Rückkehr nach Montauk (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Inga Lindström für Literaturwissenschaftler

Würde man einen lediglich oberflächlichen Blick auf die Handlung mancher Vertreter der Weltliteratur werfen, hätte man bereits Grundzüge für Sonntagabendfilme im ZDF: Zwei Jugendliche verlieben sich ineinander und werden von ihren Familien an einer Beziehung gehindert, eine verheiratete Frau verliebt sich in einen anderen Mann, ein Mann liebt seine Frau, findet jedoch keinen Zugang zu der musischen Seele seines Sohnes usw. Auch Max Frischs Montauk bietet in diesem Sinne Potential für ein großes Drama: Ein alternder Schriftsteller verbringt mit einer jungen amerikanischen Verlagsangestellten ein Wochenende in Montauk und erinnert sich an die Frauen in seinem Leben.

Klar, diese Zusammenfassung der Handlungslinie vernachlässigt sämtliche erzählperspektivischen und literarischen Reflexionen, aber eine Verfilmung eines Werks behandelt niemals alle Aspekte – und gerade die genuin literarischen Mittel finden meist nur schwer einen Weg auf die Leinwand. Volker Schlöndorff versucht nun in Rückkehr nach Montauk, Max Frischs Stoff sehr lose zu adaptieren, indem er ihn in die Gegenwart transponiert und die Perspektive verändert: der Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård) reist abermals mit Rebecca (Nina Hoss) nach Montauk, weil er einst mit ihr dort eine wunderbare Zeit verbracht hat und vermutet, sie sei die Liebe seines Lebens gewesen, die eine Chance auf Glück, der er verpasst hat.

Schon ohne den Bezug zu Max Frisch offenbart der Film insbesondere im Drehbuch einige Probleme: Max Zorn ist ein skandinavischer Schriftsteller, der in Berlin lebt und nun nach New York reist, um sein neues Buch vorzustellen, bei dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität nicht klar zu ziehen sind. Dabei hat ihn eine Nachdenklichkeit umfangen, die schon in den ersten Bildern deutlich wird: Stellan Skarsgård blickt direkt in die Kamera und berichtet von einem letzten Gespräch mit seinem Vater, in dem es um verpasste und verpatzte Chancen geht. Es gebe, so wird ausformuliert, nur zwei Dinge, die im Leben zählen: die Dinge, die wir bereuen, getan zu haben, und die Dinge, die wir bereuen, nicht getan zu haben. So oder so: es läuft auf Reue hinaus. Dann wird klar, dass er nicht von sich gesprochen hat, sondern eine kleine Lesung im Verlag gibt und das „Ich“ aus seinem Buch kommt.

Hieraus hätten weitere kleine Verwirrspiele um das „Ich“ in den Sätzen Max Zorns werden können, das wäre sogar ein Ansatz für die Verhandlung von Dichtung und Wahrheit gewesen. Stattdessen aber wird versucht, eine Liebesdreiecksgeschichte zu etablieren. In New York wartet nämlich Zorns Lebensgefährten Clara (Susanne Wolff) auf ihn, die anscheinend dort schon länger ist. Es stellt sich dann heraus, dass sie ein unbezahltes Praktikum bei Zorns Agentur gemacht hat, die Pressereise vorbereitet hat und wesentlich jünger sein soll. Beides muss aber über die Dialoge vermittelt werden, zu erkennen ist es in den Bildern nicht. Dafür gibt es aber Zorns Presseagentin Lindsey (Isi Laborde), die seine Termine koordiniert und ihm die Hose umnäht, vor allem aber eine Figur im Film ist, der Max Zorn aus seiner Vergangenheit erzählen kann, die seine gegenwärtige Beziehung mit Clara erklärt und die wörtlich darauf hinweist, dass sich Max egoistisch und rücksichtslos verhält. Denn eigentlich ist Max nach New York gekommen, um seine große Liebe Rebecca wiederzusehen, die aus Ostdeutschland kommt und nun eine extrem erfolgreiche Anwältin in New York ist. Rebeccas Verhältnis zu Max wiederum scheint klar, auch dafür gibt es ein Gespräch: Sie sagt zu einer Freundin, dass Max derjenige ist, über den sie niemals hinweggekommen sei. Es gebe vielleicht Menschen, die über das, was sie hatten, hinwegkämen, sie gehöre aber nicht dazu. Im letzten Drittel stellen sich dann allerdings einige Zweifel ein, da sie Max bei ihrer ‚Rückkehr nach Montauk‘ von einer anderen Liebesgeschichte mit einem anderen Mann erzählt, den sie nicht vergessen kann. Womöglich hatte sie also zwei große Lieben in ihren Leben – was schön wäre –, vielleicht aber wurde auch nur nach einer Möglichkeit gesucht, das Wiedersehen tragisch enden zu lassen – oder Rebecca sollte mehr Tiefe verliehen werden. Unabhängig davon hat dieses Geständnis keine Konsequenz, sondern mündet in einer konfusen Erklärung, warum einst die Beziehung zwischen Max und ihr zerbrach.

