Once (2007)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das irische Wunder

Irland ist so etwas wie das Musterland der EU. Einst war die grüne Insel das Armenhaus der damals noch viel kleineren europäischen Gemeinschaft. Dann aber folgte Mitte der Neunziger der Aufschwung, der das Land an die Spitze des Pro-Kopf-Einkommens in Europa katapultierte. Nur in Luxemburg verdienen die Menschen durchschnittlich mehr. Das Filmland Irland allerdings hatte bislang wenig Anteil an diesem Aufschwung, außer Jim Sheridans Mein linker Fuß / My Left Foot (1989) und Alan Parkers The Commitments (1991) schaffte kaum ein Film von der Insel den Sprung auf den Kontinent oder gar über den Atlantik. Mit einem kleinen Film, dessen Herstellung die geradezu lächerlich geringe Summe von 180.000 Dollar kostete, kann sich dies nun schlagartig ändern, denn Once das Zeug dazu, nicht nur in seiner Heimat, sondern auch im Ausland das Publikum zu begeistern. Auf dem Festival von Sundance vor einem Jahr schaffte es John Carney bereits, mit seinem Film das Publikum zu begeistern – und prompt errang er den Publikumspreis des wohl wichtigsten Festivals für Independents. Und möglicherweise ist dies der zweite Teil eines irischen Märchens, welches dem ökonomischen Aufschwung den Aufstieg des irischen Films folgen lässt.

Die Geschichte, die der John Carney in seinem Film erzählt, ist denkbar einfach und sie könnte sich überall auf der Welt auf genau die gleiche Weise abspielen – es ist die alte Geschichte „boy meets girl“. Und konsquenterweise haben die beiden Menschen, die hier zusammentreffen, keinen Namen, sie sind Mr. und Mrs. Nobody: Ein Straßenmusiker (Glen Hansard; der Abspann führt ihn lediglich als „guy“ ) singt sich in der Fußgängerzone die Seele aus dem Leib, die meisten Passanten gehen achtlos an ihm vorbei. Doch der Musiker singt unermüdlich weiter gegen die ignorante Masse an. Später am Abend gesellt sich eine junge Frau dazu, eine junge Emigrantin aus Tschechien (Markéta Irglová), die wie er auf der Straße ihr Geld verdient, indem sie Blumen verkauft. Sie versteht die Songs des Musikers auf Anhieb, kann nachempfinden, welche Emotionen und Erlebnisse – die Trennung von seiner Freundin – ihn dazu veranlasst haben. Und sie findet sich selbst darin wieder. Am nächsten Tag begegnen sie sich wieder, und der Musiker erfährt, dass auch sie ein Instrument spielt. Doch ein Klavier, das kann sie sich nicht leisten. Gemeinsam suchen die beiden ein Musikgeschäft aus, wo sich die junge Frau ans Piano setzt und loslegt – ihr Partner ist verblüfft ob ihres gewaltigen Talents. Es ist der Beginn einer kurzen, aber sehr intensiven Liebesgeschichte, in der der Musik eine zentrale Rolle zufällt – sie ist das Band, das die beiden Liebenden zusammenführt…

Es ist schon merkwürdig und erfreulich, welche verschlungenen Wege ans Licht Filme ab und an nehmen können. Regisseur John Carney kennt die Musikbranche und seinen Hauptdarsteller Glen Hansard aufs Genaueste, schließlich spielten die beiden lange Jahre zusammen in der Band „The Frames“. Als Carney über lange Zeit seine Idee zu einem zeitgemäßen Musical entwickelte, dachte er ursprünglich nicht im Traum daran, seinen Bandkollegen für die Hauptrollen in Betracht zu ziehen, stattdessen sollte Cilian Murphy den Musiker spielen. Hansard kam ursprünglich der Part zu, die Songs zu dem Film zu komponieren, bis John Carney schlagartig klar wurde, dass sein Bandkollege geradezu prädestiniert für die Hauptrolle war. Und es spielte dabei fast keine Rolle, dass Hansard bereits über schauspielerische Erfahrung verfügte, er hatte bei Alan Parkers Film The Commitments mitgewirkt. Ein Glücksfall für die Produktion – ebenso wie die Entdeckung der blutjungen Markéta Irglová, die bereits vor Hansard als weibliche Hauptrolle feststand.

