Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen.

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Sinnliche Lieder, die schelmisch mäandern

Sie sind vier Freunde in ihren Zwanzigern, kommen aus Oberammergau und bezeichnen sich selbst als Freizeitmusiker mit einer „schizophrenen Heimatverbundenheit“. Seit dem Erscheinen ihrer ersten CD „Kofelgschroa“ 2012 ist die gleichnamige Band nicht nur fast jedes Wochenende zu Auftritten irgendwo in Bayern unterwegs, sondern gastiert auch schon mal in Berlin und Hamburg. Sechs Jahre lang hat die Dokumentarfilmerin Barbara Weber die Musiker begleitet für ihr Porträt, das vier natürliche, nachdenkliche Menschen auf der Suche zeigt.
Die eigentümlich kreisenden, kontemplativen Lieder der Band zwischen Volksmusik und Pop wurden schon mit Etiketten wie „Alpentechno“, „osteuropäische Rhythmen“ oder „valentinesk“ versehen. Im Film reagieren Matthias Meichelböck, Michael von Mücke, Martin von Mücke und Maxi Pongratz aber ziemlich konsterniert auf solche Wortschubladen. Vielleicht aufgrund des Rats, den ihnen eine Radiomoderatorin gibt, beschreiben sie sich auf ihrer aktuellen Band-Webseite lieber selbst: „Wir spielen gerne Wechseltakte, Mollakkorde und lange Stücke“, steht da, „spontan und bedingungslos“ und auch, dass sie die Menschen unterhalten wollen.

Die Lieder, die sie im Film auf Bühnen oder im Freien spielen, sind von der Landschaft und dem Wetter Oberammergaus, dem Passionsspielort bei Garmisch mit seinem Hausberg Kofel, inspiriert. Das Dröhnen der Helikontuba, mit der Martin von Mücke unermüdlich den Takt angibt, klingt wolkenverhangen und abgründig, das Akkordeon von Maxi Pongratz flirtet oft mit hohen Tönen wie eine Geige oder vom Sommer infizierte Heuschrecken. Die lakonischen Texte, manchmal als Sprechgesang oder in einer Art Kanon vorgetragen, beobachten das Unscheinbare. „Die Wäsche trocknet an der Sonne, die Wäsche trocknet auch am Wind, (…) wie schön ist das eigentlich?“ heißt es zum Beispiel. In einer Art Liebeslied geht es darum, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, dass die Blätter nie vom Baum fallen. Dass es dann auch ohne Blätter schön ist und sie schließlich wieder auf den Baum kommen werden, „ohne dass es irgendwer braucht“. Maxi, der schon immer Gedichte geschrieben hat, liefert in der Regel diese Texte, aus denen sinnliches Staunen spricht.

Die vier Bandmitglieder haben es nicht gelernt, sich im Plauderton zu promoten. Vor dem Mikrophon der Rundfunkleute denken sie manchmal so lange nach, bevor sie recht einsilbig antworten, dass der Film daraus eine Art Running Gag macht. Der überlegte Umgang mit Themen und mit Sprache ist ihnen wichtig. Oft scheint es so, als sei das Sich-Kurzfassen für sie auch eine Frage des guten Benehmens. So gesehen plädieren die Punkte im Film-Untertitel Frei.Sein.Wollen. wohl für den präzisen Ausdruck, das Nachspüren, was ein einzelnes Wort bedeutet, das in einer Aneinanderreihung verblassen würde. Diese Empfindsamkeit hält der lauten, oberflächlichen Bekenntnisgesellschaft einen interessanten Spiegel vor.

Barbara Weber holt die vier Musiker – ihre wechselnden Haarschnitte spiegeln den langen Zeitraum des Drehs – auch einzeln vor die Kamera und schaut ihnen im Dorfalltag über die Schulter. Martin melkt Ziegen, besucht die Schnitzschule und repariert Autos. Michael arbeitet in der Schmiede, Matthias geht als gläubiger Katholik auf Pilgerreisen und dann für ein Studium nach München. Maxi quält sich eine Weile auf der Berufsfachschule für Musik in Altötting. Allen ist ein gewisses Zögern in Anbetracht der fast grenzenlosen Wahlfreiheit ihrer Generation zu eigen. Sie suchen nach einem Weg, um Heimatliebe und Tradition mit neuen Möglichkeiten zu verbinden. Die leicht schelmischen Texte der Lieder mäandern auch lieber herum, als ausgetretenen Denkpfaden zu folgen.

Die Langzeitbeobachtung fördert Höhen und Tiefen im Bandleben zutage, wobei sich der Film aber die Vorsicht der Protagonisten zu eigen macht und selbst vage bleibt. Dass es nicht leicht ist, unverfälscht und natürlich zu sein in einer Umgebung, in der man sich nicht auskennt, zeigen die Ausflüge der Band in den Showbetrieb und den Trubel unbekannter Städte. Die Gruppe hat sich dabei bislang weder verbiegen lassen, noch sich einen Panzer zugelegt. Man darf auf ihre zweite CD, die im November 2014 erscheinen soll, gespannt sein.

Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen.

Sie sind vier Freunde in ihren Zwanzigern, kommen aus Oberammergau und bezeichnen sich selbst als Freizeitmusiker mit einer „schizophrenen Heimatverbundenheit“. Seit dem Erscheinen ihrer ersten CD „Kofelgschroa“ 2012 ist die gleichnamige Band nicht nur fast jedes Wochenende zu Auftritten irgendwo in Bayern unterwegs, sondern gastiert auch schon mal in Berlin und Hamburg. Sechs Jahre lang hat die Dokumentarfilmerin Barbara Weber die Musiker begleitet für ihr Porträt, das vier natürliche, nachdenkliche Menschen auf der Suche zeigt.
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