Liebmann

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ein bemerkenswerter Schnellschuss

Liebmann: das sei „amour“ und „homme“, erklärt er einmal. Liebmann ist aber nicht nur Zärtlichkeit, sondern auch Wut, Angst, Trauer, Verlorenheit. Jules Herrmann hat in ihrem Langfilmdebüt ein Experiment gewagt: Liebmann wurde auf die Schnelle gedreht in einem Dorf in Nordfrankreich, auf Grundlage von 27 Seiten Handlungsskizze, in enger Zusammenarbeit mit Titeldarsteller Godehard Giese. Eine Erbschaft hat das ermöglicht, eine Freiheit im Dreh und im filmischen Ausdruck, der bemerkenswert ist. Denn Liebmann ist nicht zuletzt eine ästhetische Erfahrung.
Antek Liebmann: Nichts weiß man von ihm, und er verrät auch nichts. Reist nach Frankreich zur Entspannung. Schläft nicht. Wagt sich in den Wald, wo ein mörderischer Jäger sein Unwesen treibt. Lässt sich von der schönen Nachbarin anflirten. Beginnt eine Affäre mit dem jungen Sebastien. Bringt einmal die Nachbarstochter zur Schule und sieht dabei rot. Dabei ist der Film bestückt mit assoziativen Einschüben, mit Farb- und Formspielen, mit kleinen stilistischen Exkursen in eine Amelie-Glückswelt oder in die gediegene Literaturverfilmung inklusive bedeutungsvoller Totalen; ein bisschen Strindberg kann nicht schaden.

Der Pfau, so erläutert der Prolog, sei ein fabelhaftes Tier, vollendet schön, doch seine Federn passen nicht zueinander: Von einer einzelnen könnte man nicht auf das gesamte Lebewesen schließen. Die vielen Aspekte, die Liebmann aufzeigt und die das große Ganze ausmachen, finden sich wieder in den Spielereien des filmischen Ausdrucks, in den Kapitelüberschriften und den Buchstabentafeln, auch in den Fotos und Gemälden an der Wand. Ein Trödelmarkt spielt als Schauplatz eine Rolle in dem Film; und von genau diesem Trödelmarkt wurde auch die Ausstattung des Filmes bestritten – in einer vielleicht zusammengestückelten, aber stets geschmackvollen Zusammenstellung.

Es ist natürlich etwas Ernstes, was Liebmann umtreibt. Er ist verstört, vielleicht sogar gestört. Das macht das Faszinierende an ihm aus: Dass er so geheimnisvoll ist, dass er unerklärlich bleibt. Wir sehen ihn, wir gehen mit ihm, wir empfinden seine Launen mit, wir begleiten ihn beim Kennenlernen von Sebastien ebenso wie bei der Befremdung, wenn die Nachbarstochter ihre Hula-Hoop-Künste vorführt. Eine kleine Liebesgeschichte könnte das sein, mit dem unheimlichen Wald hinterm Haus könnte sich sogar so etwas wie ein kleiner Thriller entwickeln. Leider gibt Jules Herrmann nach einer Stunde das Geheimnis preis. Offenbart das Trauma, die Schuldgefühle, die er mit sich herumträgt. Wenn wir die Ursachen kennen, wenn wir Kausalitäten zusammenführen können: Dann beherrscht uns plötzlich Mitleid, aber kein Mit-Leiden mehr. Eine Szene, die aus dem Film Staudamm übernommen sein könnte (es aber de facto nicht ist), schließt Liebmann ab: Er hat einen Weg gefunden aus seinem privaten Schlamassel; leider konnte er uns nicht bis zum Ende mitnehmen.

Liebmann

Liebmann: das sei „amour“ und „homme“, erklärt er einmal. Liebmann ist aber nicht nur Zärtlichkeit, sondern auch Wut, Angst, Trauer, Verlorenheit. Jules Herrmann hat in ihrem Langfilmdebüt ein Experiment gewagt: „Liebmann“ wurde auf die Schnelle gedreht in einem Dorf in Nordfrankreich, auf Grundlage von 27 Seiten Handlungsskizze, in enger Zusammenarbeit mit Titeldarsteller Godehard Giese.
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