Das Musical, das keines ist, vollbringt das Kunststück, die Songs wie selbstverständlich in den Handlungsablauf einzupassen, so dass hier nichts zu spüren ist vom Nummernrevue-Charakter herkömmlicher Musicals. Und zugleich präsentiert Once keine abgehobene Kunstwelt, sondern widmet sich den Drop-outs, den Verlierern des irischen Wirtschaftswunders, so dass dieser Film Kunst und Realität auf beeindruckende und gänzlich unprätentiöse Weise miteinander verknüpft. Der große Pluspunkt dieses Films ist gerade seine vermeintlich kleine Form, die der Geschichte Flügel verleiht und aus ihr etwas ganz besonderes macht. Ehrlich gesagt merkt man es den beiden Hauptdarstellern Glen Hansard und Markéta Irglová schon in manchen Momenten an, dass sie über wenig (wie im Falle des Sängers) oder gar keine schauspielerische Erfahrung verfügen. Wirklich (selbst-)sicher, befreit, souverän wirken sie nur, wenn sie das machen, was auch das Leben der beiden Figuren im Film beherrscht – Musik. Doch genau das wirkt keineswegs peinlich, sondern entspricht genau dem, was die Geschichte erzählt. Wahres Leben und Geschichte, Inszenierung und Wirklichkeit, sie alle durchmischen sich, gehen fließend ineinander über und ergeben eine Unmittelbarkeit, wie man sie nur selten im Kino antrifft. Dieses Gefühl der Nähe wird durch die kongeniale Kameraarbeit bestens unterstützt, die häufig etwas wackelnd und mit unverkennbarem Video-Look beinahe dokumentarisch die beiden durch die Geschichte begleitet und den Eindruck verstärkt, es handele sich bei Once nicht um eine erfundene, sondern um eine gefundene Geschichte, um eine Story, die zufällig aus einer Reportage über Straßenmusiker und das Straßenleben entstanden wäre. Der Film findet übrigens auch in der Realität seine Fortsetzung, denn Glen Hansard spielte sein Solo-Album „The Swell Season“ mit Markéta Irglová ein – die Musik verbindet eben nicht nur die beiden Charaktere in diesem wundervollen Musikfilm, sondern auch die Menschen dahinter. Und genau das ist in jeder Sekunde, in jeder Einstellung und jeder einzelnen Note deutlich zu spüren. Grandios!
 

Once (2007)

Irland ist so etwas wie das Musterland der EU. Einst war die grüne Insel das Armenhaus der damals noch viel kleineren europäischen Gemeinschaft. Dann aber folgte Mitte der Neunziger der Aufschwung, der das Land an die Spitze des Pro-Kopf-Einkommens in Europa katapultierte.

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Meinungen

Rumpelwald · 14.05.2010

Ein Film... ein Film wie ein Wunder.
Zu SprachLOS und mehr zu sagen... zu sprachlos!
Rumpelwald

Antje · 08.08.2008

Ich bin bis oben hin voll von dieser Musik. Und die Szenen mit mittellosen Menschen, die singen und Musik machen... das waren hier die alten Zeiten, nich?
Der Film schmerzt und das ist auch gut so.

Gast · 17.06.2008

Der Film war wunderschön - traumhafte Musik. Sympathische und authentische Schauspieler. Nicht nur für Musiker ein wirklich sehenswerter Film.

· 17.06.2008

Ein netter Nachmittags-Film, ohne viel Action oder überraschende Handlungen. Und die Musik fand ich einfach wunderschön. :)

· 29.05.2008

Mit hohen Erwartungen in den Film gegangen und etwas gedämpft, dann wieder hinausgegangen. Also "Once" blieb hinter meinen Erwartungen zurück, doch auch ohne obere Wertungen ist er allemal sehenswert. Vielleicht für Irland-Fans oder Leute, die halt diese Musik mögen. Begeistert war ich von Marketa Irglova. 19 Jahre jung sang sie Glen Hansard einfach mal so an die Wand. Dieser , gut 18 Jahre Ältere ließ ihr aber wenig Raum. Auch wenn er in den hohen Tönen einfach nur noch schreit, er singt die Lead-Stimme. Schade, schade, schade. Beide sind privat wie im Film ein Paar und ich wünsche ihr öfter mal das Rampenlicht, denn sie ist extrem begabt. Also, bitte eine eigene Meinung bilden. Es lohnt. Auch wenn die Erwartungen dann doch nicht zur Gänze erfüllt werden. Und Marketa Irglova merken.

