Hitchcock

Eine Filmkritik von Florian Koch

Alte Liebe rostet doch

Erfolge machen glücklich? Nicht unbedingt. Gerade Filmregisseure bedauern es oft zutiefst, nicht das inszenieren zu dürfen, was sie wirklich wollen, sondern was gewünscht wird. Und wer nicht genügend Schneid hat, endet vielleicht wie George Lucas, der jahrelang von seinen Träumen, ein Indie-Drama drehen zu wollen, geredet hat, am Ende aber — bis zum Verkauf der Franchise — nie von der Kasse machenden Star Wars-Maschinerie loskam. Ganz anders Alfred Hitchcock. Der „Master of Suspense“ hatte 1959 mit dem lässigen Actionfilm Der unsichtbare Dritte / North by Northwest gerade einen Kassenhit gelandet, und sehnte sich nach Abwechslung. Wie es dann zu Psycho kam, erzählt Sacha Garvasis vergnügliche Film-im-Film-Komödie Hitchcock.
Ein einsames Haus. Ein brutaler Mord. Ed Gein (Michael Wincott) hat zugeschlagen. Das Publikum wird mit dem berüchtigten Serienkiller aber nicht alleingelassen, denn kein Geringerer als Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) kommentiert seine Tat. Der Fall des Psychopathen mit dem Mutterkomplex bereitet dem Filmregisseur auch in der (Film)Realität zahlreiche schlaflose Nächte. Und als Hitch auch noch Robert Blochs Buch Psycho über den Killer, der hier unter dem Namen Norman Bates mordet, in die Hände fällt, ist der Fall klar: Hitchcock, dem es schon lange danach gelüstet, sein Publikum endlich wieder zu schocken, will den Horrorroman verfilmen. Nur weigern sich alle Studiobosse, dem Altmeister für so ein brutales, kompromissloses Werk Geld zu geben. Kurzentschlossen finanziert Hitchcock seinen Film selbst, auch wenn er sich dafür verschulden muss. Wenig begeistert von dieser Idee und auch von Hitchcocks Faible für jüngere Schauspielerinnen ist seine Frau Alma (Helen Mirren), die sich daraufhin dem Drehbuchautoren Whitfield Cook (Danny Huston) zuwendet. Erst spät dämmert es ihrem Mann, dass nicht nur der eigene Film immer mehr Probleme macht, sondern auch die Ehe vor dem Aus steht.

Antriebsfeder für das bis in die Nebenrollen starbesetzte Film-im-Film-Projekt, war laut Regisseur Sacha Gervasi eigentlich etwas ganz profanes: Eine Liebesgeschichte. Gervasi wollte in seinem Film Hitchcocks und Almas „dynamische, komplexe, widersprüchliche, wunderschöne und auch schmerzliche Beziehung“ herausarbeiten. Deswegen greift nicht nur der Titel Hitchcock etwas zu kurz, sondern auch die Betonung, dass der kammerspielartige Film hauptsächlich auf dem Sachbuch Alfred Hitchcock and the Making of Psycho von Stephen Rebello beruht. Die Dreharbeiten zu Psycho spielen – für Cineasten sicherlich enttäuschend – hier nämlich nicht die Hauptrolle. Deswegen sind Stars wie Scarlett Johansson als Duschszenenopfer Janet Leigh, Jessica Biel als von Hitchcock gemobbbte Nebendarstellerin Vera Miles oder der wunderbar kauzig-authentische James D’Arcy als Anthony Perkins auch nur relativ kurz zu sehen. Ein Grund für diese Beschränkung könnte aber auch darin liegen, dass aus Rechtegründen keine Originalszenen und –Dialoge aus dem Schwarz-Weiß-Horrorklassiker verwendet werden durften.

Gervasi macht aus der Not immerhin eine Tugend. Denn überaus geschickt verzahnt der Macher der wunderbaren Metal-Doku Anvil: The Story of Anvil in Hitchcock drei Erzählebenen. Zum einen ist es die bereits erwähnte Arbeit des Regisseurs am Set und damit verbunden sein überaus amüsanter Kampf mit der Zensur, mit den Produzenten und mit dem eigenen Verlangen, dass ihn immer wieder durch Lamellen oder Gucklöcher auf junge Frauen glotzen lässt. Dabei gelingt ein überzeugendes Charakterporträt von Hitchcock, in dem sowohl sein bösartiger Witz, sein versteckter Alkoholismus als auch seine unversteckte Überheblichkeit zum Ausdruck kommen.

Kontrastiert wird diese Arbeit in kühlen Büroräumen und Studiohallen mit dem Ausbruchversuch seiner Frau. Alma, die sich von Hitchcock nicht genug wertgeschätzt und geliebt fühlt, sucht nach Anerkennung. Die findet sie beim aalglatten, mäßig erfolgreichen Autoren Whitfield Cook (Danny Huston). Der macht ihr den Hof, und lädt sie ein zu einem Ferienhaus am Meer, wo man vorgeblich gemeinsam an einem Script schreiben will. Almas Flucht entgeht dem Hobbydetektiv Hitchcock aber natürlich nicht.

