Hedi Schneider steckt fest (2015)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Depression? Zum Lachen!

Der Aufzug bleibt stecken. Hedi Schneider drückt den Notrufknopf. Und gerät nicht in Panik, sondern fängt ein Gespräch mit dem Servicetechniker an: Familie, Frau, Kinder? Alles okay zuhause? Und, ach ja: Einen Burger mit Pommes und Cola bitte.

Hedi Schneider ist eine lustige Person. Eine lebenslustige Person. In bunten Kleidern tritt sie auf, gerne veräußerlicht sie ihre Gedanken unverblümt und ungefiltert, beim Computertippen murmelt sie die Worte mit. Mit ihrem Sohn spielt sie hingebungsvoll, und mit ihrem Mann spielt sie auch – Doktorspiele im buchstäblichen Sinne, mit Diagnose per Speicheltest und Giftaussaugen untenrum.

Doch am Tag zuvor hatte ihr Kollege eine Stunde lang auf dem Fensterbrett gestanden, bevor er dann doch nicht sprang. Und beim Sex – fühlt Hedi plötzlich nichts mehr in Armen und Mund. Ein Schlaganfall? Nein. Beruhigungstabletten helfen: Eine Panikattacke. Eine scheinbar grundlose, aus dem Nichts kommende heftige Angst, die sich ausbreitet, die nicht mehr weggeht. Angst, Depression als chronische Krankheit. Ein Ende der verspielten Ironie, des lustigen Zusammenlebens in der Familie.

Hedis Leben steckt fest. Und Laura Tonke spielt Hedi in einer – wieder einmal – phänomenalen Leistung. Sie ist in jeder Szene im Bild; und sie zeigt stets den genau richtigen Gesichtsausdruck, genau die richtige Körperhaltung, von der Fröhlichkeit bis ins tiefste Jammertal, von den drogenumnebelten Höhenflügen unter Medikamenteneinfluss über melancholische Liebe bis zu kratzbürstiger Streitlust. Hans Löw als Ehemann Uli begleitet sie, weniger im Zentrum, aber nicht weniger intensiv in der Darstellung. Geduld und Genervtheit, Sehnsucht und Frust spiegeln sich in ihm. Er muss sich nun kümmern, er muss zurückstecken – eigentlich wollte die Familie in wenigen Wochen aufbrechen nach Gambia, zu einem NGO-Projekt, von dem Uli lange geträumt hat.

Das Glück der Familie, es zerrinnt – und vielleicht war es immer nur oberflächlich da, vielleicht war die Exaltiertheit, das Überdrehte, das Spielerische von Hedi nur eine Gegenreaktion auf die noch unbewusste Angststörung, bevor die sich Bahn brach. Psychologisch spielt Regisseurin Sonja Heiss den Ablauf konkret und sehr korrekt ab – und sie ist in Konzeption und Inszenierung derart gut, dass sie ihren Film gerade nicht auf ein Betroffenheits-Diagnosen-Kino reduziert. Denn Hedi Schneider steckt fest ist eine Komödie, eine Komödie, die die Depression so ernst nimmt, wie es die meisten Dramen bei all ihrer Anstrengung nicht könnten. Eine Komödie, die mit Leichtigkeit die schwere Zeit bebildert, beobachtend, zugleich anteilnehmend, aber nicht als emotionale Überstülpung. Hedi verhält sich selbstsüchtig, sie handelt unvernünftig, sie bricht aggressiv Streit vom Zaun: Immer wieder kommen wir zu Punkten, wo die Kranke, das Opfer in ihrem Verhalten anstrengend wird, wo sie die Geduld des Partners überbeansprucht – und wir seine Reaktion der Distanz zur eigentlich geliebten Ehefrau mehr als verstehen.

Womit das Kunststück einer Komödie über Angststörung noch gesteigert wird durch die Ehrlichkeit, mit der Heiss erzählt: Eine Ehrlichkeit auch in der präzisen Darstellung des Familienlebens in der kleinen, vollgestellten Wohnung, in der ein geordnetes Wohlfühlchaos herrscht. Eine Ehrlichkeit, die Zweifeln Raum lässt, was die Partnerschaft, was das Zusammenleben angeht. Zweifel, die auszuräumen lange Zeit brauchen, länger, als der Film dauern kann, der in einem hoffnungsvollen Moment ausklingt – als Hedi ansatzweise ihr spielerisch-ironisches Wesen wiederfindet.
 

Hedi Schneider steckt fest (2015)

Der Aufzug bleibt stecken. Hedi Schneider drückt den Notrufknopf. Und gerät nicht in Panik, sondern fängt ein Gespräch mit dem Servicetechniker an: Familie, Frau, Kinder? Alles okay zuhause? Und, ach ja: Einen Burger mit Pommes und Cola bitte.

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Meinungen

Frank Berlin · 17.06.2015

Rührender und witziger Film, der einfach Spaß macht.
Ein schweres Thema leicht inszeniert. Laura Tonke, die ich zuvor nicht kannte, spielte jede Facette von Hedi überzeugend. Bin gespannt, wie es mit ihr weitergeht. Diesen Film kann ich von Herzen empfehlen!

Hedi Schneider · 12.02.2015

Finde den Trailler toll, bin total gespannt wie es weitergeht.... allerding seltsam meinen Namen so oft zu hören........