Damit gibt es eine weitere verpasste Chance: Diese ganze Episode hätte das Potential zu der klaren – und traurigen – Erkenntnis gehabt, dass die große Liebe nur in der Rückschau bestand, dass Max einer Illusion anhängt – und dass Großes oft an Banalem scheitert. Gefilmt in schönen Bildern, die immerhin zeigen, wie hübsch es in Long Island ist, vermittelt diese Episode in Montauk, die ja im Zentrum des Films steht, keine Emotionen. Da hilft auch die Musik von Max Richter nicht, da können auch Nina Hoss und Stellan Skarsgård nur wenig gegen die schablonenhaften Charaktere ausrichten. Wallendes Haar und treuherziger Blick reichen einfach nicht aus.

Aber Rückkehr nach Montauk will ja nicht nur ein Liebesfilm sein. Zwar wird Volker Schlöndorff im Presseheft mit den Worten zitiert, dass sein Film keine Verfilmung von Frischs Buch sei, sondern auf einem Originaldrehbuch von Colm Toíbin und ihm basiere. Aber die Bezüge sind offensichtlich, nicht nur in Namen und Aussehen der Hauptfigur. Es gibt sogar einen W. Bei Frisch schmerzhaft-zornige Erinnerung an einen alten Freund und Mäzen, wird Walter (Niels Arestrup) im Film zu einem reichen alten Mann, der Bilder von hohem Wert ausbleichen lässt, weil er es kann. Womöglich soll er ein weiterer Schatten der Vergangenheit sein, aber Anlass, das Verhältnis von Kunst und Geld zu verhandeln, bietet er nicht. Ohnehin sind politische Statements in diesen Film eher wahllos eingestreut: Es gibt ein paar Sätze zu den horrenden Mieten in New York, der schlechten Bezahlung im Kulturbetrieb, zu der Verteidigung von reichen Menschen und Bankern vor Gericht und zu Occupy Wall Street, die aber niemals in Beziehung gesetzt werden. Denn in diesem Film hat nichts miteinander zu tun: Politik, Literatur, Kunst, New York sind separierte Themen, noch nicht einmal das Leben, die Liebe und die Reue werden miteinander in Beziehung gesetzt, obwohl sie doch das Thema des Films sein sollten. Vielmehr ist Rückkehr nach Montauk ein Film, in dem Rebecca erst kritisiert, dass sie im College immer mit Männern ausgegangen ist, die dann nur von sich erzählt haben, und wenig später mit Max Essen geht – und er erzählt ausschließlich von sich. Aber alle Worte können nicht verhindern, dass man sich wünscht, man wäre nicht nach Montauk zurückgekehrt.

Rückkehr nach Montauk (2017)

Würde man einen lediglich oberflächlichen Blick auf die Handlung mancher Vertreter der Weltliteratur werfen, hätte man bereits Grundzüge für Sonntagabendfilme im ZDF: Zwei Jugendliche verlieben sich ineinander und werden von ihren Familien an einer Beziehung gehindert, eine verheiratete Frau verliebt sich in einen anderen Mann, ein Mann liebt seine Frau, findet jedoch keinen Zugang zu der musischen Seele seines Sohnes usw.

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Meinungen

Anja Maar · 13.05.2017

Die Kritik ist schlecht geschrieben (schon die Grammatikfehler fallen sehr unangenehm auf). Das langatmige und verschachtelte Zusammenfassen der Handlung scheint nicht die beste Wahl für die Rezension dieses Films gewesen zu sein. Ich werde mir den Film anschauen.

charlotta · 12.05.2017

Der Kritiker hier hat nicht einmal Ahnung davon, wie ein Film entsteht oder wie der Weg einer Filmentwicklung von statten geht. Alles nur lächerlichen Folgerungen, Trugschlüsse und Erwartungen sowie persönlichen Geschmack. Wen interessiert das? So kannibalisiert sich die Filmkritik selbst.

wignanek-hp · 08.05.2017

Es ist himmelschreiend ungerecht, den Film so negativ zu besprechen. Natürlich ist der Film NICHT politisch, will er auch gar nicht sein. Er zeigt der Versuch eines alternden Mannes, einen Fehler, den er glaubt in der Vergangenheit gemacht zu haben, wieder gut zu machen. Dem Zuschauer ist doch klar oder er ahnt es zumindest, dass Max Zorn einer Chimäre hinterher läuft. Er hat die Krise selbst heraufbeschworen, als er diese zurückliegende Liebe in seinem neuen Roman verarbeitet hat. Nun rennt er dem Bild seiner alten Geliebten hinterher. Der Film ist sehr lebensklug und zeigt eine schwache männliche Hauptfigur – von Stellan Skarsgard mit einer Portion Selbstironie aber auch Weltfremdheit ausgestattet – und gleich drei starke Frauenfiguren, die mitten im Leben stehen. Sie halten ihm klug den Spiegel vor ohne ihn zu verurteilen, Rebecca, die Geliebte von damals, seine Freundin und seine Assistentin. Die angeblich „politischen“ Einsprengsel spiegeln doch nur die Figur des Max Zorn, bestätigen seine Weltfremdheit und Egomanie.. Ein sehenswerter Film mit einem hervorragenden Ensemble, der berührt.