Hey Bunny

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Eine Beziehungskomödie – nicht!

Barnaby Metschurat und Lavinia Wilson sind seit über 15 Jahren ein Paar. Ein glückliches, wahrscheinlich – auf jeden Fall geht ihr erster ganz und gar eigener Film Hey Bunny auf die Suche nach dem Glück. Darsteller, Drehbuch, Produktion, Regie, Verleih – alles in ihrer Hand, alles selbst finanziert: Eine wilde Komödie, die kaum einzuordnen ist zwischen Beziehungsklamotte und Absurditätentheater. Eine Hybrid-Züchtung, die von Herzen kommt. Und Kaninchen sind auch dabei.
„Vielleicht geht es nur mir so, aber mir ist die Absicht der Macher oft recht schnell klar“, so kommentiert Metschurat das deutsche Filmschaffen, „z. B.: ‚In diesem Film behandeln wir ein relevantes gesellschaftliches Thema. Wir tun das mit dem ihm gebührenden Ernst.‘ Oder: ‚Wir sind jung, wir haben ein wenig Geld bekommen, um von unserem abgefahrenen, wilden Leben zu erzählen. Man verzeiht uns unsere Ungenauigkeit, weil man sie erwartet.‘ Oder man setzt klar auf Unterhaltung: ‚Wir nehmen ein paar Stars, die verlieben sich in der Geschichte, aber zwischendurch ist alles kurz ganz kompliziert. Fertig, Ende.“ Mit seinem Drehbuch- und Regiedebüt schafft er es zusammen mit Wilson, alle drei aufgezählten Merkmale zu verarbeiten; und zugleich ad absurdum zu führen.

Weshalb man als Filmkritiker in einer Zwickmühle steckt. Einerseits muss man den Leser vor diesem Film warnen. Andererseits will man ihn verführen, sich auf den Film einzulassen. Warnen deshalb, weil sicherlich alle Erwartungen enttäuscht werden. Erwartungen von gelungenem Handwerk; von Starkino; von Komödie, ob romantisch oder familiär oder satirisch; von nachvollziehbarer Geschichte und konsequenter Dramaturgie. Verführen zu einem bizarren Spaß, zu einem Bürsten gegen den Strich, zu einem ganz persönlichen Film, der sich um nichts schert. Jawoll: Ich habe einige Male gelacht. Und zwar dann, wenn alles richtig überdreht und abgefahren ist.

Zu Filmbeginn ist man verwirrt. Da sind einige Dialoge nur dazu da, um den Zuschauer auf den Stand zu bringen, weil Dinge angesprochen werden, die allen Protagonisten filmintern klar sein sollten. Das wirkt unbeholfen; ebenso wie manche Entscheidung im Filmschnitt, die die Hauptsache, auf die eigentlich Wert gelegt wird, gerade nicht in den Blickpunkt rückt. Oder diverse unverständliche Elemente – Flashs zurück in glückliche Kindheitstage oder irgendwelche Personen, die auftauchen und vielleicht gar nicht wichtig sind. Lange weiß man nicht, worum es geht, auch, wenn alles klar vor Augen scheint. Dann geht plötzlich alles drunter und drüber, und die privaten Turbulenzen gehen in großes gesellschaftliches Unbehagen über, aber weniger, dass das Private politisch erscheint, eher das Politische privat. Vielleicht gibt es sogar eine Liebesgeschichte, aber nur vielleicht.

Am Anfang sehen wir – nach minutenlangem Schwarzbild – Barnaby Metschurat als Adam auf dem Boden sitzen und telefonieren. Mit der Freundin, die nach Afrika abgereist ist für ein Entwicklungshilfeprojekt. „Was willst du da eigentlich? Die kommen doch sowieso grade alle hierher!“, sagt er, und: „Andere Frauen kriegen einfach ein Kind, und das war’s dann mit ihrer Sinnkrise.“ Er ist ein einzelgängerischer, protoautistischer Arsch, den wir im weiteren Verlauf aber liebgewinnen. Denn seine Familie ist noch schlimmer. Der Vater ist seit sechs Monaten mentales Gemüse, von den Brüdern ist der eine überkandidelter Superoptimist, der andere vergräbt sich pubertär schweigend im Keller. Die Jungs wohnen alle noch zuhause, ihr Alter wohlgemerkt: 40 plus minus. Der zweite Handlungsstrang: Helen, promoviert, im Forschungslabor der Uni, im Stall viele weiße, große Versuchskarnickel, über sich die Institutsleiterin, die auch noch ihre Frau Mama ist.

