La isla mínima - Mörderland

Eine Filmkritik von Falk Straub

Im Sumpf des Verbrechens

Der Vergleich mit der ersten Staffel True Detective liegt nahe und wurde bereits oft gezogen. Und zugegeben: Was die Geschichte und die Charaktere betrifft, ähnelt La isla mínima (internationaler Titel: Marshland) der US-amerikanischen Serie. Doch hier enden die Vergleiche bereits. Denn der Thriller, der im Februar 2015 beim spanischen Filmpreis Goya mit zehn Trophäen nach Hause ging, ist ein eigenes kleines Meisterwerk. Und hat True Detective besonders die politische Komponente voraus.
September 1980: In der brütenden Hitze des spanischen Südens bahnt sich der Guadalquivir mit seinen zahlreichen Nebenarmen den Weg ins Meer. Aus der Vogelperspektive ergibt das ein buntes Schauspiel geometrischer Muster aus Braun-, Blau- und Grüntönen. Gleich die erste Ansicht dieses Marschlands ähnelt verblüffend einem menschlichen Gehirn im Profil und gibt ein zentrales Thema des Films vor. Denn tief unten auf dem Boden, wo von der Schönheit dieser Landschaft nicht mehr viel zu sehen ist, versuchen die Madrider Polizisten Juan (Javier Gutiérrez) und Pedro (Raúl Arévalo) in die Köpfe der Einheimischen vorzudringen. Doch mitten im Sumpf fehlt ihnen der Überblick.

In einem gottverlassenen Örtchen suchen Juan und Pedro zwei verschwundene Mädchen. Ihre Abstellung in den Süden kommt einer Degradierung gleich. Dass die Ermittlungen kein gutes Ende nehmen, kündigt sich bereits bei der Anreise an. Als wolle er sie vor dem Kommenden schützen, gibt ihr Dienstwagen kurz vor dem Ziel den Geist auf. Als die beiden jungen Frauen wenig später gefoltert, vergewaltigt und ermordet im Straßengraben liegen, begreifen Juan und Pedro das zunächst als Sprungbrett. Lösen sie den Fall, stehen ihre Chancen gut, bald wieder in der Hauptstadt ihren Dienst zu verrichten.

Doch das gestaltet sich schwieriger, als angenommen. Denn in den Tiefen Andalusiens ticken die Uhren anders. Zwar ist die „Trancisión“, die Demokratisierung unter König Juan Carlos, in vollem Gange, doch 36 Jahre Diktatur lassen sich nicht so einfach abschütteln. General Franco steckt tief in den Köpfen, wird wie ein Heiliger verehrt. In Pedros Hotelzimmer prangt sein Konterfei an einem Kruzifix, daneben ein Foto Hitlers. Juans Reaktion darauf lässt tief blicken. Pedro und der Zuschauer ahnen hier bereits, dass auch in den Behörden der Faschismus überlebt hat.

Es sind diese Kleinigkeiten, die La isla mínima zu einem großartigen, zutiefst politischen Film machen. Unter der Oberfläche der Verbrecherjagd tut sich ein Abgrund aus historisch gewachsenen politischen wie sozialen Missständen auf. Der Mörder lockt die Mädchen mit der Verheißung auf ein besseres Leben in den nicht allzu weit entfernten Bettenburgen. Tödlicher Tourismus. Und gleichzeitig arbeiten sich die beiden Protagonisten aneinander ab, nähern sich unmerklich, wenn plötzlich auch Pedro im Verhör die Hand ausrutscht, einander an. Faszinierend und beängstigend zugleich: Wie der Spezialist Juan vom bösen zum guten Cop wechselt. Ein schaurig-schöner Moment.

Regisseur Alberto Rodríguez inszeniert diese Ermittlungen als Katz-und-Maus-Spiel, in dem Juan und Pedro und mit ihnen die Zuschauer stets einen Schritt zu spät kommen. Selten hat man in jüngster Zeit einen Film gesehen, der seine Spannungsmomente, anstatt sie im Schutze der Dunkelheit zu verhüllen, so offensiv ans Tageslicht zerrt. Alex Catalán packt das in sepiafarbene Bilder, in denen immer wieder die Hitze des spanischen Südens flirrt. Darauf ist alles deutlich zu sehen, und doch ist in La isla mínima nichts offensichtlich.

La isla mínima - Mörderland

Der Vergleich mit der ersten Staffel „True Detective“ liegt nahe und wurde bereits oft gezogen. Und zugegeben: Was die Geschichte und die Charaktere betrifft, ähnelt „La isla mínima“ der US-amerikanischen Serie. Doch hier enden die Vergleiche bereits. Denn der Thriller, der im Februar 2015 beim spanischen Filmpreis Goya mit zehn Trophäen nach Hause ging, ist ein eigenes kleines Meisterwerk. Und hat „True Detective“ besonders die politische Komponente voraus.
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