Wie er sich quälend langsam und denkbar unsensibel wieder seiner Frau annähert und sie auch in die eigene stockende Arbeit an Psycho einbindet, davon erzählt der dritte Erzählstrang von Hitchcock. Hier ergeben sich auch die charmantesten Szenen des in nur 36 Tagen abgedrehten Films. Herrlich süffisant zeigt sich zum Beispiel Mirren, wenn sie Hitch im Schneideraum erklärt, dass bei der Duschszene doch eine schockierende – und heute legendäre – Musik (von Bernard Herrmann) fehlen würde. Wunderbar auch, wie die beiden bei der (fast) täglichen Gartenarbeit vor sich hingrummeln und auf hohem Niveau aneinander vorbeireden. Am Ende ist es aber vor allem Hitchcock, der Federn lassen muss und – weil ihm kaum eine andere Wahl bleibt — endlich doch von seinem hohen Regiegott-Ross heruntersteigt. Und so erzählt Hitchcock letztlich davon, dass große Kreativmänner nichts wären ohne die Frauen an ihrer Seite. Eine nicht ganz neue These, die sich auch immer wieder im Umfeld von Autoren wie Bertolt Brecht finden lässt.

Wer sich bei Hitchcock detaillierte Einsichten in den Entstehungsprozess seines Meisterwerks Psycho erhofft, könnte enttäuscht werden. Die Dreharbeiten am heutigen Horrorklassiker werden letztlich nur oberflächlich gestreift. Dafür bietet die famos gespielte Komödie erhellende und amüsante Einsichten in das Eheleben von Hitchcock und seiner Frau Alma. Und damit gelingt es Regisseur Sacha Garvasi, den „Master of Suspense“ auch mal zu erden, ohne ihm seine Schrullen zu nehmen oder ihn gar zu entzaubern.

Hitchcock

Erfolge machen glücklich? Nicht unbedingt. Gerade Filmregisseure bedauern es oft zutiefst, nicht das inszenieren zu dürfen, was sie wirklich wollen, sondern was gewünscht wird. Und wer nicht genügend Schneid hat, endet vielleicht wie George Lucas, der jahrelang von seinen Träumen, ein Indie-Drama drehen zu wollen, geredet hat, am Ende aber — bis zum Verkauf der Franchise — nie von der Kasse machenden „Star Wars“-Maschinerie loskam. Ganz anders Alfred Hitchcock.
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Meinungen

Martin Zopick · 30.08.2023

Der Film ist nicht nur was für Cineasten, obwohl man ihn schon mehr genießen kann, wenn man mit der Materie etwas vertraut ist.
Im Mittelpunkt steht ein Abschnitt aus dem Privatleben der Hitchcocks. Und bei denen kann man Privates kaum von der offiziellen Arbeit trennen. Regisseur Gervasi hat sich dabei zeitlich die Vorbereitung, die Durchführung und das hochgelobte Ende von ‘Psycho‘ ausgesucht. Unter den gut gecasteten Darstellern für dieses Projekt fällt vor allem James D’Arcy als Anthony Perkins auf. Nicht nur weil er dem Original ähnelt, sondern sich auch so zuckend bewegt. Da hat es Scarlett Johansson als Janet-Leigh-Darstellerin schon schwerer. Sie kann nur mit ihrer äußeren Schönheit punkten. Helen Mirren als die Ehefrau von Hitch kann schauspielerisch überzeugen mit ihrem großen Herzen für das kleine, dicke Kind. Aber auch inhaltlich überrascht sie durch den maßgeblichen Anteil am Gelingen des Films. Die ehelichen Stichleien und Eifersüchteleien sind ebenso geschliffen wie die Fachsimpeleien der beiden, ihre gegenseitigen Abhängigkeiten ebenso wie ihre individuellen Eskapaden. (klasse Drehbuch von John J. McLaughlin).
Alle überragt natürlich Anthony Hopkins in der Titelrolle. Die Visagisten haben ihr Möglichstes getan, damit er Hitch sehr ähnlich sieht. Die Körperfülle stimmt auch. Aber wie er spricht und dabei die Lippen ausstülpt ist echt Alf-like. (So als rede er mit vollem Mund!)
Es ist ein Einblick in einen kurzen Lebensabschnitt des Meisters des ‘Suspense‘, aber der ist sehr intensiv und anschaulich. Bevor die finalen Lobhudeleien einsetzen, menschelt es anrührend zwischen Alf und Alma. Und der schwarze Vogel, der sich auf Alfs Schulter setzt weist auf das nächst Hitch-Projekt hin.
Unterhaltsam, beeindruckend und informativ. Einfach saugut!