos eher ungeliebtes Bruderherz Mirko süffisant und sehr geschleckt verkörpert. Ergänzt wird das Duo durch Lars Rudolph, der – wie eigentlich immer – in erster Linie grenzdebil-wortkarg Lars Rudolph („Das ist echt zu hart für mich“) spielt und diesmal – zur Abwechslung – mit Heiko Pinkowski (Heil, Alki Alki) „Rotwelsch-Scheiß“ spricht.

Ein wirklich gutes Schauspielerensemble hat Zähle für seinen ersten langen Spielfilm zusammengetrommelt. Und er nutzt es, wodurch die nicht immer runde Mixtur aus Sozialdrama und herb eingefärbter Hau-Drauf-Komödie mit Proleten-Witzen nach einer halben Stunde endlich mehr Fahrt aufnimmt. Nach dem Tod des „Vadders“ müssen jetzt die beiden Talhammer-Söhne ran und den ranzig-abgehalfterten Schrottplatz als Geschäftspartner führen: Kein schönes Erbe, aber ein ehrliches.

Um sich, ihren Betrieb und ihre Leute langfristig über Wasser zu halten, beschließen die beiden, die nicht nur Wortgefechte (Gregorowicz zu Lau: „Mein kleiner Bruder, der Vollblut-Schrotti!“) miteinander haben, schließlich den Zugwaggon ihres Widersachers (Jan-Gregor Kremp) zu überfallen.

Besonders Frederick Lau kann hier mit seiner Ernie-aus-der-Sesamstraße-Bomberjacke punkten, im Gegensatz zum insgesamt eher routiniert-müde agierenden Lucas Gregorowicz, der in den ersten Minuten als Versicherungshai noch alles daran setzt, seine ihm unliebsamen Familienwurzeln ein für alle Mal abzukappen: „Macht ihr mal euer Ding, ich mach’ meins.“

Im Kampf um das Kupfer des Provinzheinis und Oberbaulöwen Kercher, der zwischen lokalpolitischem und persönlichem Nutzen nicht allzu genaue Grenzen zieht, vollzieht Max Zähle daraufhin eine dramaturgische Wende, durchaus überraschend: Ab jetzt verwandelt sich Schrotten! in jeder Szene mehr von einer müden, anfangs wenig erheiternden Lokal-Provinz-Posse hin zu einer mitunter flotten Western-Komödie, die sich auch nicht scheut, Sergio Leone offen zu zitieren. Das kann man jetzt lustig oder mühselig finden, wie auch das Gesamtprodukt, doch im Gegensatz zur apokalyptisch unlustigen Zwangsroutine vieler deutscher Kinofilmproduktionen ist Schrotten! keinesfalls schrottreif.

Schrotten!

„Fernsehredakteure haben eine einmalige Begabung: Sie können Spreu von Weizen trennen. Und die Spreu senden sie dann.“ Zu sehen, nein, kaum zu ertragen, an beinahe jedem Freitagabend im Rahmen vieler Degeto-Produktionen der ARD. Erst recht in sehr problematischer Ausführung, wenn sie sich an der Königsdisziplin des Filmemachens versuchen: der Darstellung von Humor auf der Leinwand.
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Meinungen

Sebastian Zähle · 12.05.2016

Ein ganz toller Film mit ganz viel Herz!!!