Sand Dollars (2014)

Eine Filmkritik von Thorsten Hanisch

Geld vs. Liebe

Bei einem Sand Dollar handelt es sich um ein Lebewesen, das der Klasse der Seeigel zugehörig ist. Der Sand Dollar lebt an flachen Sandküsten und ernährt sich von feinen organischen Partikeln, die an der Oberfläche der Sandkörner kleben. Einige Arten lassen sich von der Bewegung der Gezeiten mittragen und vergraben sich vorübergehend im Sand, wo sie die Zeit der Ebbe problemlos hinter sich bringen können.

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Der Sand Dollar in diesem Film ist das 20-jährige Mädchen Noeli, die an den Postkartenstränden der Dominikanischen Republik Sextouristen die Illusion von der Liebe verkauft und damit auch ihren arbeitslosen Freund Yeremi durchs Leben bringt. Doch mit Anne, einer stilvollen europäischen Dame in den allerallerbesten Jahren scheint das Spiel zumindest leicht anders zu verlaufen. Die beiden sind seit drei Jahren ein Paar, Anne ist bis zur Haarspitze in Noeli verliebt und Noeli ist anscheinend nicht nur wegen des Geldes mit ihr zusammen. Als Anne ihr ein Visum besorgt, scheint sich der lang gehegte Traum des Mädchens zu erfüllen: Endlich weg von hier! Was allerdings tun mit dem Freund? Und was wird aus der Beziehung zu Anne?

Sand Dollars erinnert stark an Paradies: Liebe von Ulrich Seidel, schlägt allerdings weitaus subtilere Töne an als der umstrittene Österreicher. Die beiden Regisseure Israel Cárdenas und Laura Amelia Guzmán verzichten völlig auf einen missionarischen Gestus, bauen keine steilen Kontraste auf, hier arm, dort reich, da Opfer, dort Täter, vielmehr verengt Sand Dollars den Radius nahezu völlig auf die (Gefühls-)Welt seiner Protagonisten und erzählt im ganz Kleinen vom Großen.

Auf der einen Seite ist Anne (toll und absolut furchtlos gespielt von der genialen Geraldine Chaplin), die keinerlei Neigung zu dem typisch kolonialistischen Gebaren (wie es gerade in Seidls Film ausgestellt wird) zeigt: Anne ist eine verlorene Seele, deren unendlich sehnsuchtsvollen, traurigen Augen von einem Leben erzählen, das auch der Wohlstand alles andere als glücklich gemacht hat – das Drehbuch gibt sich in Bezug auf Hintergründe sparsam. Viel ist aber auch nicht nötig, diese Augen erzählen alles. Noeli ist für Anne die vermutlich letzte Hoffnung, in diesem Leben noch mal so etwas wie einen emotionalen Seelenfrieden zu erleben, gleichzeitig ist ihr aber auch jederzeit bewusst, dass diese Liebe zum Scheitern verurteilt ist. Dennoch: Ihr liegt Noeli ehrlich am Herzen, sie will sie glücklich machen und nicht domestizieren.

Auf der anderen Seite steht Noeli (furioses Debüt: Yanet Mojica), die ökonomischen Zwängen unterworfen ist, aber durchaus auch eine gewisse emotionale Zuneigung zu ihrer mindestens dreimal so alten Freundin hat. Sie ist arm, aber deswegen nicht ohne jede menschliche Regung und schon gar nicht ohne Würde. Sie weiß zwar, dass sie Anne mehr oder weniger in der Hand hat, sie kann aber, auch wenn sie es nicht schafft, es zu verbalisieren, ein gewisses Glück, eine Geborgenheit in ihrer Nähe nicht leugnen. Das liegt vielleicht auch daran, dass der antrieblose Yeremi (Ricardo Ariel Toribo), der anscheinend nur wenige Probleme damit hat, sich auf Kosten seiner Freundin die Taschen zu füllen, ihr Stabilität nicht bieten kann. Dieses Beziehungsdreieck löst der Film – auch angesichts der ungeplanten Schwangerschaft Noelis – auf recht ambivalente, durchaus überraschende Weise auf, die aber zumindest eins deutlich macht: Noeli gehört zu der Art der Sand Dollars, die die Bewegung der Gezeiten mittragen und auch keine Probleme haben, sich vorübergehend im Sand zu vergraben, um die Zeit der Ebbe problemlos hinter sich zu bringen. Vielleicht ist das sogar die beste Art durchs Leben zu kommen. Wer weiß.
 

Sand Dollars (2014)

Bei einem „Sand Dollar“ handelt es sich um ein Lebewesen, das der Klasse der Seeigel zugehörig ist. Der „Sand Dollar“ lebt an flachen Sandküsten und ernährt sich von feinen organischen Partikeln, die an der Oberfläche der Sandkörner kleben. Einige Arten lassen sich von der Bewegung der Gezeiten mittragen und vergraben sich vorübergehend im Sand, wo sie die Zeit der Ebbe problemlos hinter sich bringen können.

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