Wolfgang · 27.02.2008

Der Film ist fast wie ein Dokumentarfilm, und mit viel Musik. Es hilft, das zu wissen - und sich darauf einzulassen. Dann erlebt man richtige Menschen in einem richtigen Leben (das schon irgendwie anders ist als unser "normales"). Die Stimme von Glen kann man mögen oder nicht, es bleiben jedoch viele schöne Songs, die man auch Tage danach noch im Kopf hat. Die Keinohrhasen hatte ich schon am nächsten Tag wieder vergessen.

wolf · 24.02.2008

Man war ich froh, als der Film zu Ende war. Noch einmal hätte ich die Musik nicht ertragen. Ich hatte den Eindruck es wird ständig das gleiche Lied gespielt (viel schlimmer: gesungen!). Seine Stimmer - besonders wenn er versucht hat die hohehn Töne zu erreichen - näherte sich immer mehr der Schmerzgrenze.
Als Musikfilm war er nur mäßig,
als Liebesfilm annrührend und so kurz, das man sich später fragt, was eigentlich passiert ist. Nichts.

· 18.02.2008

Okay, der Film tut keinem weh, aber er erfüllt allerhöchstens die Kriterien eines netten, langandauernden Musikvideos. Die Musik ist gefällig und gut hörbar, die Hauptdarsteller wirklich sympathisch, aber von einer stringenten Story kann wirklich keine Rede sein. Es wird leider absolut kein Klischee ausgelassen, da hat der Drehbuchautor ganz schön tief in der dazu gehörigen Kiste gekramt...

Micha · 09.02.2008

Ein sehr schöner emotionaler Film, der durch seine Musik und die Eindringlichkeit
der Bilder dazu besticht.
Sicher kein Film für Aktion-Fans , wir fanden ihn aber toll.

Johannes · 31.01.2008

Ich interessiere mich für alle Filme die irgendwas mit Irland zu tun haben. Auch hier bin ich auf meine Kosten gekommen, auch wenn man nichts von Irland sieht, aber die irische Gesellschaft bzw. die große Spanne zwischen reich und arm wird sehr deutlich. Der Film ist echt klasse und ich hoffe es gibt bald eine Filmmusik im Angebot. Schade, dass das Ende so abruppt ist. Da bleibt genug Stoff / Fragen für eine Fortsetzung.
Wer musikalisch nen Geschmack für David Gray und Cat Stevens aka Yusuf Islam ist mit dem Film bestimmt genauso zufrieden wie ich...
LG,
Johannes

Dirk · 27.01.2008

Weltklasse!
und alle anderen haben keine Ahnung!

hefrede · 23.01.2008

Einer,wenn nicht gar der beste Musikfilm der letzten Jahre: dichte Atmosphäre, Verschmelzung von Bild und Musik, überzeugende Darsteller, authentische Drehorte...

Jogi · 21.01.2008

Habe den Film eben gesehen und er hat mir gut gefallen.

Er lebt alleine von seiner Musik und den beiden Hauptfiguren. Storymäßig ist nur sehr wenig vorhanden.

Liebhaber leiser Gitarrenmusik sind hier richtig aufgehoben. Ich finde es immer wieder klasse wie aus einer Idee ein Musikstück wird. Diesen Prozess beschreibt der Film hauptsächlich.

Die beiden Hauptpersonen haben ein gebrochenes Herz und werden so automatisch von einander angezogen. Doch das Happy End verläuft etwas anders.

Die beiden Hauptdarsteller spielen ihre Rollen klasse. Sie werden zwar nur zeimlich oberflächlich beschrieben (ohne Namen), aber es reicht für den Film.

Für Musikliebhaber geeignet, wer aber nichts damit anfangen kann, sollte diesen Film meiden.

Leichte Kost, gute Laune Film.

Gast · 20.01.2008

Seh ich auch so...Die Masse liest immerhin auch die Bild-Zeitung....wenn die Masse den Film nicht mag, muss er gut sein ;)

· 16.01.2008

Das sagt nicht sonderlich viel aus, denn 2/3 der Deutschen finden auch Filme wie Keinohrhasen gut ...

Anni · 16.01.2008

Oh mein Gott ich habe in meinem leben schon viele Filme gesehen... auch viele schlechte Filme...aber dieser Film war mit abstand das schlimmste was ich mir vorstellen kann da ist ja jeder grundschulamateurfilm besser...ich meine es spricht für sich wenn der kinosaal am anfang voll war und nach 35 min mehr als 2 drittel der leute schon gegangen sind... also leute nicht ansehen es sei denn ihr braucht nen ruhigen schlafplatz

· 09.01.2008

Großartig! Mehrfach hintereinander gesehen, sehr empfehlenswert. Tolle Musik, echte Darsteller!