In meinem Himmel (2010)

Eine Filmkritik von Claire Horst

Von der Liebe nach dem Tod

Sich erinnern und dennoch loslassen – wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, prallen diese beiden Bedürfnisse aufeinander. Susie Salmon (Saoirse Ronan) ist vierzehn Jahre alt, als sie von einem Nachbarn (Stanley Tucci) ermordet wird. Die Trauer der Eltern und Geschwister, ihre Unfähigkeit, mit dem Verlust umzugehen, zerstören die bis dahin glückliche Familie beinahe völlig. Diese tragische Handlung stellt Regisseur Peter Jackson aus einer ungewohnten Perspektive dar: Bei ihm werden die Ereignisse aus der Sicht des toten Mädchens erzählt. Was einigermaßen absurd klingt, funktioniert tatsächlich. Der Film zeigt die Geschichte eines langsamen Abschieds in sehr poetischer Form.

Am Tag ihrer Ermordung ist Susie eigentlich überglücklich, denn sie hat ihre erste Verabredung mit Ray, einem Jungen, in den sie schon lange verliebt ist. Dass sie das Treffen nicht erleben wird, weiß man schon nach den ersten Minuten im Kinosaal – und doch bleibt die Spannung merkwürdigerweise durchgehend erhalten.

Denn da sind die großartigen Bilder, für die Peter Jackson, der Regisseur von Heavenly Creatures und Herr der Ringe, zu Recht berühmt ist. Seine amerikanische Kleinstadt der siebziger Jahre taucht er in ein melancholisches Licht, das an alte Farbfotos erinnert – und wie auf Erinnerungsfotos blickt Susie auf ihr Leben zurück. Familie Salmon ist vor dem Tod ihrer Tochter, und das macht ihn fast noch tragischer, eine beinahe beängstigend perfekte Familie. Die Eltern (Rachel Weisz und Mark Wahlberg) von drei Kindern knutschen immer noch verliebt beim Frühstück, und Streit gibt es nur um die Unordnung im Kinderzimmer.

Susie ist ein gewöhnliches junges Mädchen, das in die Schule geht und sich in Einkaufszentren die Zeit vertreibt, sich mit den jüngeren Geschwistern herumärgert und manchmal zu spät nach Hause kommt. Der kleine Bruder mag keine Bohnen, die Schwester steht auf John Lennon und Joan Baez – eine ganz normale amerikanische Familie in den Siebzigern. Dass nicht alles so normal ist wie es aussieht, erfährt die gutgläubige Susie viel zu schnell, als sie einem freundlich wirkenden Nachbarn begegnet. Den hinter einer völlig durchschnittlichen Fassade zutiefst gestörten Mr. Harvey spielt Stanley Tucci mit großer Überzeugungskraft.

Mit dem Verschwinden der Tochter, deren Leichnam nie gefunden wird, verändert sich für die Familie alles. Auf unterschiedliche Weise, in Form emotionalen Rückzugs oder durch manische Wut, machen alle einen Wandel durch, und beinahe zerbricht daran die Familie. Einfach weitermachen, das gelingt nicht einmal Susie, obwohl sie doch eigentlich tot ist. Auch sie kann sich nicht von der Familie lösen und beobachtet sie aus dem Zwischenraum zwischen Erde und Himmel, in dem sie jetzt feststeckt.

Diese nicht religiös gemeinte Zwischenwelt zeigt Jackson in strahlend schönen und kunterbunten Bildern, sodass man fast beruhigt ist über den brutalen Tod des Mädchens. Und dann wieder, zwei Sekunden später, bröckelt die Welt um Susie auseinander, befindet sie sich wieder an einem Ort voll Schrecken und Erinnerung an grausame Gewalttaten. Für diese Bilder wurden Naturaufnahmen und digitale Spezialeffekte vermischt, was zu surrealen Bilderwelten verschmilzt.