Die Kaninchen sind die Verbindung der beiden Parallelgeschichten: Adams Vater war der große Professor, der die Hoppelhäschen zu sozialen Wesen herangezüchtet hat. Helen führt seine Forschungen auf der Suche nach einem Glücksgen weiter, das in den so überaus friedlichen und zufriedenen Karnickeln stecken muss. Adam wiederum ist – mehr behauptet als gezeigt – ein 1a-Spezialist im Computerhacken, white hat freilich, sprich: er ist für die IT-Sicherheit zuständig. Dass die Labordaten trotzdem gekapert werden, dass Adam polizeilich gesucht wird, dass Helens Kaninchen abhandenkommen: das sind die Komplikationen im Mittelteil, zu denen noch Adams Auftragsgeber der IT-Firma und eine Gruppe Tierrechtsaktivisten ihr Scherflein dazugeben. Nicht zu vergessen die Schweine im Nachbarlabor, die das neue große Forschungsding zu sein scheinen.

Spätestens wenn auf unerklärliche Weise die weißen Kaninchen im Haus von Adams Vater auftauchen, wird klar, dass wir es bei Hey Bunny mit einem komplett verrückten Film zu tun haben – verrückt im positiven Sinn: Er verrückt alle Gewissheiten, die wir von so etwas wie Handlungsstringenz oder Dramaturgie haben, und führt zu gänzlich unerwarteten, unerwartbaren Momenten. Der ganze Irrsinn aber kommt nicht als Irrsinn daher, sondern in der einnehmenden Buntheit einer „normalen“ romantischen Komödie – deren konventionelle Vorhersehbarkeit hier hinterrücks bloßgestellt wird. Während die Karnickel durchs Haus hopsen, entpuppt sich der nette ältere Gutmenschenbruder als notgeiler Sack, der auf dem Flughafen gestrandete Mädels aufreißt; der einsilbige Jüngere ist ein Star in Arabien; die Kaninchen haben offenbar von alleine zu ihrem Papa, dem geschlaganfallten Vater von Adam, gefunden; im Zelt kommen sich Adam und Helen näher; eine russische Matrone macht einen auf Femen; die Aktivisten übernehmen das Labor; und die Pistole der Polizistinnen ist aus rosa Plastik.

Hey Bunny

Barnaby Metschurat und Lavinia Wilson sind seit über 15 Jahren ein Paar. Ein glückliches, wahrscheinlich – auf jeden Fall geht ihr erster ganz und gar eigener Film „Hey Bunny“ auf die Suche nach dem Glück. Darsteller, Drehbuch, Produktion, Regie, Verleih – alles in ihrer Hand, alles selbst finanziert: Eine wilde Komödie, die kaum einzuordnen ist zwischen Beziehungsklamotte und Absurditätentheater. Eine Hybrid-Züchtung, die von Herzen kommt. Und Kaninchen sind auch dabei.
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Meinungen

Kim · 26.04.2017

Ein wirklich toller Film! Er verbindet einen angemessenen Witz mit ernsten Themen, die auf eine gerissene Art nicht zu sehr dramatisiert wurden. Man kann sich selber aussuchen auf welche Entwicklung der Charaktere man sich fixieren kann, wodurch er anders als die ganzen anderen großen Filme wirklich zum Nachdenken und späteren reflektieren der einzelnen Szenen sorgt. Ich denke dieser etwas längerer Arbeitsweg hat diesem Film wirklich diesen besonderen Pfiff verliehen. Definitiv empfehlenswert!