Parchim International

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Warten auf Herrn Pang

Warum kauft ein Investor aus China einen Provinzflughafen in Mecklenburg-Vorpommern? Dieser Frage geht der Dokumentarfilm Parchim International nach und zeigt dabei, dass die Uhren nicht nur in China etwas anders gehen.
„Chinese kauft Flughafen in Mecklenburg“ war in Parchim die Schlagzeile des Jahres 2008. Es war nicht das erste Mal, dass ausländische Investoren in ein Großprojekt im Osten Deutschlands investierten – aber es war das erste Mal, dass es sich um eine konkrete, fassbare Person handelte. Das machte die Dokumentarfilmer Stefan Eberlein und Manuel Fenn neugierig. Wer ist dieser Chinese und was hat er mit dem Flughafen in Parchim vor? Großes, sagt Jonathan Pang, und fängt mit glänzenden Augen an, von Transithallen, Hotels, Restaurants, vielleicht einem Casino auf dem Gelände zu erzählen. „In den nächsten Jahren könnten hier sehr viele Jobs entstehen, vielleicht eine Million, vielleicht zehn Millionen!“

Damit beginnt der Dokumentarfilm Parchim International. Über sieben Jahre haben Eberlein und Fenn das Projekt des Herrn Pang begleitet. Auf die vollmundigen Versprechen des Investors folgen – nicht ohne Humor – Bilder aus Parchim: Feldhasen hoppeln über die Rollbahn, ab und zu setzt eine kleine Maschine zur Landung an und hebt sofort wieder ab. „Touch and Go“ heißt das unter Piloten. Parchim ist dafür der ideale Übungsplatz, denn hier stört kein Passagierverkehr. Die Flughafenfeuerwehr vertreibt sich die Zeit, indem sie die Grünflächen mäht. Die Zeit vergeht hier langsam. Ein Bild dafür zieht sich durch den gesamten Film: Auf dem Dach des provisorischen Wellblechtowers ist eine alte Warnsignallampe angebracht. Sie quietscht bei jeder Umdrehung. Sie dreht sich langsam, sehr langsam, ihr Quietschen ersetzt das Ticken einer Uhr.

Überhaupt ist Zeit eines der zentralen Themen in diesem Film. Man sieht wie Herr Pang chinesische Investoren aufsucht, er spricht weiter in großen abstrakten Bildern davon, was er in Parchim alles vorhat, dazwischen liegt der Alltag auf dem Provinzflughafen. Mal schippen die Angestellten Schnee aus der Einfahrt, mal übt ein Fahrschulauto in sommerlichem Sonnenschein vor dem Terminal das Anhalten am Zebrastreifen. Die Jahreszeiten wechseln sich lose ab. Und immer quietscht die Warnsignallampe bei jeder Umdrehung. Zeit vergeht in Parchim unaufgeregt und gleichförmig. Und das Personal am Flughafen wartet auf Pang, als wäre er Godot. Keiner weiß, wann er kommt. Keiner ahnt, was genau er vorhat, alle hoffen, dass er einen Plan für den Flughafen in der Tasche hat.

Und noch immer fragt sich der Zuschauer, was treibt Herrn Pang eigentlich an? Was will der hier? Es ist der Hartnäckigkeit der beiden Filmemacher zu verdanken, dass aus Parchim International mehr als eine reine Feldstudie der Arbeiten am Flughafengelände wurde. Sie begleiten Herrn Pang bis in sein Heimatdorf in China. Er besucht seine Mutter, die in ärmlichen Verhältnissen lebt. Er steckt ihr Geld zu, sie sagt, sie habe doch noch so viel vom letzten Besuch übrig. Dann entdeckt Pang ein Bild seines Vaters und erzählt, wie er während eines Auftrags in Nigeria vom Tod des Vaters erfuhr. Er hätte zur Familie fliegen können, aber dann wäre sein Auftrag gefährdet gewesen. „So ist das in China, entweder man hat Familie oder man macht Geschäfte“, sagt er unter dicken Tränen und fällt schluchzend in den Schoß seiner Mutter. Die erzählt von der Ernte im Dorf und hat kein Wort von dem verstanden, was ihr Sohn gerade auf Englisch gesagt hat. Es ist die stärkste Szene des Films. Ein Schlüsselmoment, der viel über Herrn Pang erzählt. Godot wird hier sichtbar, das Warten belohnt.

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Warum kauft ein Investor aus China einen Provinzflughafen in Mecklenburg-Vorpommern? Dieser Frage geht der Dokumentarfilm „Parchim International“ nach und zeigt dabei, dass die Uhren nicht nur in China etwas anders gehen.
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