Als ein mysteriöses Mädchen in Susies Alter auftaucht, das ihr erklärt, wo sie sich befindet, scheint alles leichter zu werden. Doch ihre neue Freundin ermahnt sie immer wieder: Du musst dich lösen. Nach vorne schauen, nicht zurück. Dein Platz ist nicht mehr auf der Erde. Solange Susie noch voller Wut und Trauer ist, kann ihr das nicht gelingen – ebenso wenig wie ihrer Familie. In berührenden Szenen setzen sie sich nur allmählich mit dem Geschehen auseinander.

Dass die sehr emotionale Handlung nicht in Sentimentalität und Kitsch abgleitet, ist neben der überzeugenden Darstellung insbesondere der erst fünfzehnjährigen Saoirse Ronan auch dem Witz von Susan Sarandon zu verdanken, die in Gestalt einer kettenrauchenden, dauertrinkenden Großmutter anrückt, um das Familienleben am Laufen zu halten.

Der Film beruht auf dem 2002 erschienen Bestseller The Lovely Bones der amerikanischen Schriftstellerin Alice Sebold. Die Drehbuchautoren legten großen Wert darauf, die Vielschichtigkeit der Vorlage zu bewahren, und das ist ihnen gelungen. Wie Peter Jackson sagt, ist der Film ein „emotionaler Thriller, denn es geht sowohl um die Jagd nach einem raffinierten Schwerverbrecher als auch um den Wiederaufbau einer durch einen überwältigenden Verlust fast zerstörten Familie“.
 

In meinem Himmel (2010)

Sich erinnern und dennoch loslassen – wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, prallen diese beiden Bedürfnisse aufeinander. Susie Salmon (Saoirse Ronan) ist vierzehn Jahre alt, als sie von einem Nachbarn (Stanley Tucci) ermordet wird. Die Trauer der Eltern und Geschwister, ihre Unfähigkeit, mit dem Verlust umzugehen, zerstören die bis dahin glückliche Familie beinahe völlig.

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Meinungen

Peter Mittermair · 21.06.2020

Ich finde, es ist ein sehr guter film, jedoch finde ich die Einstufung FSK 12 unangebracht, da im film ein paar ziemlich heftige Szenen gezeigt werden, die vielleicht nicht für zwölfjährige geeignet sind

00schneider · 23.02.2010

Leider lassen die überzogen-komischen Einlagen keinen Platz um an den Emotionen der Hauptereignisse dieses Films wie Trauer, Wut und Hoffnung teilzuhaben, weil sie (die komischen Einlagen) jedesmal wenn man sich grade "eingefühlt" hat, wieder reinplatzen wie besoffene Ballermanproleten auf eine Beerdigung und in einem - neben der versuchten Anteilnahme und Verzweiflung - nur noch mehr Ärgernis hochtreiben.

Schade, wäre ein Film mit viel Potenzial. Insgesamt fehlt aber ein einheitlicher, vereinender Stil (Thriller, Drama, Komik, Fantasy?) und somit auch die große Frage wozu man diesen Film produziert, weil man sich eigentlich nur hilflos in diesem Genremix verirrt und ausgesetzt fühlt.

Selbst das Ende des Bösewichts ist einem "Zufall" überlassen und befriedigt nicht das Gerechtigkeitsempfinden nach dem die Verwandten von Susi streben. Für Anhänger der 70er die das damals vorherrschende und amerikainsche "die-Welt-ist-am-Ende-doch-gerecht-und-das-Böse-wird-gerichtet-Ideal", dem auch Peter Jackson in diesem Film deutlich nachgeht, mögen, kommen mit solch einem Ende und Film sicher besser klar.

Fand den Film (mit einer bezaubernden Saoirse Ronan und dem boshaft gut gespielten und stilisierten Stanley Tucci) trotzdem unterhaltsam, spannend und interessant gesehen zu haben.

RASCHA · 12.02.2010

OMG GEILLLLSLLLSTE FILMMM