Kaptn Oskar

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Das Prickeln platonischer Liebe

Schon in seinem Spielfilmdebüt Papa Gold führte Tom Lass nicht nur Regie, sondern stand als Darsteller der Hauptfigur auch vor der Kamera. In seinem zweiten Langfilm Kaptn Oskar schlüpft Lass erneut in diese Doppelrolle und auch der Charakter, den er verkörpert, erinnert an den Vorgänger. Wie einst Denny taumelt auch Oskar ein wenig orientierungslos durch sein Leben, wirkt dabei jedoch deutlich devoter. Er ist eben nicht der Kapitän seines Lebens, das vor allem durch seine Frauenbekanntschaften gelenkt wird.
Seine Ex-Freundin Alex (Martina Schöne-Radunski) hat nicht nur eine sadistische Ader, sie weigert sich auch die Trennung als solche zu akzeptieren. Zuerst fackelt sie Oskars Wohnung ab, dann taucht sie wiederholt unangemeldet bei ihm auf und obwohl Oskar schon lange eine neue Freundin hat, ist er doch nicht in der Lage, sich von Alex endgültig abzugrenzen. Auch in seiner neuen Beziehung muss er sich den Regeln seiner Partnerin beugen, denn Masha (Amelie Kiefer) sucht zwar seine körperliche Nähe, lehnt aber jede Form gemeinsamer Sexualität ab. Zunächst sind die Frischverliebten dennoch in der Lage, eine unschuldige Intimität zu entwickeln. Doch unfähig sich voll und ganz füreinander zu entscheiden, beginnen Oskar und Masha auseinander zu driften.

Wie schon Papa Gold hat Tom Lass auch Kaptn Oskar ohne Drehbuch improvisatorisch realisiert. Vermutlich ist hier der Grund dafür zu finden, dass die Interaktionen zwischen Alex, Oskar und Masha eine immense Authentizität entfalten. Selbst in ihren exzentrischsten Momenten wirkt Alex noch immer natürlich und vor allem glaubwürdig. Es ist jedoch vor allem die Beziehung zwischen Oskar und Masha, die begeistert. Tom Lass fängt die Szenen verspielter Intimität in wunderschönen Bildern ein und nimmt sein Publikum mit hinein in die Stimmung des Frisch-Verliebt-Seins. Es ist eine wahre Freude, Oskar und Masha dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig die Zähne putzen oder gemeinsam in eine Jacke zwängen, umeinander ganz nah zu sein.

Das platonische Verhältnis der Hauptfiguren steht im Kontrast zu ihren sonstigen Beziehungen. Die Sexualität zwischen Alex und Oskar ist durch Gewalt und Erniedrigung geprägt, die in diesem Fall von der Frau ausgeht. Masha indes sucht sich bevorzugt ältere Männer als Bettgefährten, behält sich jedoch auch in diesen Begegnungen ihre Kindlichkeit, wodurch sie letztendlich stets Ablehnung erfährt. Keiner der beiden erlebt in seinem Sexleben echte Intimität und Nähe, weshalb es nur konsequent erscheint, dass sie miteinander auf Geschlechtsverkehr verzichten. Doch während Oskar diese Abmachung nach und nach in Frage stellt, lehnt Masha Sexualität weiterhin kategorisch ab. Ihr diesbezügliches Desinteresse bleibt schwer nachvollziehbar, wodurch die junge Frau uns fremd bleibt und schließlich unsympathisch wirkt.

Das liebevolle Zusammenspiel der beiden Figuren wird zunehmend anstrengend. Oskar scheint keine eigene Meinung zu haben und lässt sich wie ein Blatt im Wind von seiner Freundin erst in die eine, dann in die andere Richtung treiben. Aber auch Masha zeigt keinerlei Orientierung in ihrer Lebensführung. Ihre wahren Gefühle für Oskar lassen sich kaum erahnen. Dass die beiden verlorenen Seelen so schwer zu fassen sind, ist nicht nur für die Beteiligten unbefriedigend. Auch als Zuschauer verlieren wir zunehmend die Geduld und hoffen, es möge doch endlich etwas passieren: ein Streit, eine leidenschaftliche Nacht, endlich eine Entladung der aufgestauten Energien.

Kaptn Oskar besticht in der ersten Hälfte durch seine Leichtigkeit und die überzeugende Darstellung des Zaubers einer frischen Liebe, entwickelt sich jedoch im weiteren Verlauf zu einer melancholischen und leider recht ziellosen Coming of Age Geschichte ohne großen Wiedererkennungswert. Leider hinterlässt uns Tom Lass mit seinem Ende so ratlos, dass wir uns ebenso unbefriedigt fühlen, wie Oskar, wenn er sich neben Masha verkrampft einen runter holt.

Kaptn Oskar

Schon in seinem Spielfilmdebüt „Papa Gold“ führte Tom Lass nicht nur Regie, sondern stand als Darsteller der Hauptfigur auch vor der Kamera. In seinem zweiten Langfilm „Kaptn Oskar“ schlüpft Lass erneut in diese Doppelrolle und auch der Charakter, den er verkörpert, erinnert an den Vorgänger. Wie einst Denny taumelt auch Oskar ein wenig orientierungslos durch sein Leben, wirkt dabei jedoch deutlich devoter.
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Meinungen

test123 · 24.01.2015

SPOILER: Zum Fazit der Rezension: Es ist gerade andersherum. Der erste Teil des Films zeigt eine hübsche, aber belanglose Story vom Frischverliebtsein (schon oft gesehen...), in der aber schon alle Spannungen des zweiten Teils angelegt sind. Gerade die Ziellosigkeit des zweiten Teils ist das eigentlich Geniale am Film. Die Protagonisten im Film versuchen durch immer neue Ortswechsel das Problem zu lösen. Das abschließende Gespräch bringt es in seiner Brutalität auf den Punkt: Sie kommt über den fehlenden Vater nicht hinweg und er kann ihn nicht ersetzen. Die letzte Geste des Films kann beides bedeuten: Verständnis für Masha oder sogar der Versuch, die Beziehung weiterzuleben.
Das Ziellose, die Tatsache, dass man die Geduld verliert, dass Masha zwischenzeitlich unsympathisch wirkt - wer eine ähnliche Beziehung schon mal erlebt hat, weiß, wie gut der Film das Dilemma darstellt.

lendemeier · 19.08.2018

Ich stimme dem obigen Kommentar voll und ganz zu. Das wirkliche Dilemma, die wirkliche Span nung entfaltet sich erst im 2. Teil und macht den Film unverwechselbar.