Schande

Beklemmende Parabel auf ein zerrissenes Land

David Lurie (John Malkovich) ist ein Mann mit vielen Gesichtern: Zum einen ganz der feinsinnige und sensible Literaturprofessor und Repräsentant der früheren weißen Elite Südafrikas. Zum anderen ein triebhafter Verführer, der seine Machtposition an der Universität ausnutzt, um die ein oder andere Studentin ins Bett zu bekommen. Ein kluger und eloquenter Intellektueller, der aber auch aus seiner Arroganz und Selbstverliebtheit keinen Hehl macht. Er weiß genau, wer er ist, kennt sich en detail, akzeptiert auch seine dunklen Seiten.
Diesmal allerdings scheint Lurie zu weit gegangen zu sein. Denn als seine Affäre mit der Studentin Melanie ans grelle Tageslicht kommt, wird er schnell zur Zielscheibe, muss diverse Anfeindungen, aber auch Drohungen über sich ergehen lassen. Zum einen seitens der Studentenschaft, zum anderen über eine eiligst an der Universität einberufene Untersuchungskommission. Hochmütig verweigert sich Lurie (zunächst) irgendwelchen ernst gemeinten Entschuldigungen und zieht die Entfernung aus seinem Amt den Demütigungen der Anklage vor. Schnell entschließt sich Lurie daraufhin, aus der Stadt zu entschwinden und seine Tochter Lucy (Jessica Haines) auf dem Land zu besuchen, die dort, völlig abgelegen und alleine mit ihren Hunden lebend, eine kleine Farm betreibt. Doch dann geschieht ein Verbrechen: eines Tages werden Lucy und ihr Vater von drei Farbigen überfallen. Während er, mit Benzin übergossen, in die Toilette des Hauses eingeschlossen wird, trifft Lucy ein noch schlimmeres Los: sie wird brutal vergewaltigt. Doch auch wenn der Schock über dieses Geschehnis bei Beiden sehr groß ist: mysteriöserweise (und sehr zum Unverständnis ihres Vaters David) weigert sich Lucy, den Überfall bzw. die Vergewaltigung bei der Polizei anzuzeigen. Ganz im Gegenteil: Zug um Zug scheint sich Lucy immer mehr in sich zurück zu ziehen und vor den rauen Gegebenheiten zu resignieren. Was ist passiert?

Mit scharfer und präziser Prosa beschrieb J.M. Coetzee in seinem mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman Schande seine Heimat Südafrika, die auch nach dem Ende des Apartheid-Regimes nicht zur Ruhe kommt. Jahrzehntelange Ausbeutung und Unterdrückung, Armut, Hass und allgegenwärtige Gewalt prägen nach wie vor das Land und schreiben sich auch in den Beziehungen der Menschen weiter. Die verschiedenen Positionen und Kontrahenten in diesem andauernden Kampf hat Coetzee in seiner Figurenkonstellation sehr plastisch beschrieben.

Der aus Australien stammende Regisseur Steve Jacobs hat nun diese Atmosphäre des Romans auf beängstigende und beeindruckende Weise in Bilder gegossen, die die Stimmung der literarischen Vorlage meisterlich auf die große Leinwand übertragen. Dies ist umso erstaunlicher, da Schande / Disgrace nach La Spagnola (2000) erst Jacobs zweiter Film als Regisseur ist. Entstanden ist ein sowohl in intellektueller als auch visueller Hinsicht ausgesprochen bemerkenswerter Film – der aber, und das ist die Kehrseite, auch ausweglos düster und sarkastisch daherkommt. Schande ist dabei der absolut passende Titel; ein Film, der sich nicht davor scheut, drastische Szenen zu zeigen, wenn es darum geht, den Überlebenskampf im heutigen Südafrika zu dokumentieren. Es geht hier kaum mehr um Verständnis oder Kompromisse zwischen Menschen aus Fleisch und Blut, es geht, wenn auch oftmals nur latent im Hintergrund angedeutet, um Grenzüberschreitungen (und Gewalt), wie sie unbestraft, so glaubt man eigentlich, nicht vorkommen dürften, aber dennoch immer wieder genau so passieren. Insofern ist dies auch ein archaischer Film, der an Urängste appelliert, der aber auch den Urtrieben ungewohnten Raum lässt. Schande ist herb, niederschmetternd und schlichtweg großartig.

(Michael Spiegel)

Schande

David Lurie (John Malkovich) ist ein Mann mit vielen Gesichtern: Zum einen ganz der feinsinnige und sensible Literaturprofessor und Repräsentant der früheren weißen Elite Südafrikas. Zum anderen ein triebhafter Verführer, der seine Machtposition an der Universität ausnutzt, um die ein oder andere Studentin ins Bett zu bekommen.
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