Kleine Ziege, sturer Bock

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Familienzusammenführung mit Elvis und Schafsbock

Dass hier zwei Welten aufeinanderprallen, macht bereits der gelungene Auftakt von Johannes Fabricks Familienzusammenführungskomödie Kleine Ziege, sturer Bock auf pointierte Weise klar. Punktgenau auf die Musik und deren Gegensätzlichkeit geschnitten, wechselt der Blick des Zuschauers zwischen einem Elvis-Imitator, der ein Altersheim aufmischt, und einem klassischen Konzert, bei dem es natürlich viel gesitteter und kultivierter zugeht. Und in gewisser Weise gibt dieser Beginn die tonale Richtung vor, die der Film in den kommenden 95 Minuten nehmen wird: Gegensätze und Kontraste sind es vor allem, aus denen der Film schöpfen will – das gelingt mal besser und mal weniger gut.
Der Elvis-Imitator, so erfahren wir schnell, ist Jakob (Wotan Wilke Möhring), dem nichts so richtig gelingen mag, der aber dennoch überwiegend optimistisch durchs Leben geht, auch wenn er im nächsten Moment wieder einmal nicht weiß, woher er das Geld für die nächste Miete nehmen soll. Ein durchaus sympathischer Schluffi also, einer, der mit Karriere und all diesen Dingen nicht allzu viel am Hut hat – so könnte man es wohlwollend beschreiben. Eine schärfere Form der Analyse würde freilich eher zu dem Schluss kommen, dass dieser Mann einer jener Kerle ist, die es trotz eines gewissen Alters nicht geschafft haben, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Doch, so wird sich zeigen, er ist durchaus lernfähig.

Die Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen, erfolgt natürlich prompt und kommt gänzlich unverhofft: Jakob hat nämlich eine mittlerweile 12-jährige Tochter (Sofia Bolotina), von deren Existenz er bislang nichts wusste, die aber nun endlich ihren Erzeuger kennenlernen will. Mai, so heißt das Mädchen, ist das Ergebnis einer kurzen, aber heftigen Affäre mit der Opernsängerin Julia (Julia Koschitz), die schon von der sozialen Herkunft und Einbettung das genaue Gegenteil des Kindsvaters ist. Während jener nicht einmal die Verantwortung für sein eigenes Leben tragen kann, ist Mais Mutter eine jener besorgten Helikoptereltern und kreist trotz knapper Zeit unentwegt über ihrer Tochter, die sie am liebsten vor allem Übel der Welt (und damit auch vor einer Begegnung mit ihrem Erzeuger) bewahren will. Weil dem Willen eines pubertierenden Mädchens aber kaum jemand gewachsen ist, kommt es zu der Begegnung zwischen Vater und Tochter – wobei diese ganz anders verläuft, als Mai es sich wohl vorgestellt hatte. Denn Jakob hat gerade einen seiner vielen Aushilfsjobs angenommen und soll mit einem rostigen Kleintransporter einen sturen Schafsbock nach Norwegen verfrachten. Als Mai nun unverhofft vor ihm steht, packt er das Mädchen nach dem ersten Schreck kurzerhand mit ein und nimmt sie mit auf eine Reise, die einiges an überraschenden Wendungen bereit hält.

So scharf Kleine Ziege, sturer Bock zu Beginn auch seine Akzentuierungen und Kontrastierungen zeichnen mag – in der Mixtur aus Road Movie und Familienzusammenführung geht es weniger um Bewältigung von Konflikten, erlittenen Kränkungen und Enttäuschungen (von denen es etliche gäbe), sondern vielmehr um Versöhnliches. Überraschend schnell findet Jakob in seine neue Rolle als verantwortungsbewusster Vater hinein, überraschend bruchlos erfolgt der Wandel der „kleinen Ziege“ Mai von der verwöhnten Prinzessin zur liebesbedürftigen Mustertochter. Im Namen der Feel-good-Atmosphäre werden sämtliche anfangs konstruierten Konflikte wie von Zauberhand und quasi im Vorübergehen gelöst, so dass der Film durch seine Harmlosigkeit fast schon langweilen würde, wäre da nicht der rüpelhafte Schafsbock, der für einige der schönsten Szenen sorgt. Und weil auch der unvermutete und recht überzogen wirkende Auftritt der mittels NSA-App auf die Spur geführten Übermutter ein wenig aus dem erprobten und etwas kalkuliert wirkenden Wohlfühlrahmen fällt, gibt es am Ende doch noch einige wenige erzählerische Widerhaken, die aus dem Film noch eine nette Komödie ohne allzu großen Anspruch und ohne längere Nachwirkungen machen. Insgesamt also eine recht kalkulierte Komödie für die ganze Familie, die allerdings nicht allzu lange nachwirkt.

Kleine Ziege, sturer Bock

Dass hier zwei Welten aufeinanderprallen, macht bereits der gelungene Auftakt von Johannes Fabricks Familienzusammenführungskomödie „Kleine Ziege, sturer Bock“ auf pointierte Weise klar. Punktgenau auf die Musik und deren Gegensätzlichkeit geschnitten, wechselt der Blick des Zuschauers zwischen einem Elvis-Imitator, der ein Altersheim aufmischt, und einem klassischen Konzert, bei dem es natürlich viel gesitteter und kultivierter zugeht.
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